Das Genre und die Originalität

Phlegeton

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Nov 29, 2021
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Hi zusammen :)

Mich treibt mal wieder eine handwerkliche, oder etwas hochtrabender formuliert: eine literarische Frage um.

Ganz ketzerisch gesagt, schreibt und liest man hier tagaus, tagein das Gleiche, arbeiten wir uns alle an dem immer selben Thema ab: Der Liebe und dem Sex, in allen ihren Formen. Das Schöne an der Sache ist, das wird nicht langweilig. Darüber zu lesen oder sogar darüber zu schreiben, ohne sich und andere zu langweilen, das ist schon schwieriger. Irgendwie scheint alles schon gesagt, werden immer dieselben Themen, Ideen und Konstellationen behandelt, entlang der vertrauten Pfade. Tropes, wie das auf Englisch heißt. Vermutlich haben wir Glück, dass die Sprache dazu neigt, umso mehr Synonyme für etwas zu erfinden, je unanständiger es ist. Sonst hätten wir nicht nur ein inhaltliches, sondern auch ein sprachliches Problem o_O

Das Problem des immer Gleichen ist dabei ein zwangsläufiges: Wenn es nicht um die schönste Hauptsache der Welt geht, ist unser Werk hier fehl am Platz, per Definition. Dann verfehlen wir das Thema. Die Beschränkung ist die gleiche wie beim Krimi – nur auf Sex statt auf Verbrechen. Wobei wir wohl noch etwas freier sind: Krimis sind zu 95% Tötungsdelikte, mit ein bisschen Raub, dem gelegentlichen Diebstahl, wenig Betrug und vielleicht etwas Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit. Das trägt dann gleich ein Subgenre, den Spionagethriller. Also andere haben es auch nicht besser :sneaky:

Was bleibt, ist die Frage, wie und warum sich etwas abhebt, wie man den Genregrenzen treu bleibt, und sich trotzdem neu anfühlt, frisch und unverbraucht und eben – originell.

Das ist ungleich der Frage, was „gut“ ist – originell ist nicht zwangsläufig gut, auch wenn es den Gesamteindruck meist wesentlich prägt und mit anderen Faktoren, die etwas „gut“ machen, oft Hand in Hand geht.

Ich bin neugierig, was ihr als originell anseht. Sprache, Stil, Idee, Szenario..? Was lässt euch aufhorchen, weiterlesen, weil es einfach anders ist? Habt ihr Beispiele, hier auf Lit? Was ist originell an eurer Arbeit? Und wie wichtig ist es für euch überhaupt, originell zu sein? Sehr wichtig, oder findet ihr es eher herausfordernd, die beste Version eines altbekannten Themas zu schreiben, die es gibt, egal, wie „neu“ das ist ist?
 
Last edited:
Ich unterscheide nach Geschichten, die ich einmal lese und denjenigen, die ich immer wieder hervorkrame.

Bei letzteren macht es für mich die Mischung aus interessanten Charakteren und interessanten Situationen aus. Wichtig ist für mich, dass auch alles stimmig ist, also keine offensichtlichen Logik-Klöpse enthalten sind.

Genau so etwas versuche ich auch selbst zu schreiben.

Grüße
Phiro
 
@PhiroEpsilon, das finde ich interessant. Gerade im Bereich der Sexgeschichten, habe ich noch keine ein zweites Mal gelesen. Ich lese aber auch andere Bücher praktisch nie zweimal.

Bei meinen eigenen Geschichten geht es mir weniger um Originelles, sondern eher um Dinge/Fantasien, die in meinem Kopf sitzen und irgendwie raus wollen. Auch deswegen, weil ich eben genau diese Idee/Fantasie so hier noch nicht gefunden habe, wie ich sie mir dann überlegt habe.
Woher die Ideen kommen, kann ich nicht genau sagen. Wahrscheinlich aus allem was man halt so erlebt hat und erlebt.

Eine gewisse Glaubwürdigkeit muss eine Geschichte haben, damit ich sie gut finde.
Das heißt aber nicht, dass sie auch nur ansatzweise realistisch sein muss. Ein gutes Beispiel ist für mich da immer der Film Inception. Die Idee ist natürlich (im wahrsten Sinne) fern jeder Wirklichkeit. Aber in sich passt das Konzept einfach und die erschaffene Welt ist für mich glaubwürdig.
Auch @Sunny3429 ‘s Refugium Universum ist so ein Beispiel. Eine Dystopie mit extremer Technologie, die aber in sich passt.

Sowas finde ich spannend und da lese ich dann gerne und kann richtig darin versinken. Viele Geschichten schaffen das aber nicht.
Ich würde auch soweit gehen zu sagen, eine Sexgeschichte ist dann wirklich gut (für mich), wenn der Sex mich fast am wenigsten interessiert.
Wenn das Drumherum und die Charaktere so interessant sind, dass ich einfach weiterlesen will. Da ist der Sex dann das Sahnehäubchen, der alles abrundet.

Darum mag ich auch Geschichten, die nur wie ein aufgeschriebener Porno daherkommen, weniger gerne.

Keine Ahnung ob das jetzt alles einen Sinn ergeben hat und zu deinem Thema passt @Phlegeton.
Hab einfach mal ein paar Gedanken geteilt.

Lieben Gruss
Mayia
 
Zugegebenermaßen ist jedes Thema erschöpflich, ob nun bei einem Krimi oder bei Sexgeschichten. Die meisten Varianten gab es in der einen oder anderen Konstellation schon einige Male.
Daher lese ich gerne Storys in Kombination, die es nicht so oft gibt. Für mich wären das beispielsweise Sex in Kombination mit Fantasy oder SF/Endzeit. Dabei finde ich es ganz gut wenn neben dem Sex auch noch eiern Story erzählt wird und die Charaktere im Idealfall etwas Tiefe bekommen. Ich mag es auch sehr gerne wenn die Umwelt/das Umfeld einigermaßen gut beschrieben werden. Zudem hat aus meiner Sicht eine geschriebene Story, gegenüber beispielsweise dem Film, den Vorteil, dass man die Gedanken der Personen gut mit Einfließen lassen kann. Das gelingt beim Film meist nur in Form von Overvoice.
 
Ich kann bestätigen, dass eigentlich alles schon einmal da gewesen ist. Seit 1994 lese ich online erotische Geschichten und wirklich neue Idee gibt es wenige.

Daher geht es für mich in den letzten Jahren immer mehr um das Drumherum. Den eigentlichen Sex finde ich inzwischen fast nebensächlich. Mir gefallen vor allem Geschichten mit Tiefgang und solche, die nicht an der Stelle halt machen, an der sonst die Populärliteratur aufhört.
Sex gehört in vielen Bereichen unseres Lebens dazu und bringt oft das gewisse Kribbeln mit. Wenn es das nicht gäbe, wäre unsere Art vermutlich inzwischen ausgestorben.
Wobei mir manchmal auch Variationen einer oft kopierten Grundidee gefallen, wenn sie schön zu lesen sind.

Zu deiner Frage @Phlegeton, was ich gut finde. Die Geschichte muss im weitesten Sinne glaubhaft sein. Superlative in Ausdauer, Größe, etc. finde ich lachhaft und lege ich weg. Interessanter finde ich Beschreibungen der handelnden Personen, wenn dort nicht explizit beschrieben wird, dass der Penis soviel Zentimeter lang ist und eine Frau diese Oberweite in Zahlen hat. Unbestimmte Beschreibungen gefallen mir viel besser, da sie mir als Leser mehr Raum für Phantasie lassen.
Wenn sich eine Autorin oder ein Autor eine gute Frage der Art "was wäre wenn" gestellt hat und mit diesem Gedanken "bis zum Ende" geht, dann sind mir solche Geschichten momentan die Liebsten. Insofern zählt für mich als originell, wenn die Idee des Szenarios gut ausgearbeitet ist.
Von handwerklichem Geschickt sollte die Geschichte ebenfalls zeugen. Uns unterlaufen alle Fehler - mir eingeschlossen. Wenn viele Sätze als solche nur schwer zu erkennen sind und offensichtlich ist, dass wenig Mühe ins Korrekturlesen gesteckt worden ist - von Lektorat ganz zu schweigen - dann verlässt mich jedoch schnell die Lust.

Ich hoffe, ich habe Deine Frage damit in etwas beantwortet.

Viele Grüße,
TiW
 
@PhiroEpsilon, das finde ich interessant. Gerade im Bereich der Sexgeschichten, habe ich noch keine ein zweites Mal gelesen. Ich lese aber auch andere Bücher praktisch nie zweimal.
...

Lieben Gruss
Mayia
Es sind wenige von den Literotica-Geschichten und fast keine von den Deutschen.

"Die Große Seereise" ist toll, aber nur in Word, wo ich Schreibfehler korrigieren kann - ich bin immer noch nicht ganz durch damit.

"Threads: The Island" ist eine Sex, Crime und wirklich gute Charaktere.

"Any Chance We Could" - aber nur die ersten zwanzig oder so Kapitel. Danach wird es einfach zu viel Kreuz- und Quer-Gebumse.
 
Danke für eure Meinungen - und tatsächlich gibt es keine, die ich nicht nachvollziehen, besser: teilen kann. Interessant finde ich, was ich bei mehr oder weniger allen hier herauslese, dass Sex gar nicht so sehr im Mittelpunkt stehen muss. Zumindest darf die Geschichte nicht darauf reduziert werden, sonst erreicht man das genaue Gegenteil: Eben der aufgeschriebene Porno, der ironischer Weise gerade duch die Konzentration auf nichts als den Sex unerotisch ist, jedenfalls für mich.

Eigentlich liegt die Erkenntnis nahe: Man schreibt eine erotische Geschichte, wie es der Name sagt: Literotica. Das funktioniert nur in der Mischung. Für mich formuliere ich immer, dass jede erotische Geschichte so viel Geschichte enthalten muss, dass, wenn man alles streicht, was reiner Sex ist, immer noch ein funktionierender und in sich stimmiger Rest übrig blieben muss. Daher vermutlich auch die vielen Genremischungen: Sex & Crime, erotische Science Fiction, etc. Das öffnet ja auch Spielräume, etwas neues und originelles zu schreiben. Pornos selbst sind beinah nie originell, sie sind stereotyp.

Sehr gut nachvollziehen kann ich auch, was Maiya sagt: Dass es bestimmte Dinge gibt, die einfach aus dem Kopf wollen, die man aufschreibt, ohne Rücksicht darauf, ob sie originell oder neu sind. Und bestimmte "tropes", die man wieder und wieder liest, und immer das Gefühl bekommt: Das kannst du selber besser. Das versuchst du jetzt.

Ich denk noch etwas drüber nach und schaue mal, ob ich gute Beispiele für originelles finde :)
 
Eigentlich liegt die Erkenntnis nahe: Man schreibt eine erotische Geschichte, wie es der Name sagt: Literotica.

Wobei ich sagen muss, dass ich meine Geschichten schon als „Sexgeschichten“ bezeichnen würde und nicht als höhere Literatur.
Also vielleicht eher der ausführlichere Porno. Mit mehr Geschichte und nicht einfach nur vögeln. Mit Charakteren, die Interesse wecken.
Aber Sex steht immer im Mittelpunkt. Und ohne den Sex wären meine Geschichten wahrscheinlich vollkommen sinnfrei und langweilig. Und das ist auch ok so.

Beim Lesen ist mir der Sex dann aber, wie gesagt, weniger wichtig. Aber fehlen sollte er auch nicht. Da ist die Kunst dann ihn so zu erzählen, dass er mir gefällt :)

Lieben Gruss
Mayia
 
Ich denke, die Erwartung an die Geschichten ist sehr unterschiedlich. Einige nutzen sie, um sich selbst in Stimmung zu bringen und andere, um sich in eine andere Welt entführen zu lassen. Beides ist meiner Meinung nach absolut in Ordnung.
Auch denke ich, dass der Anspruch an die Geschichten der Leserinnen und Leser sich über die Zeit verändert. Auch kommt für mich hinzu, nachdem ich hunderte solcher Geschichten in den letzten +dreißig Jahren gelesen habe, dass ich mehr Handlung erwarte. Immer nur rein und raus zu lesen, ist einfach langweilig. Daher steht für mich heute Handlung und Originalität meistens im Vordergrund.

In einem der Ratgeber, wie man erotische Geschichten schreibt, steht meiner Erinnerung nach, dass man die Geschichten um die einzelnen Sex-Szenen herum schreiben sollte. Früher konnte ich dem zustimmen. Heute bin ich anderer Meinung. Die Gesamthandlung sollte stehen und wie @Phlegeton geschrieben hat, auch ohne Sex interessant genug sein. Wobei das bei einigen Kurzgeschichten schwierig wird, da dann nicht mehr viel übrig bliebe. Auch bauen viele Geschichten auf der sexuellen Spannung zwischen den einzelnen Protagonisten auf. Wenn man das weg ließe, wären sie nur noch halb so interessant.
 
@ Mayia: Also nur um jedes Missverständnis auszuschließen: Etwas, dass ich als Literatur bezeichnen würde, geschweige denn als höhere, habe ich noch nie produziert. Und ziele da auch deutlich tiefer ;)

Mit dem Verweis auf den Begriff Literotica wollte ich nur sagen, dass für mich neben der Erotik eben auch etwas Substanz vorhanden sein muss, damit das Ganze aufgeht. Etwas literarisches im weitesten Sinn, eben eine sinnvolle, interessante und in sich stimmige Handlung. Wobei ich beispielsweise deine Lisa-Geschichten als Paradebeispiel dafür sehe. Klar steht der Sex im Mittelpunkt, aber hier geht es mindestens genauso um die Charaktere und die Handlung, die die Geschichte von der Masse abheben.

Ansonsten bin ich ganz bei TiefimWesten: Die Abgrenzung ist schwierig, und es gibt viele Sonderfälle. Manche Autoren schildern einfach eine kurze Szene, eine sexuelle Begegnung. Man könnte es als Vignette bezeichnen. Da fehlt jede Handlung, außer der notwendigsten, und trotzdem kann es originell sein.
 
Hi @Phlegeton,

Wir sind uns da ganz einig.
Ich wollte das nur für meine Werke klarstellen, nicht dass jemand sich sonst daran stört, dass es bei mir vor allem um Sex geht :)

Ich denke momentan jedenfalls relativ viel über diese Thematiken nach. Und ich muss auch feststellen, dass, seit ich selber hier was geschrieben und veröffentlicht habe, ich viel mehr allgemein auf Geschichten und deren Erzählweise achte.
Das finde ich super interessant.
Wenn man im Hinterkopf immer mitdenkt, wie hat die AutorIn das gemeint. Wie hätte ich das selbst gelöst und hätte man das noch anders machen können?

Es ist doch einfach schön so viel Kreatives erschaffen zu können. Und dabei empfinde ich mich selbst generell eher als extrem unkreativ.

Lieben Gruss
Mayia
 
Nun ja, ich denke schon, dass die meisten meiner Geschichten als "Unterhaltungsliteratur" durchgehen... E-Literatur ist sowieso überhaupt nicht mein Ding.
 
Wie ich an anderer Stelle heute unter Verweis auf Engel bereits anmerkte, ist der Inhalt des meisten Geschriebenen – nicht nur in Sachen Erotika – weder neu noch bedeutsam genug, um als eigentümliche Auszeichnung zu dienen. Angesichts dessen liegt für mich auf der Hand, daß eine solche Auszeichnung vor allem über die Form möglich und erstrebenswert sein sollte. Bereits fehlerfreies – gar reines – Deutsch zu schreiben, käme auf Literotica einer Auszeichnung gleich! Wem dies noch nicht Auszeichnung genug ist, der darf sich gerne auch an schönem Deutsch versuchen, aber Schreiber, die dem fähig wären, scheinen auf Literotica überaus selten zu finden zu sein – was freilich nicht wundernimmt angesichts des jetzigen Zustandes deutscher Prosa allgemein.

Was mich "aufhorchen" läßt, das läßt sich sowohl meinen Kommentaren hier auf Literotica als auch den Geschichten entnehmen, die mir der Übersetzung wert scheinen, weshalb ich auch mehr als einmal bereits selbst eine solche besorgt habe. Um sich ein genaueres Bild zu machen, sei daher jedem Interessierten die Lektüre der von mir übersetzten Geschichten anempfohlen!

Was "Neues" im deutschen LIT anlangt, so würde ich nach wie vor die Biochemie von chekov als erstes Beispiel anführen, da sowohl Sprache, Stil, Idee als auch Szenario dieser Reihe die Bezeichnung "neu" – vor allem, aber nicht nur – in bezug auf das deutsche LIT nach wie vor rechtfertigen.

Was meine eigenen Geschichten anlangt, so versuche ich vor allem stilistisch "aufhorchen" zu lassen, was, wie ich finde, sich aus meinen vorherigen Ausführungen auch so gut wie von selbst ergibt. Was die geschlechtlichen Handlungen anlangt – insbesondere die leiblichen Betätigungen –, so sind diese wahrscheinlich alle bereits mindestens einmal erzählt (die Beschaffenheit des Menschen gewährt nun einmal in dieser Hinsicht nur eine begrenzte Anzahl an Möglichkeiten), weshalb hier schwerlich Neues aufgebracht werden könnte; allerdings bieten sich in der Herleitung bzw. Anbahnung der geschlechtlichen Handlungen unerhörte Möglichkeiten, denke ich, und es spricht, wie ich finde, nichts dagegen, diese zumindest in Betracht zu ziehen, um das, was man selbst schreibt, auf eigentümliche Weise auch inhaltlich auszuzeichnen. Ich weiß nicht, ob ich mich da zuweit aus dem Fenster lehne, aber ich würde mich erkühnen zu behaupten, daß zumindest die Herleitungen bzw. Anbahnungen im ebengenannten Sinne in der ersten Sammlung meiner Obskuren Variationen durchaus als "neu" – vor allem, aber nicht nur – in bezug auf das deutsche LIT durchgehen könnten. Aber darüber urteile jeder Interessierte selbst!

Ich weiß nicht, ob ich Phlegeton hier richtig verstanden habe, aber seinem folgenden Grundsatz kann ich nicht zustimmen:
Für mich formuliere ich immer, dass jede erotische Geschichte so viel Geschichte enthalten muss, dass, wenn man alles streicht, was reiner Sex ist, immer noch ein funktionierender und in sich stimmiger Rest übrig blieben muss.
Dieser erinnert mich stark in die auf Sevac vertretene Auffassung von "erotischen Geschichten":
Als Faustregel gilt: Kann man die ferkligen Szenen weglassen und bleibt dennoch eine brauchbare Geschichte übrig, handelt es sich um eine erotische Geschichte.
Eine Geschichte, die tatschlich so geschrieben wäre, wäre eine Geschichte, deren geschlechtliche Handlung schlechterdings überflüssig wäre, denn auch ohne sie würde ja ein "in sich stimmiger Rest" bzw. "eine brauchbare Geschichte" übrig bleiben. Die eigentliche Geschichte wäre also die Geschichte ohne geschlechtliche Handlung, weshalb letztere lediglich eine überflüssige Beigabe, ein unnötiges Anhängsel wäre, auf den – aus erzählerischer Sicht – genausogut verzichtet werden könnte, ohne daß die eigentliche Geschichte darunter litte. Wenn dem so wäre, so hätte der Schreiber tatsächlich darin versagt, eine erotische Geschichte zu schreiben, denn statt dessen hätte er vielmehr eine Geschichte geschrieben, die unnötigerweise als überflüssige Beigabe oder Anhängsel auch erotische Szenen enthielte.

Ich denke, eine erotische Geschichte ist nur dann eine erotische Geschichte im eigentlichen Sinne, wenn das Erotische an ihr sie überhaupt erst zu der Geschichte macht, die sie ist, sprich: ein wesentlicher und untrennbarer Teil von ihr ist. Also sind die oben zitierte Sevac-Faustregel wie auch Phlegetons Grundsatz, was das Schreiben erotischer Geschichten anlangt, rundweg zurückzuweisen.

(Diese Einsicht unterliegt auch meinem eigenen Begriff von unserm Gegenstand, siehe der Eintrag zum Erotikon auf meinem Blog.)
 
Last edited:
@Auden James Du hast einen Punkt genannt, den ich komplett aus dem Auge verloren hatte:

Ich denke, eine erotische Geschichte ist nur dann eine erotische Geschichte im eigentlichen Sinne, wenn das Erotische an ihr sie überhaupt erst zu der Geschichte macht, die sie ist, sprich: ein wesentlicher und untrennbarer Teil von ihr ist.

Hiermit hast du absolut recht! Meine Aussage, dass eine Geschichte auch ohne Erotik oder Sex tragfähig sein sollte, ziehe ich hiermit zurück. Wobei andersherum betrachtet. Wenn eine Geschichte auch ohne Erotik trägt, dann kann sie nicht schlecht sein. Wenn sie mit Erotik zu einem besonderen Vergnügen wird, dann haben wir einen Schatz vorliegen.

Es gilt hier dasselbe, wie im Film. Nur Sex, wie in einem Porno, ist sterbend langweilig. Andrea Camillieri ließ seinen Commissario Montalbano sogar davon aus Langeweile in "Das Spiel des Patriarchen" einschlafen.
Wird die Erotik jedoch als Stilmittel gekonnt eingesetzt und mündet ggf. im Sex, dann wird daraus eine sehr unterhaltsame Angelegenheit. Wobei mir scheint, dass im Film öfters die größte/stärkste Sex-Szene zum Ende des ersten Drittels vorkommt und danach, wenn, nur kleinere. In vielen Geschichten wird jedoch das Herantasten von einem ersten Kuss über die verschiedenen Spielarten des Pettings bis zum tatsächlichen Verkehr als spannungssteigerndes Mittel eingesetzt.

Viele Grüße,
TiW
 
Es kommt ja auch immer darauf an was man mag und erwartet.
Und allgemeingültige Aussagen zu treffen, bringt letztlich nichts.

Die „Obskuren Variationen“ von Auden James sind natürlich etwas ganz anderes, als das was ich hier veröffentliche.
Die sind sprachlich auf einem ganz anderen Niveau. Da sieht man, dass du die Sprache als Kunst einsetzt. So etwas könnte ich sicherlich nicht. Es holt mich aber als Leserin auch nicht ab.
Ich möchte in meinen Geschichten etwas ganz anderes vermitteln. Nämlich Geschichten. Genauer gesagt Sexgeschichten.

Da vergleichen wir dann aber Äpfel mit Birnen.

Wer sich viel mit Literatur, Lesen etc. auseinandersetzt und dadurch alles vielleicht irgendwo schon mal gelesen hat, dem mag die Richtung, die Du, Auden James, einschlägst neue, interessante Anstöße geben.
Das geht dann aber eher in eine hochintellektuelle Richtung. Das mögen sicherlich einige. Aber es ist halt auch nicht das Maß aller Dinge.

Was ich damit sagen will, es gibt kein richtig und kein falsch. Alles ist erlaubt. Dem einen gefällt dies, der anderen das.

Ich stimme deiner Definition von „erotische Geschichte“ ebenfalls zu. Aber es ist nur ein Label. Die Diskussion daher so müßig wie die Diskussion über die richtige Kategoriewahl.

Lieben Gruss
Mayia
 
Wenn eine Geschichte auch ohne Erotik trägt, dann kann sie nicht schlecht sein. Wenn sie mit Erotik zu einem besonderen Vergnügen wird, dann haben wir einen Schatz vorliegen.
Der erste Satz überzeugt mich bereits nicht ganz – denn wäre nicht auch eine schlecht geschriebene Geschichte mit tragfähiger Handlung vorstellbar? –, dem zweiten vermag ich hingegen gar nicht zuzustimmen. Wenn die Erotik nur eine Dreingabe ist, mag man diese als unverhofftes zusätzliches Vergnügen zwar meinethalben begrüßen, aber dadurch gewönne die eigentliche Geschichte letztlich doch nichts. Die Erotik wäre bestenfalls ein – für die eigentliche Geschichte – verzichtbarer Aufputz; in unseren moralinsauren Zeiten hingegen würde sie wohl eher als gratuitous nudity (grundlose Nacktheit) oder Schlimmeres gebrandmarkt. Es sei nur an die Empörung erinnert, die HBO sich wegen der zahlreichen Nacktszenen in den frühen Staffeln von Game of Thrones einhandelte! Ich erinnere mich nicht daran, daß die Serie deswegen als "Schatz" oder ähnliches gepriesen bzw. verteidigt worden wäre.

Es gilt hier dasselbe, wie im Film. Nur Sex, wie in einem Porno, ist sterbend langweilig.
Dafür, daß das angeblich sterbenslangweilig sei, ist es aber erstaunlich erfolgreich; ja, so erfolgreich, daß ich den Erfolg fast unerklärlich nennen würde wollen. Ist Porno also gar nicht so sterbenslangweilig? Oder liegt es am Gebrauchswert – oder irgend etwas anderem –, daß die tödliche Langeweile, statt den Erfolg zunichte zu machen, offenbar gar nicht ins Gewicht fällt?

Wird die Erotik jedoch als Stilmittel gekonnt eingesetzt und mündet ggf. im Sex, dann wird daraus eine sehr unterhaltsame Angelegenheit. Wobei mir scheint, dass im Film öfters die größte/stärkste Sex-Szene zum Ende des ersten Drittels vorkommt und danach, wenn, nur kleinere. In vielen Geschichten wird jedoch das Herantasten von einem ersten Kuss über die verschiedenen Spielarten des Pettings bis zum tatsächlichen Verkehr als spannungssteigerndes Mittel eingesetzt.
Es kommt also auf den "gekonnten Einsatz" an? Ist dann ein Porno mit "gekonnt" eingesetzem Sex vielleicht auch nicht mehr sterbenslangweilig? Gar eine "unterhaltsame Angelegenheit"?

Deine Beobachtung zur Verteilung der Sexszenen im Film würde ich pauschal dem Umstand zurechnen, daß die meisten (nicht pornographischen) Filme keine erotischen Filme im eigentlichen Sinne sind (analog zu den erotischen Geschichten, s. o.), weshalb die Sexszenen mehr oder weniger nur Dreingaben sind, sie also mit der auf- und absteigenden Handlung o. ä. Schemata gar nicht wirklich verbunden sind. Hingegen mag sich das bei erotischen Filmen im eigentlichen Sinne anders ausnehmen. Als ein Beispiel fiele mir Im Reich der Sinne von Nagisa Ōshima ein, wo die wohl "größte/stärkste" Sexszene ans Ende des Filmes gesetzt ist.

Was die Geschichten auf dieser Seite anlangt, so gibt es zumindest im englischsprachigen Teil auch bereits theoretisierte Ansätze, die nicht eine stetige Steigerung der geschlechtlichen Handlung verfolgen, sondern eine, sagen wir, epische Auswalzung und Annäherung bis an den Grenzwert des Unendlichen, siehe burgwads The Complete Rules of Erotica (vgl. dazu auch die Diskussion im englischen Forum).

Vielen Dank für die Gedankenanregung, TiW!
 
Last edited:
Und allgemeingültige Aussagen zu treffen, bringt letztlich nichts.
Was selbst eine vorgeblich allgemeingültige Aussage ist, also "bringt letztlich nichts." ;)

Ich möchte in meinen Geschichten etwas ganz anderes vermitteln. Nämlich Geschichten. Genauer gesagt Sexgeschichten.
Das möchte ich auch. Wenn du in meine Obskuren Variationen (nochmals?) hineinliest, wirst du bald festellen, daß sie allesamt Sexgeschichten sind. Wie kommst du also auf den Gedanken, daß du etwas ganz anderes als ich vermitteln wolltest?

Wer sich viel mit Literatur, Lesen etc. auseinandersetzt und dadurch alles vielleicht irgendwo schon mal gelesen hat, dem mag die Richtung, die Du, Auden James, einschlägst neue, interessante Anstöße geben.
Das geht dann aber eher in eine hochintellektuelle Richtung. Das mögen sicherlich einige. Aber es ist halt auch nicht das Maß aller Dinge.
Ich wüßte nicht, wieso irgendwo vielleicht neuartige Herleitungen bzw. Anbahnungen der geschlechtlichen Handlungen als solche in eine "hochintellektuelle Richtung" gehen müßten. Ich würde zwar vielleicht mitgehen, daß meine Variationen als handgreifliche Gebrauchslektüre (vulgo: Wichsvorlage) nur bedingt geeignet sind, aber warum sollte das Verlassen der üblichen pornographischen Pfade gleich auf eine hochintellektuelle Anstrengung hinauslaufen? Gibt es bei dir zwischen hirnloser Wichserei und verkrampfter Hirnakrobatik kein – lustvolles – Drittes?

Was ich damit sagen will, es gibt kein richtig und kein falsch. Alles ist erlaubt. Dem einen gefällt dies, der anderen das.
Das ist, mit Verlaub, allzubilliger Relativismus! Nur weil de facto hier jeder so ziemlich alles so schreiben und veröffentlichen kann, wie es ihm gefällt, ist das nicht alles gleich richtig oder falsch, gleich frisch oder verbraucht, und sw. usf. Und damit sind wir wieder bei dem Punkt aus der Zumutungen-Diskussion, daß wir eben nicht alles mit uns allein im stillen Kämmerlein ausmachen können, sogerne wir das mitunter vielleicht auch wollten.
 
Gibt es bei dir zwischen hirnloser Wichserei und verkrampfter Hirnakrobatik kein – lustvolles – Drittes?
Doch, das gibt es. Und zu den AutorInnen, die das praktizieren, zähle ich mich und einige weitere hier im Forum.
Man kann sich darüber schreiben was lustvoll ist und was nicht. Ich würde deine Texte auch nicht als verkrampft bezeichnen. Sie liegen einfach sprachlich und in der Gesamtkomposition weit entfernt von jeglichem Durchschnitt. Das ist vollkommen berechtigt.

Vielleicht gefällt dir mein Relativismus nicht. Das macht ihn aber nicht falsch. Er bietet nur weniger Angriffsfläche für Menschen, die gerne alles Zerreden und dabei im Extremfall zu Erbsenzählern werden. Damit kann ich aber leben.

Auch wenn ich mich immer und immer wiederholen muss. Es darf gerne alles kritisiert werden, aber ich muss die Kritik ja trotzdem nicht teilen oder annehmen.

aber warum sollte das Verlassen der üblichen pornographischen Pfade gleich auf eine hochintellektuelle Anstrengung hinauslaufen
Vielleicht ist es für dich keine hochintellektuelle Anstrengung. Ich beschreibe hier nur (wohlwollend) wie deine Texte auf mich wirken. Wenn jemand anders eine andere Meinung dazu hat oder mir zustimmt, darf er oder sie das gerne mal mitteilen. Wäre doch interessant zu sehen, wie andere das beurteilen.

Wie kommst du also auf den Gedanken, daß du etwas ganz anderes als ich vermitteln wolltest?
Weil es bei dir auch (vielleicht sogar vor allem) um die Form des Textes und der Sprache geht. Eine „Geschichte“ oder was ich darunter verstehe, stellen deine Variationen für mich nicht dar. Sollen sie auch gar nicht. Und sind deshalb auch nicht mit meinen Texten vergleichbar. Äpfel und Birnen und so...

Ansonsten drehen wir uns langsam immer schneller im Kreis. Wir sind beide klug genug den anderen mit seinen eigenen Relativierungen oder Verallgemeinerungen vorzuführen.
Neidlos gebe ich zu, dass dein sprachlicher Ausdruck auch dabei meinem überlegen ist.

Der geneigte Leser oder die geneigt Leserin unseres Ausstauschs wird sich ein eigenes Urteil darüber bilden können, welche Argumente mehr oder weniger sinnhaft sind.

Lieben Gruss
Mayia
 
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