Auden James
Erotist
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- Aug 13, 2008
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Willkommen zur Diskussion über den Text "Besser sogar als ich Selbst" von besslamess!
Cittadolente gab den Anstoß zu dieser Diskussion, als er von besslamess‘ Geschichte behauptete, dass sie wirke, als „sei sie mit müheloser Perfektion aus dem Ärmel geschüttelt worden“. Dieser Einschätzung widersprach ich mehr oder minder entschieden, indem ich in meinem öffentlichen Kommentar zum Text einige textuelle Punkte herausstellte, die meiner Analyse nach mit „müheloser Perfektion“ nicht vereinbar sind. Daraufhin antwortete Cittadolente wiederum in sehr ausführlicher Art mit einem eigenen Kommentar: Das ganz ist hier im PCB zum Text nachzulesen.
An diese Stelle im Forum sei der Raum gegeben, um selbst in der Diskussion über die verschiedenen Kommentare und die in ihnen aufgestellten Behauptungen zum Text Stellung zu nehmen!
Ich bin so frei und mache den Anfang und picke 7 Punkte aus der Vielzahl an Punkten heraus, die Cittadolente zuletzt in seiner Antwort auf meinen Kommentar ins Feld führte, und nehme zu ihnen so kurz und bündig als mir für den Moment möglich Stellung:
[1] Die Beurteilung eines Texts hänge grundsätzlich davon ab, in welche Textkategorie er fällt, und ich hätte den vorliegenden Text nicht entsprechend seiner angeblich richtigen Textkategorie (Prosaskizze lt. Cittadolente) angemessen beurteilt:
Der Prämisse, dass die Beurteilung eines Texts grundsätzlich davon abhinge, in welche Textkategorie er fällt, sei an dieser Stelle um des Arguments willen einmal zugestimmt. So stellt sich dann also die Frage, ob ich den vorliegenden Text schlichtweg der falschen Textkategorie zugeteilt habe oder nicht. Wäre dies der Fall, so wäre meine gesamte kritische Beurteilung des Texts hinfällig, da ich dann sprichwörtlich, wie Cittadolente so schön sagte, mit Kanonen auf Spatzen geschossen hätte.
Ich ordnete den Text der Kategorie „Erotismo“ zu (u.a. unter der Voraussetzung, dass er mit gewisser Sympathie als erotischer Text verstanden sei).
Cittadolente ordnete den Text der Kategorie „Prosaskizze“ zu.
Cittadolentes Kategorisierung, sofern zutreffend, würde meine Kategorisierung dann falsifizieren, wenn ein Erotismo keine Prosaskizze sein könnte (weil sich Erotismo und Prosaskizze in einem logischen Widerspruch befänden).
Aber ist dem so?
Ich denke, dem ist nicht so. Erotismo und Prosaskizze stehen in keinem logischen Widerspruch zueinander. Ein Text kann ohne Probleme Erotismo und Prosaskizze sein: eine prosaische Erotismoskizze, wenn man so will.
Das liegt daran, dass die Textkategorie „Erotismo“ keine Vorfestlegungen in (formalen) Darstellungsfragen trifft. Und daher sind die speziellen Vorfestlegungen, die die Textkategorie „Prosaskizze“ in (formalen) Darstellungsfragen trifft (z.B. dass der betreffende Text a) in Prosa geschrieben sei und in ihm b) sinnliche Eindrücke wie Farben, Licht, Töne, Gerüche und dadurch hervorgerufene Stimmungen eine wesentliche Rolle spielen etc.), ohne Widersprüche mit der Textkategorie „Erotismo“ vereinbar.
Und somit also stimmt nicht, dass ich, wie Cittadolente behauptete, mit Kanonen auf Spatzen geschossen hätte; und also auch meine kritische Beurteilung des vorliegenden Texts nicht grundsätzlich hinfällig ist.
(Die weitergehende Frage, ob überhaupt Cittadolentes Textkategorisierung stimmt, erübrigt sich damit an dieser Stelle, da sie für [1] keine Rolle spielt.)
[2] Ich würde fordern, dass die Autorin ausdrücklich sagen müsse, dass das Verhalten des Protagonisten Ausdruck liebender Hingabe an seine Herrin sei:
Das stimmt nicht.
Ich schrieb, dass es aus meiner kritischen Sicht besser gewesen wäre, wenn die Autorin explizit oder implizit klargelegt hätte, ob der Protagonist sich aus Liebe in die Ausgangssituation des Texts (Bestrafung: alleingelassen mit der Nase an der Wand lehnen) begeben hat!
Ich kritisiere, dass stattdessen die Autorin bloß implizit klarlege, dass der Protagonist, wenn überhaupt, erst nach der Auflösung der Ausgangssituation (s.o.) vielleicht so etwas wie „Liebe“ empfinde. Daher sei „Liebe“ im Text höchstens analysierbar als schlussendliche Wirkung, nicht aber als Ursache oder Motivation für die Ausgangssituation und das Verhalten des Protagonisten in dieser und im Anschluss daran.
Und aus diesem Grund kritisiere ich, dass der Text nicht explizit oder implizit Stellung bezieht, ob seine Erzählsituation überhaupt im menschlichen Erotismus gegründet ist oder nicht (z.B. wenn „Liebe“ – entgegen der Texttatsachen – als Ursache oder Motivation für die Ausgangssituation und das Verhalten des Protagonisten in dieser und im Anschluss daran analysierbar wäre, so wäre der Text zweifellos im menschlichen Erotismus gegründet).
Ist die Erzählsituation dies nicht, so würde sich die Frage stellen, ob oder inwiefern der Text überhaupt Erotismo sein will u/o kann. Und würde er dies nicht sein wollen u/o können, so hätte der Text auf einer Seite wie Literotica höchstens in der Kategorie „Non-Erotic“ etwas verloren. Und würde er dies nur in unzureichender Weise wollen u/o können, so wäre der Text als Erotismo ohne Frage nicht allzu gut zu bewerten.
Dass die Autorin sich an diesem Punkt offenbar nicht entscheiden wollte oder konnte, was ihr Text eigentlich sein sollte, das ist meine Hauptkritik am Text. Denn so ist ihr Text vielleicht von vielem ein bisschen, aber von nichts genügend: ein bisschen Erotik (vgl. Cittadolentes Beschreibung dessen, was er erotisch empfand), ein paar charakterlose Figuren, die nirgends in der fiktionalen Welt des Texts verankert sind, sodass auch von Stimmigkeit letztlich keine Rede sein kann, ein bisschen Spannung (wird der Protagonist „durchhalten“?), ein bisschen Romantik (vorgebliche Liebe) und sw. usf.
Und all das, was den Text entscheidend schwächt, geht nicht nur über das hinaus, sondern hat letztlich sogar nurmehr peripher mit dem zu tun, was du behauptest, das ich am Text als (Haupt-)Kritik anbringe, nämlich, wie eingangs festgehalten, dass die Autorin explizit sagen sollte, dass das Verhalten des Protagonisten Ausdruck liebender Hingabe an seine Herrin sei, was ich zum einen nicht kritisierte und zum anderen angesichts der anderen Schwächen des Texts (s.o.) nahezu bedeutungslos erscheint.
[3] Es sei selbstverständlich, dass das Hörigkeitsverhältnis zwischen Protagonist und dominanter weiblicher Figur spezifischer Ausdruck von Liebe ist:
Das ist keinesfalls „selbstverständlich“.
Denn, wie unter [2] festgestellt, legt der Text ja weder implizit noch explizit klar, worin die Ausgangssituation und damit auch das Hörigkeitsverhältnis zwischen der männlichen und weiblichen Hauptfigur gegründet sei.
Daher ist alles und nichts möglich.
Und das wiederum bedeutet , wie ich kritisiere, nicht (positiv) überwältigende Ambiguität, sondern schlichtweg Substanzlosigkeit. Der Text entbehrt so sehr irgendeiner Substanz (z.B. in seiner fiktionalen Welt verankerten Charaktere), dass so gut wie keine validen (interpretativen) Aussagen über das Erzählgeschehen und darüber hinaus möglich sind. Und eine solche Aussage wäre z.B. was das Hörigkeitsverhältnis zwischen Protagonist und „Göttin“ ausdrücke.
Dieses Hörigkeitsverhältnis könnte mit derselben „Selbstverständlichkeit“, die du für deine (interpretative) Aussage in Anspruch nimmst, z.B. auch als Ausdruck der Geschäftsbeziehung zwischen einer Domina und ihrem Kunden interpretiert werden. Der Protagonist bringt etwa die vielsagende Zeile: „Ab morgen diene ich ihr besser, als irgendein andrer das könnte.“ Und dieser Andre ist schlichtweg ein anderer Kunde. Auch seine Anrede der Domina als „Göttin“ passt sehr gut als mögliche Anrede, wenn das herkömmliche „Herrin“ ausgedient hat oder der Kund eine romantischere Session wünscht. Und eine solche Dienstleistungsbeziehung zwischen Domina und Kunde hat gewöhnlich nicht viel mit dem zu tun, was gemeinhin als (romantische) Liebe bezeichnet wird, sondern schlichtweg mit Lustgewinn – und zwar für den Kunden und ggf. die Domina.
Und wiederum mit derselben Selbstverständlichkeit könnte jenes Hörigkeitsverhältnis z.B. auch Ausdruck von Nötigung sein. Wer weiß, vielleicht ist die weibliche Hauptfigur die Frau des im Text genannten Gouverneurs und hat den Protagonisten in der Hand, weil er sie oder ihren Mann bei irgendeiner unvorteilhaften Tat erwischte. Jetzt hat er, um nicht von Gouverneur abgesägt zu werden, sich notgedrungen in ein Hörigkeitsverhältnis zur Frau des Gouverneurs begeben. Vielleicht für immer? Vielleicht auch nur bis zum morgendlichen Frühstück? Wer weiß das schon...
Und es gibt noch x weitere Möglichkeiten dessen, was jenes Hörigkeitsverhältnis „selbstverständlich“ ausdrücke. Im Grund dieses x nur begrenzt ist durch die eigene Imagination, denn, wie gesagt, der Text entbehrt so sehr irgendeiner Substanz, dass er diesbezüglich keine Grenzen setzt!
Viel Spaß beim selbstverständlichen Orakeln: Wem’s gefällt!
[4] Inwiefern sollte oder könnte die Autorin das Setting weiter ausbauen?
Meine Antwort liegt nach dem zuvor gesagten (s. [3]) nahezu auf der Hand: Sie sollte ihre fiktionale Welt insofern weiter ausbauen, als dies der Geschichte die nötige Substanz verleihen oder, anders gesagt, ihr das „fehlende Fundament“ geben würde, um die vorliegende negativ überwältigende Ambiguität in eine adäquate Ambiguität zu überführen, die (valide) interpretative Aussagen über das Erzählgeschehen und darüber hinaus ermöglichen würde.
[5] Das „romantische“ Frühstück, das in „Besser sogar als ich Selbst“ am Ende dem Protagonisten in Aussicht gestellt wird, sei ein Produkt meiner Phantasie und entbehre jeder textlicher Grundlage:
Ja, ich will gar nicht bestreiten, dass im Text – als das, was wortwörtlich da steht begriffen – nur von einem „Frühstück“ die Rede ist, ohne die romantische Attribuierung. Im Text ist exakt 2mal die Rede von einem „Frühstück“:
1. Direkte Rede der dominanten weiblichen Figur:
»Wir sehen uns morgen beim Frühstück. Geh.«
2. Erzählerrede des submissiven männlichen Protagonisten:
»Aber das Frühstück wird genau so sein, wie sie sich das wünscht, und besser als das.«
Das Problem ist, dass der Text, wie gesagt (vgl. [3]), keine validen interpretativen Aussagen über das Erzählgeschehen hinaus zulässt. In der Konsequenz spricht gegen meine Interpretation des „romantischen“ Frühstücks genauso wenig wie gegen deine „harte“ Interpretation des Frühstücks: nichts.
Und meine Interpretation kann sich sogar auf deine eigene Interpretation stützen. Wenn auch auf deine Interpretation einer anderen Sache im Text, nämlich der angeblichen Liebesbeziehung zwischen dem Protagonisten und seiner „Göttin“. Du behauptest, dass ihre angebliche Liebesbeziehung einem „pervertierten Mutter-Kind-Verhältnis“ gleiche, in welchem „sie ihn ‚aufhebt‘ und tröstet wie eine Mutter das tun würde“ und ferner sie aus dem „Elend“, in das sie ihn „stürzt“, ihn schließlich auch „wieder errettet“.
Und also mithilfe deiner eigenen Interpretation der angeblichen Liebesbeziehung meine Interpretation des „romantischen“ Frühstücks plausibel erscheint: Erst hat die Mutter (= „Göttin) ihr Kind (= Protagonist) bestraft (= eine Zeitlang mit der Nase an der Wand lehnen), dann weint sich das Kind aus (vgl.: „Ich kann spüren, wie mir die Tränen in die Augen schießen, heiß und scharf.“) und verspricht fortan artig zu sein (vgl.: „- Ich denke, du hast genug gelitten. Aber du mußt es dir wirklich gut merken diesmal. Ganz so einfach kann ich dich nicht davonkommen lassen. / Sie steht nahe an mir. Ich zittere in Vorstellungen. / - Verstehst du das? / - Ja.“), und als Belohnung wird das demütige Kind dann am nächsten Morgen von der Mutter beim Frühstück in trauter Zweisamkeit verwöhnt: mein „romantisches“ Frühstück zu zweit am Morgen danach.
Du siehst, nichts spricht gegen meine Interpretation des „romantischen“ Frühstücks. Und stellenweise finden sich sogar textliche Grundlagen (s.o. Zitate)!
Also scheint mir dein Vorwurf sowohl haltlos als auch sinnlos, dass jenes „romantische“ Frühstück ein Produkt meiner Phantasie sei und jeder textlicher Grundlage entbehre, denn letzteres stimmt schlichtweg nicht und ersteres spielt keine (problematische) Rolle (vgl. [3] zur unbegrenzten Ambiguität des Texts).
(Es sei jedoch nicht verschwiegen, dass meine Kitschzuweisung bzgl. des vorliegenden Texts sich in der Tat großteils von jenem „romantischen“ Frühstück herleitet. Aber gegen diese Kitschzuweisung spricht genauso lange nichts, wie auch nichts gegen jenes „romantische“ Frühstück spricht.)
[6] Über den engl. Text „Figging Cat“: a) ich hätte ihn hoch gelobt und b) sei die textuelle Ursache oder Motivation der Unterwerfung der Studentin in ihm ein notdürftig zusammengeschustertes Konstrukt:
Zu a)
Ich habe „Figging Cat“ nicht hoch gelobt. Ich schrieb lediglich, dass er (für dt. LIT-Verhältnisse) „wirklich gut“ sei. Und das, so viel ist sicher, bedeutet nicht, dass ich „Figging Cat“ hoch gelobt habe. Dafür gibt es auch gar keinen Anlass. „Figging Cat“ mag zwar selbst nach den kombinierten dt. und engl. LIT-Verhältnissen signifikant besser als 50 % der angebotenen Erotisma sein, aber das allein heißt nicht, dass „Figging Cat“ hoch zu loben sei.
In LIT-Sternen ausgedrückt bekäme „Figging Cat“ von mir 2,5 Sterne.
Das mag man meinetwegen als „Lob“ auffassen. Es ist aber gewiss kein „hohes Lob“.
Zu b)
Selbst wenn wir um des Arguments willen annehmen, dass die textuelle Ursache oder Motivation der Unterwerfung der Studentin in „Figging Cat“ ein notdürftig zusammengeschustertes Konstrukt sei, so würde „Figging Cat“ dann immer noch jene Ursache oder Motivation stärker konstruieren, als dies bei „Besser sogar als ich Selbst“ der Fall ist, schließlich letztgenannter Text jene Ursache oder Motivation gar nicht oder bestenfalls in unzureichendem Maße konstruiert (vgl. [2]).
(Die weitergehende Frage, ob, wie Cittadolente behauptet, stimmt, dass die textuelle Ursache oder Motivation der Unterwerfung der Studentin in „Figgin Cat“ ein notdürftig zusammengeschustertes Konstrukt sei, sei an dieser Stelle nicht näher beleuchtet. Meinen Standpunkt diesbezüglich habe ich an anderer Stelle im Forum klargelegt, vgl. das Thema: BDSM-Stories: Meine Leseempfehlungen.)
[7] Über den engl. Text „Obedience In All“: a) er sei faktisch nicht erotisch und b) als BDSM-Geschichte extrem dürftig und c) mein literarischer Fixstern:
Zu a)
Ich kann dem in dieser absoluten Weise nicht zustimmen. Mit dieser absoluten Weise meine ich, dass du negierst, dass „Obedience In All“ in irgendeiner Weise erotisch sei. Es gibt in der Tat unerotische oder quasi nicht erotische Texte auf Literotica – und das nicht nur in der Non-Erotic-Kategorie. Aber, und das ist das Entscheidende, „Obedience In All“ gehört nicht zu diesen Texten!
Allerdings, das gebe ich freimütig zu, ist die Erotik die bei weitem größte Schwäche von „Obedience In All“. In Sachen Erotik mag der Text signifikant weniger bieten als 50 % der veröffentlichten Erotisma auf Literotica. Aber dafür bietet er in allen anderen literarischen Belangen das Doppelte oder sogar Dreifache eines typischen Erotismo auf Literotica!
Nicht ohne Grund, will mir scheinen, hat sack „Obedience In All“ zum besten Erotismo auf Literotica überhaupt erklärt, vgl.: The Literotica Top 100. (Dazu unter c) mehr.)
Aber zurück zur Erotik in „Obedience In All“.
Es ist richtig, dass der Text nicht im Sinne eines klassischen Pornos erregt. Er enthält weder explizite Kopulationsszenen noch bietet er (nackte) Geschlechtsteile im literarischen Äquivalent einer filmischen Großaufnahme. Aber Erregung ist nur die eine Seite der Erotik: praktisch der Hieb mit dem Vorschlaghammer.
Daneben gibt es auch feingefühligere Ausprägungen der Erotik. Damit meine ich Darstellungen, denen es gelingt, eine subtile erotische Spannung zu schaffen oder eine Art Vorlust zu wecken. Dieses Momentum fasse ich unter dem Begriff Anregung: praktisch der Duft einer noch ungeschauten Blüte.
Und dieser Duft ist in „Obedience In All“ mindestens minimal wahrnehmbar.
Z.B. gleich im ersten Absatz heißt es: „ He closed his eyes and remembered her bound and squirming with anticipation, the sheen of arousal on her skin, her heady scent.“ Diese Erinnerung des Manns wecken beim (empfindsamen) Leser Assoziationen ans eigene Tun oder die Vorstellung davon. Wann habe ich (m)eine Frau etwa zum letzten Mal gefesselt? Wie glänzt ihre Haut vor Schweiß, wenn sie auf mir reitet? Wie riecht sie? Und im Idealfall weckt dies eine gewisse Vorlust. Und diesbezüglich finden sich im Text weitere Beispiele, z.B.: „She would be lying in his arms, still trembling from their play, her body glistening and marked from the lash, and she would look at him with that softness that melted him and whisper, ›I love you‹.“
Angesichts dessen, finde ich, stimmt es nicht, dass „Obedience In All“ in keiner Weise erotisch sei.
Der Text mag zwar nicht vordergründig erregen. Aber anregen, wenn vielleicht auch auf dezente Weise, das tut er sehrwohl! (Insofern man nicht aus Sicht des stumpfsinnigen Einhandlesers urteilt, zu dem, schätze ich, weder du noch ich selbst zählen, oder? Zumindest die meiste Zeit. ;-))
Zu b)
Ähnlich zur Argumentation in a) kann ich dir auch in diesem Punkt nicht zustimmen.
Die Stärke von „Obedience In All“ mag weniger darin liegen, eine beliebige BDSM-Praktik explizit zu beschreiben (wie dies z.B. bezüglich des Figgings bei „Figging Cat“ der Fall ist), sondern die (thematisch-inhaltliche) Stärke des Texts liegt darin, die möglichen ideellen Bedingungen von BDSM und dessen oder eine seiner möglichen ultimativen Folgen zu reflektieren. (Ganz zu schweigen vom sehr guten Stil etc.)
Im Prinzip also ist die Stärke von „Obedience In All“ die Schwäche von „Besser sogar als ich Selbst“.
Denn in „Obedience In All“ findet tatsächlich eine Auseinandersetzung mit dem statt, was Dominanz und Unterwerfung und Hörigkeit usw. bedeuten. Der Text erzählt davon, was für Folgen diese in der fiktionalen Welt der Charaktere und für diese Charaktere nach sich ziehen. Und der Text erzählt auch davon, was zur eigentlichen Erfüllung jener Formen von BDSM oder vielleicht auch BDSM allgemein möglicherweise nötig ist, quasi die Bedingungen oder auch Ursachen, wenn man so will.
In dieser Auseinandersetzung enthebt „Obedience In All“ BDSM natürlich den alltäglichen und aktualen Spielereien oder auch Fetischen. Wenn du also BDSM nur in konkreten Beschreibungen jener Spielereien oder auch Fetischen aus dem Alltag erkennst, so wäre „Obedience In All“ in Sachen BDSM in der Tat „extrem dürftig“. Aber diese alltägliche Ebene ist nicht die primäre Erzählebene des Texts.
Der Text erzählt nicht primär von dem, was war, z.B. wann und wie der Mann die Frau en detail zuletzt bestrafte etc.
Der Text erzählt primär von dem, was ist, d.h. also von dem, was sich im Allgemeinen oder Ideellen der immer wieder individuell erlebten BDSM-Erfahrung ausdrückt, was hinter dem Grauschleier der Alltagswirklichkeit liegt.
Daher erfolgt die Reflektion über die möglichen Bedeutungen von BDSM in „Obedience In All“ auf eine grundsätzliche Weise, die sich eher im Abstrakten oder Universalen bewegt als allein im Konkreten oder Individuellen.
Und daher fordert „Obedience In All“ auch mehr vom Leser.
Der Leser nämlich, der nur empfindsam ist für das, was ihn an unmittelbar greifbaren BDSM-Handlungen vom Autor vorgesetzt wird, den wird PassionStJohns Texts zwangsläufig enttäuschen, gerade weil, wie oben gesagt, es dem Autor nicht primär um jene unmittelbar greifbaren BDSM-Handlungen geht, sondern vielmehr um das, was sich auf einer abstrakteren Ebene hinter diesen verbirgt. Wenn also der Leser nun aber für diese abstraktere Ebene warum auch immer nicht empfindsam ist, sondern nur auf die konkrete Ebene schaut, so wird er zwangsläufig von „Obedience In All“ in Sachen BDSM enttäuscht.
Und ich vermute, wie du dir wahrscheinlich denken kannst, dass du gerade aus diesem Grund von „Obedience In All“ enttäuscht bist und zu dem Schluss kommst, dass sie als BDSM-Geschichte „extrem dürftig“ sei. Mir scheint, offen gestanden, deine Vorstellung davon, was taugende BDSM-Geschichten (oder auch Erotisma generell) ausmache, ist zu limitiert und also nicht adäquat: Sie beschränkt sich auf die konkrete Ebene und missachtet die abstrakte Ebene.
Und weil die eigentliche Stärke von „Obedience In All“ auf dieser abstrakten Ebene liegt, die in deiner Vorstellung keinen richtigen Platz zu haben scheint, kannst du sie logischerweise auch nicht erkennen oder zu schätzen wissen.
Demnach kann ich dir also nicht zustimmen, dass „Obedience In All“ eine extrem dürftige BDSM-Geschichte sei. Ganz im Gegenteil: Sie ist m.E. eine exzellente BDSM-Geschichte gerade weil sie im Gegensatz zur schier überwältigenden Masse von BDSM-Geschichten nicht primär bloß von alltäglichen sexuellen BDSM-Praktiken erzählt, sondern darüber hinaus auf viel grundsätzlichere Weise reflektiert, was es mit BDSM und unserem Ausleben desselben möglicherweise eigentlich auf sich hat. Und das gelingt nur den wenigsten BDSM-Geschichten. (Die dann jedoch längst nicht auch literarisch im selben Maße gelungen sein müssen wie „Obedience In All“!)
Zu c)
Schließlich kann ich auch deiner Behauptung nicht zustimmen, dass „Obedience In All“ mein „literarischer Fixstern“ sein.
Ich schätze, du meinst mit diesem Ausdruck das literarische Werk, das für mich das Nonplusultra darstelle, quasi das beste literarische Werk, das ich je gelesen habe, vielleicht gar der Gipfel der Literatur und sw. usf.
Aber da muss dich möglicherweise enttäuschen: Das ist „Obedience In All“ für mich nicht.
Abgesehen davon, dass es mir schwerfiele, mich auf ein einzelnes literarisches Werk als Fixstern zu beschränken. Angesichts der nahezu unbegrenzten thematischen Reichweite der Literatur allgemein wäre dies vielleicht sogar schlechterdings sinnlos.
Und selbst in Sachen Erotisma, die thematisch handhabbarer sind als die Literatur allgemein, ist „Obedience In All“ recht weit davon entfernt, überhaupt in die Nähe der Spitzengruppe von Erotisma zu kommen, die ich gelesen habe. (Aber trotzdem weit näher dran als „Besser sogar als ich Selbst“ und überhaupt 99 % aller deutschen Erotisma auf Literotica, die ich gelesen habe.)
Dass „Obedience In All“ mein literarischer Fixstern sei, kann ich also guten Gewissens und von ganzem Herzen wie auch Verstand zurückweisen!
*
So, damit bin ich am Ende meiner Ausführungen zu den 7 von mir vorerst zur Diskussion ausgewählten Punkten angelangt, die Cittadolente in seinem Kommentar zu meinem Kommentar zu „Besser sogar als ich Selbst“ zur Sprache brachte.
Aus Zeitgründen konnte ich meinen Sums leider nicht Korrektur lesen. Etwaige OGI-Fehler oder sonstige offenkundige Ungereimtheiten wie fehlende Subjekte oder Satzteile bitte ich zu entschuldigen. Es bleibt mir daher nur zu hoffen, dass meine Ausführungen im Kern nachvollziehbar oder vielleicht sogar verständlich sind.
Ich freue mich auf eine angeregte Diskussion!
Beste Grüße
–AJ
PS: Alle Prozentangaben in meinen Ausführungen sind empirisch fundierte Werte. Anders gesagt: Sie sind nicht geschätzt, sondern entstammen den empirisch gewonnenen und statistisch ausgewerteten Daten bzgl. der von mir kritisch beurteilten Erotisma auf Literotica. Wer sie anfechten will, tja, der hat also einen Haufen Arbeit vor sich (ich sage nur: empirische Datengewinnung und sw.).
Cittadolente gab den Anstoß zu dieser Diskussion, als er von besslamess‘ Geschichte behauptete, dass sie wirke, als „sei sie mit müheloser Perfektion aus dem Ärmel geschüttelt worden“. Dieser Einschätzung widersprach ich mehr oder minder entschieden, indem ich in meinem öffentlichen Kommentar zum Text einige textuelle Punkte herausstellte, die meiner Analyse nach mit „müheloser Perfektion“ nicht vereinbar sind. Daraufhin antwortete Cittadolente wiederum in sehr ausführlicher Art mit einem eigenen Kommentar: Das ganz ist hier im PCB zum Text nachzulesen.
An diese Stelle im Forum sei der Raum gegeben, um selbst in der Diskussion über die verschiedenen Kommentare und die in ihnen aufgestellten Behauptungen zum Text Stellung zu nehmen!
Ich bin so frei und mache den Anfang und picke 7 Punkte aus der Vielzahl an Punkten heraus, die Cittadolente zuletzt in seiner Antwort auf meinen Kommentar ins Feld führte, und nehme zu ihnen so kurz und bündig als mir für den Moment möglich Stellung:
[1] Die Beurteilung eines Texts hänge grundsätzlich davon ab, in welche Textkategorie er fällt, und ich hätte den vorliegenden Text nicht entsprechend seiner angeblich richtigen Textkategorie (Prosaskizze lt. Cittadolente) angemessen beurteilt:
Der Prämisse, dass die Beurteilung eines Texts grundsätzlich davon abhinge, in welche Textkategorie er fällt, sei an dieser Stelle um des Arguments willen einmal zugestimmt. So stellt sich dann also die Frage, ob ich den vorliegenden Text schlichtweg der falschen Textkategorie zugeteilt habe oder nicht. Wäre dies der Fall, so wäre meine gesamte kritische Beurteilung des Texts hinfällig, da ich dann sprichwörtlich, wie Cittadolente so schön sagte, mit Kanonen auf Spatzen geschossen hätte.
Ich ordnete den Text der Kategorie „Erotismo“ zu (u.a. unter der Voraussetzung, dass er mit gewisser Sympathie als erotischer Text verstanden sei).
Cittadolente ordnete den Text der Kategorie „Prosaskizze“ zu.
Cittadolentes Kategorisierung, sofern zutreffend, würde meine Kategorisierung dann falsifizieren, wenn ein Erotismo keine Prosaskizze sein könnte (weil sich Erotismo und Prosaskizze in einem logischen Widerspruch befänden).
Aber ist dem so?
Ich denke, dem ist nicht so. Erotismo und Prosaskizze stehen in keinem logischen Widerspruch zueinander. Ein Text kann ohne Probleme Erotismo und Prosaskizze sein: eine prosaische Erotismoskizze, wenn man so will.
Das liegt daran, dass die Textkategorie „Erotismo“ keine Vorfestlegungen in (formalen) Darstellungsfragen trifft. Und daher sind die speziellen Vorfestlegungen, die die Textkategorie „Prosaskizze“ in (formalen) Darstellungsfragen trifft (z.B. dass der betreffende Text a) in Prosa geschrieben sei und in ihm b) sinnliche Eindrücke wie Farben, Licht, Töne, Gerüche und dadurch hervorgerufene Stimmungen eine wesentliche Rolle spielen etc.), ohne Widersprüche mit der Textkategorie „Erotismo“ vereinbar.
Und somit also stimmt nicht, dass ich, wie Cittadolente behauptete, mit Kanonen auf Spatzen geschossen hätte; und also auch meine kritische Beurteilung des vorliegenden Texts nicht grundsätzlich hinfällig ist.
(Die weitergehende Frage, ob überhaupt Cittadolentes Textkategorisierung stimmt, erübrigt sich damit an dieser Stelle, da sie für [1] keine Rolle spielt.)
[2] Ich würde fordern, dass die Autorin ausdrücklich sagen müsse, dass das Verhalten des Protagonisten Ausdruck liebender Hingabe an seine Herrin sei:
Das stimmt nicht.
Ich schrieb, dass es aus meiner kritischen Sicht besser gewesen wäre, wenn die Autorin explizit oder implizit klargelegt hätte, ob der Protagonist sich aus Liebe in die Ausgangssituation des Texts (Bestrafung: alleingelassen mit der Nase an der Wand lehnen) begeben hat!
Ich kritisiere, dass stattdessen die Autorin bloß implizit klarlege, dass der Protagonist, wenn überhaupt, erst nach der Auflösung der Ausgangssituation (s.o.) vielleicht so etwas wie „Liebe“ empfinde. Daher sei „Liebe“ im Text höchstens analysierbar als schlussendliche Wirkung, nicht aber als Ursache oder Motivation für die Ausgangssituation und das Verhalten des Protagonisten in dieser und im Anschluss daran.
Und aus diesem Grund kritisiere ich, dass der Text nicht explizit oder implizit Stellung bezieht, ob seine Erzählsituation überhaupt im menschlichen Erotismus gegründet ist oder nicht (z.B. wenn „Liebe“ – entgegen der Texttatsachen – als Ursache oder Motivation für die Ausgangssituation und das Verhalten des Protagonisten in dieser und im Anschluss daran analysierbar wäre, so wäre der Text zweifellos im menschlichen Erotismus gegründet).
Ist die Erzählsituation dies nicht, so würde sich die Frage stellen, ob oder inwiefern der Text überhaupt Erotismo sein will u/o kann. Und würde er dies nicht sein wollen u/o können, so hätte der Text auf einer Seite wie Literotica höchstens in der Kategorie „Non-Erotic“ etwas verloren. Und würde er dies nur in unzureichender Weise wollen u/o können, so wäre der Text als Erotismo ohne Frage nicht allzu gut zu bewerten.
Dass die Autorin sich an diesem Punkt offenbar nicht entscheiden wollte oder konnte, was ihr Text eigentlich sein sollte, das ist meine Hauptkritik am Text. Denn so ist ihr Text vielleicht von vielem ein bisschen, aber von nichts genügend: ein bisschen Erotik (vgl. Cittadolentes Beschreibung dessen, was er erotisch empfand), ein paar charakterlose Figuren, die nirgends in der fiktionalen Welt des Texts verankert sind, sodass auch von Stimmigkeit letztlich keine Rede sein kann, ein bisschen Spannung (wird der Protagonist „durchhalten“?), ein bisschen Romantik (vorgebliche Liebe) und sw. usf.
Und all das, was den Text entscheidend schwächt, geht nicht nur über das hinaus, sondern hat letztlich sogar nurmehr peripher mit dem zu tun, was du behauptest, das ich am Text als (Haupt-)Kritik anbringe, nämlich, wie eingangs festgehalten, dass die Autorin explizit sagen sollte, dass das Verhalten des Protagonisten Ausdruck liebender Hingabe an seine Herrin sei, was ich zum einen nicht kritisierte und zum anderen angesichts der anderen Schwächen des Texts (s.o.) nahezu bedeutungslos erscheint.
[3] Es sei selbstverständlich, dass das Hörigkeitsverhältnis zwischen Protagonist und dominanter weiblicher Figur spezifischer Ausdruck von Liebe ist:
Das ist keinesfalls „selbstverständlich“.
Denn, wie unter [2] festgestellt, legt der Text ja weder implizit noch explizit klar, worin die Ausgangssituation und damit auch das Hörigkeitsverhältnis zwischen der männlichen und weiblichen Hauptfigur gegründet sei.
Daher ist alles und nichts möglich.
Und das wiederum bedeutet , wie ich kritisiere, nicht (positiv) überwältigende Ambiguität, sondern schlichtweg Substanzlosigkeit. Der Text entbehrt so sehr irgendeiner Substanz (z.B. in seiner fiktionalen Welt verankerten Charaktere), dass so gut wie keine validen (interpretativen) Aussagen über das Erzählgeschehen und darüber hinaus möglich sind. Und eine solche Aussage wäre z.B. was das Hörigkeitsverhältnis zwischen Protagonist und „Göttin“ ausdrücke.
Dieses Hörigkeitsverhältnis könnte mit derselben „Selbstverständlichkeit“, die du für deine (interpretative) Aussage in Anspruch nimmst, z.B. auch als Ausdruck der Geschäftsbeziehung zwischen einer Domina und ihrem Kunden interpretiert werden. Der Protagonist bringt etwa die vielsagende Zeile: „Ab morgen diene ich ihr besser, als irgendein andrer das könnte.“ Und dieser Andre ist schlichtweg ein anderer Kunde. Auch seine Anrede der Domina als „Göttin“ passt sehr gut als mögliche Anrede, wenn das herkömmliche „Herrin“ ausgedient hat oder der Kund eine romantischere Session wünscht. Und eine solche Dienstleistungsbeziehung zwischen Domina und Kunde hat gewöhnlich nicht viel mit dem zu tun, was gemeinhin als (romantische) Liebe bezeichnet wird, sondern schlichtweg mit Lustgewinn – und zwar für den Kunden und ggf. die Domina.
Und wiederum mit derselben Selbstverständlichkeit könnte jenes Hörigkeitsverhältnis z.B. auch Ausdruck von Nötigung sein. Wer weiß, vielleicht ist die weibliche Hauptfigur die Frau des im Text genannten Gouverneurs und hat den Protagonisten in der Hand, weil er sie oder ihren Mann bei irgendeiner unvorteilhaften Tat erwischte. Jetzt hat er, um nicht von Gouverneur abgesägt zu werden, sich notgedrungen in ein Hörigkeitsverhältnis zur Frau des Gouverneurs begeben. Vielleicht für immer? Vielleicht auch nur bis zum morgendlichen Frühstück? Wer weiß das schon...
Und es gibt noch x weitere Möglichkeiten dessen, was jenes Hörigkeitsverhältnis „selbstverständlich“ ausdrücke. Im Grund dieses x nur begrenzt ist durch die eigene Imagination, denn, wie gesagt, der Text entbehrt so sehr irgendeiner Substanz, dass er diesbezüglich keine Grenzen setzt!
Viel Spaß beim selbstverständlichen Orakeln: Wem’s gefällt!
[4] Inwiefern sollte oder könnte die Autorin das Setting weiter ausbauen?
Meine Antwort liegt nach dem zuvor gesagten (s. [3]) nahezu auf der Hand: Sie sollte ihre fiktionale Welt insofern weiter ausbauen, als dies der Geschichte die nötige Substanz verleihen oder, anders gesagt, ihr das „fehlende Fundament“ geben würde, um die vorliegende negativ überwältigende Ambiguität in eine adäquate Ambiguität zu überführen, die (valide) interpretative Aussagen über das Erzählgeschehen und darüber hinaus ermöglichen würde.
[5] Das „romantische“ Frühstück, das in „Besser sogar als ich Selbst“ am Ende dem Protagonisten in Aussicht gestellt wird, sei ein Produkt meiner Phantasie und entbehre jeder textlicher Grundlage:
Ja, ich will gar nicht bestreiten, dass im Text – als das, was wortwörtlich da steht begriffen – nur von einem „Frühstück“ die Rede ist, ohne die romantische Attribuierung. Im Text ist exakt 2mal die Rede von einem „Frühstück“:
1. Direkte Rede der dominanten weiblichen Figur:
»Wir sehen uns morgen beim Frühstück. Geh.«
2. Erzählerrede des submissiven männlichen Protagonisten:
»Aber das Frühstück wird genau so sein, wie sie sich das wünscht, und besser als das.«
Das Problem ist, dass der Text, wie gesagt (vgl. [3]), keine validen interpretativen Aussagen über das Erzählgeschehen hinaus zulässt. In der Konsequenz spricht gegen meine Interpretation des „romantischen“ Frühstücks genauso wenig wie gegen deine „harte“ Interpretation des Frühstücks: nichts.
Und meine Interpretation kann sich sogar auf deine eigene Interpretation stützen. Wenn auch auf deine Interpretation einer anderen Sache im Text, nämlich der angeblichen Liebesbeziehung zwischen dem Protagonisten und seiner „Göttin“. Du behauptest, dass ihre angebliche Liebesbeziehung einem „pervertierten Mutter-Kind-Verhältnis“ gleiche, in welchem „sie ihn ‚aufhebt‘ und tröstet wie eine Mutter das tun würde“ und ferner sie aus dem „Elend“, in das sie ihn „stürzt“, ihn schließlich auch „wieder errettet“.
Und also mithilfe deiner eigenen Interpretation der angeblichen Liebesbeziehung meine Interpretation des „romantischen“ Frühstücks plausibel erscheint: Erst hat die Mutter (= „Göttin) ihr Kind (= Protagonist) bestraft (= eine Zeitlang mit der Nase an der Wand lehnen), dann weint sich das Kind aus (vgl.: „Ich kann spüren, wie mir die Tränen in die Augen schießen, heiß und scharf.“) und verspricht fortan artig zu sein (vgl.: „- Ich denke, du hast genug gelitten. Aber du mußt es dir wirklich gut merken diesmal. Ganz so einfach kann ich dich nicht davonkommen lassen. / Sie steht nahe an mir. Ich zittere in Vorstellungen. / - Verstehst du das? / - Ja.“), und als Belohnung wird das demütige Kind dann am nächsten Morgen von der Mutter beim Frühstück in trauter Zweisamkeit verwöhnt: mein „romantisches“ Frühstück zu zweit am Morgen danach.
Du siehst, nichts spricht gegen meine Interpretation des „romantischen“ Frühstücks. Und stellenweise finden sich sogar textliche Grundlagen (s.o. Zitate)!
Also scheint mir dein Vorwurf sowohl haltlos als auch sinnlos, dass jenes „romantische“ Frühstück ein Produkt meiner Phantasie sei und jeder textlicher Grundlage entbehre, denn letzteres stimmt schlichtweg nicht und ersteres spielt keine (problematische) Rolle (vgl. [3] zur unbegrenzten Ambiguität des Texts).
(Es sei jedoch nicht verschwiegen, dass meine Kitschzuweisung bzgl. des vorliegenden Texts sich in der Tat großteils von jenem „romantischen“ Frühstück herleitet. Aber gegen diese Kitschzuweisung spricht genauso lange nichts, wie auch nichts gegen jenes „romantische“ Frühstück spricht.)
[6] Über den engl. Text „Figging Cat“: a) ich hätte ihn hoch gelobt und b) sei die textuelle Ursache oder Motivation der Unterwerfung der Studentin in ihm ein notdürftig zusammengeschustertes Konstrukt:
Zu a)
Ich habe „Figging Cat“ nicht hoch gelobt. Ich schrieb lediglich, dass er (für dt. LIT-Verhältnisse) „wirklich gut“ sei. Und das, so viel ist sicher, bedeutet nicht, dass ich „Figging Cat“ hoch gelobt habe. Dafür gibt es auch gar keinen Anlass. „Figging Cat“ mag zwar selbst nach den kombinierten dt. und engl. LIT-Verhältnissen signifikant besser als 50 % der angebotenen Erotisma sein, aber das allein heißt nicht, dass „Figging Cat“ hoch zu loben sei.
In LIT-Sternen ausgedrückt bekäme „Figging Cat“ von mir 2,5 Sterne.
Das mag man meinetwegen als „Lob“ auffassen. Es ist aber gewiss kein „hohes Lob“.
Zu b)
Selbst wenn wir um des Arguments willen annehmen, dass die textuelle Ursache oder Motivation der Unterwerfung der Studentin in „Figging Cat“ ein notdürftig zusammengeschustertes Konstrukt sei, so würde „Figging Cat“ dann immer noch jene Ursache oder Motivation stärker konstruieren, als dies bei „Besser sogar als ich Selbst“ der Fall ist, schließlich letztgenannter Text jene Ursache oder Motivation gar nicht oder bestenfalls in unzureichendem Maße konstruiert (vgl. [2]).
(Die weitergehende Frage, ob, wie Cittadolente behauptet, stimmt, dass die textuelle Ursache oder Motivation der Unterwerfung der Studentin in „Figgin Cat“ ein notdürftig zusammengeschustertes Konstrukt sei, sei an dieser Stelle nicht näher beleuchtet. Meinen Standpunkt diesbezüglich habe ich an anderer Stelle im Forum klargelegt, vgl. das Thema: BDSM-Stories: Meine Leseempfehlungen.)
[7] Über den engl. Text „Obedience In All“: a) er sei faktisch nicht erotisch und b) als BDSM-Geschichte extrem dürftig und c) mein literarischer Fixstern:
Zu a)
Ich kann dem in dieser absoluten Weise nicht zustimmen. Mit dieser absoluten Weise meine ich, dass du negierst, dass „Obedience In All“ in irgendeiner Weise erotisch sei. Es gibt in der Tat unerotische oder quasi nicht erotische Texte auf Literotica – und das nicht nur in der Non-Erotic-Kategorie. Aber, und das ist das Entscheidende, „Obedience In All“ gehört nicht zu diesen Texten!
Allerdings, das gebe ich freimütig zu, ist die Erotik die bei weitem größte Schwäche von „Obedience In All“. In Sachen Erotik mag der Text signifikant weniger bieten als 50 % der veröffentlichten Erotisma auf Literotica. Aber dafür bietet er in allen anderen literarischen Belangen das Doppelte oder sogar Dreifache eines typischen Erotismo auf Literotica!
Nicht ohne Grund, will mir scheinen, hat sack „Obedience In All“ zum besten Erotismo auf Literotica überhaupt erklärt, vgl.: The Literotica Top 100. (Dazu unter c) mehr.)
Aber zurück zur Erotik in „Obedience In All“.
Es ist richtig, dass der Text nicht im Sinne eines klassischen Pornos erregt. Er enthält weder explizite Kopulationsszenen noch bietet er (nackte) Geschlechtsteile im literarischen Äquivalent einer filmischen Großaufnahme. Aber Erregung ist nur die eine Seite der Erotik: praktisch der Hieb mit dem Vorschlaghammer.
Daneben gibt es auch feingefühligere Ausprägungen der Erotik. Damit meine ich Darstellungen, denen es gelingt, eine subtile erotische Spannung zu schaffen oder eine Art Vorlust zu wecken. Dieses Momentum fasse ich unter dem Begriff Anregung: praktisch der Duft einer noch ungeschauten Blüte.
Und dieser Duft ist in „Obedience In All“ mindestens minimal wahrnehmbar.
Z.B. gleich im ersten Absatz heißt es: „ He closed his eyes and remembered her bound and squirming with anticipation, the sheen of arousal on her skin, her heady scent.“ Diese Erinnerung des Manns wecken beim (empfindsamen) Leser Assoziationen ans eigene Tun oder die Vorstellung davon. Wann habe ich (m)eine Frau etwa zum letzten Mal gefesselt? Wie glänzt ihre Haut vor Schweiß, wenn sie auf mir reitet? Wie riecht sie? Und im Idealfall weckt dies eine gewisse Vorlust. Und diesbezüglich finden sich im Text weitere Beispiele, z.B.: „She would be lying in his arms, still trembling from their play, her body glistening and marked from the lash, and she would look at him with that softness that melted him and whisper, ›I love you‹.“
Angesichts dessen, finde ich, stimmt es nicht, dass „Obedience In All“ in keiner Weise erotisch sei.
Der Text mag zwar nicht vordergründig erregen. Aber anregen, wenn vielleicht auch auf dezente Weise, das tut er sehrwohl! (Insofern man nicht aus Sicht des stumpfsinnigen Einhandlesers urteilt, zu dem, schätze ich, weder du noch ich selbst zählen, oder? Zumindest die meiste Zeit. ;-))
Zu b)
Ähnlich zur Argumentation in a) kann ich dir auch in diesem Punkt nicht zustimmen.
Die Stärke von „Obedience In All“ mag weniger darin liegen, eine beliebige BDSM-Praktik explizit zu beschreiben (wie dies z.B. bezüglich des Figgings bei „Figging Cat“ der Fall ist), sondern die (thematisch-inhaltliche) Stärke des Texts liegt darin, die möglichen ideellen Bedingungen von BDSM und dessen oder eine seiner möglichen ultimativen Folgen zu reflektieren. (Ganz zu schweigen vom sehr guten Stil etc.)
Im Prinzip also ist die Stärke von „Obedience In All“ die Schwäche von „Besser sogar als ich Selbst“.
Denn in „Obedience In All“ findet tatsächlich eine Auseinandersetzung mit dem statt, was Dominanz und Unterwerfung und Hörigkeit usw. bedeuten. Der Text erzählt davon, was für Folgen diese in der fiktionalen Welt der Charaktere und für diese Charaktere nach sich ziehen. Und der Text erzählt auch davon, was zur eigentlichen Erfüllung jener Formen von BDSM oder vielleicht auch BDSM allgemein möglicherweise nötig ist, quasi die Bedingungen oder auch Ursachen, wenn man so will.
In dieser Auseinandersetzung enthebt „Obedience In All“ BDSM natürlich den alltäglichen und aktualen Spielereien oder auch Fetischen. Wenn du also BDSM nur in konkreten Beschreibungen jener Spielereien oder auch Fetischen aus dem Alltag erkennst, so wäre „Obedience In All“ in Sachen BDSM in der Tat „extrem dürftig“. Aber diese alltägliche Ebene ist nicht die primäre Erzählebene des Texts.
Der Text erzählt nicht primär von dem, was war, z.B. wann und wie der Mann die Frau en detail zuletzt bestrafte etc.
Der Text erzählt primär von dem, was ist, d.h. also von dem, was sich im Allgemeinen oder Ideellen der immer wieder individuell erlebten BDSM-Erfahrung ausdrückt, was hinter dem Grauschleier der Alltagswirklichkeit liegt.
Daher erfolgt die Reflektion über die möglichen Bedeutungen von BDSM in „Obedience In All“ auf eine grundsätzliche Weise, die sich eher im Abstrakten oder Universalen bewegt als allein im Konkreten oder Individuellen.
Und daher fordert „Obedience In All“ auch mehr vom Leser.
Der Leser nämlich, der nur empfindsam ist für das, was ihn an unmittelbar greifbaren BDSM-Handlungen vom Autor vorgesetzt wird, den wird PassionStJohns Texts zwangsläufig enttäuschen, gerade weil, wie oben gesagt, es dem Autor nicht primär um jene unmittelbar greifbaren BDSM-Handlungen geht, sondern vielmehr um das, was sich auf einer abstrakteren Ebene hinter diesen verbirgt. Wenn also der Leser nun aber für diese abstraktere Ebene warum auch immer nicht empfindsam ist, sondern nur auf die konkrete Ebene schaut, so wird er zwangsläufig von „Obedience In All“ in Sachen BDSM enttäuscht.
Und ich vermute, wie du dir wahrscheinlich denken kannst, dass du gerade aus diesem Grund von „Obedience In All“ enttäuscht bist und zu dem Schluss kommst, dass sie als BDSM-Geschichte „extrem dürftig“ sei. Mir scheint, offen gestanden, deine Vorstellung davon, was taugende BDSM-Geschichten (oder auch Erotisma generell) ausmache, ist zu limitiert und also nicht adäquat: Sie beschränkt sich auf die konkrete Ebene und missachtet die abstrakte Ebene.
Und weil die eigentliche Stärke von „Obedience In All“ auf dieser abstrakten Ebene liegt, die in deiner Vorstellung keinen richtigen Platz zu haben scheint, kannst du sie logischerweise auch nicht erkennen oder zu schätzen wissen.
Demnach kann ich dir also nicht zustimmen, dass „Obedience In All“ eine extrem dürftige BDSM-Geschichte sei. Ganz im Gegenteil: Sie ist m.E. eine exzellente BDSM-Geschichte gerade weil sie im Gegensatz zur schier überwältigenden Masse von BDSM-Geschichten nicht primär bloß von alltäglichen sexuellen BDSM-Praktiken erzählt, sondern darüber hinaus auf viel grundsätzlichere Weise reflektiert, was es mit BDSM und unserem Ausleben desselben möglicherweise eigentlich auf sich hat. Und das gelingt nur den wenigsten BDSM-Geschichten. (Die dann jedoch längst nicht auch literarisch im selben Maße gelungen sein müssen wie „Obedience In All“!)
Zu c)
Schließlich kann ich auch deiner Behauptung nicht zustimmen, dass „Obedience In All“ mein „literarischer Fixstern“ sein.
Ich schätze, du meinst mit diesem Ausdruck das literarische Werk, das für mich das Nonplusultra darstelle, quasi das beste literarische Werk, das ich je gelesen habe, vielleicht gar der Gipfel der Literatur und sw. usf.
Aber da muss dich möglicherweise enttäuschen: Das ist „Obedience In All“ für mich nicht.
Abgesehen davon, dass es mir schwerfiele, mich auf ein einzelnes literarisches Werk als Fixstern zu beschränken. Angesichts der nahezu unbegrenzten thematischen Reichweite der Literatur allgemein wäre dies vielleicht sogar schlechterdings sinnlos.
Und selbst in Sachen Erotisma, die thematisch handhabbarer sind als die Literatur allgemein, ist „Obedience In All“ recht weit davon entfernt, überhaupt in die Nähe der Spitzengruppe von Erotisma zu kommen, die ich gelesen habe. (Aber trotzdem weit näher dran als „Besser sogar als ich Selbst“ und überhaupt 99 % aller deutschen Erotisma auf Literotica, die ich gelesen habe.)
Dass „Obedience In All“ mein literarischer Fixstern sei, kann ich also guten Gewissens und von ganzem Herzen wie auch Verstand zurückweisen!
*
So, damit bin ich am Ende meiner Ausführungen zu den 7 von mir vorerst zur Diskussion ausgewählten Punkten angelangt, die Cittadolente in seinem Kommentar zu meinem Kommentar zu „Besser sogar als ich Selbst“ zur Sprache brachte.
Aus Zeitgründen konnte ich meinen Sums leider nicht Korrektur lesen. Etwaige OGI-Fehler oder sonstige offenkundige Ungereimtheiten wie fehlende Subjekte oder Satzteile bitte ich zu entschuldigen. Es bleibt mir daher nur zu hoffen, dass meine Ausführungen im Kern nachvollziehbar oder vielleicht sogar verständlich sind.
Ich freue mich auf eine angeregte Diskussion!
Beste Grüße
–AJ
PS: Alle Prozentangaben in meinen Ausführungen sind empirisch fundierte Werte. Anders gesagt: Sie sind nicht geschätzt, sondern entstammen den empirisch gewonnenen und statistisch ausgewerteten Daten bzgl. der von mir kritisch beurteilten Erotisma auf Literotica. Wer sie anfechten will, tja, der hat also einen Haufen Arbeit vor sich (ich sage nur: empirische Datengewinnung und sw.).
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