Wann lohnt sich Charakterzeichnung bzw. wann ist ein Text eine Geschichte?

Danke für die vertiefende Antwort! Die Besonderheit des Ich-Erzählers kam ja bereits zur Sprache, und du hast völlig recht, daß in seinem Falle das Weglassen zumindest der (äußerlichen) Beschreibung seiner Figur vergleichsweise naheliegt.

Du hebst das "Verschieben des Fokus" hervor, jedoch, würde ich sagen, schließt eine Darstellung der Innenwelt einer Figur (Gefühle, Selbstwahrnehmungen usf.), selbst in stark betonter Weise, gar nicht die Außendarstellung aus! Warum sollte dem auch so sein?

Ich würde jedenfalls sagen, daß zu einer vollkommenen Darstellung einer erfundenen Figur beide Seiten gehören: sowohl die innere als auch die äußere. Außergewöhnliche erzählerische Kniffe außer acht gelassen (z. B. das Verschweigen des Aussehens des Mörders in einem Krimi), bleibt bei mir, wenn die Außendarstellung unterlassen wird, in der Regel der Eindruck zurück, daß irgend etwas fehlt bzw. der Schreiber sich scheinbar selber kein klares Bild von seiner eigenen erfundenen Figur gemacht hat, denn andernfalls hätte er ebendieses Bild ja ohne weiteres seiner Leserschaft mitteilen können. Oder nicht?

Schließlich, und das sollte nicht leichtfertigt mißachtet werden, denke ich, bringt der Schreiber, der die Außendarstellung unterläßt, sich selber um die Gelegenheit, Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen dem Aussehen seiner erfundenen Figur und der Welt, in der sie sich bewegt und die auf sie zurückfärbt, kenntlich und deutlich machen zu können! Die Mitmenschen werden beispielsweise auf eine 1,85 m große Frau ganz andere Reaktionen zeigen als auf eine, die 1,65 m mißt – und beide werden allein schon aufgrund ihrer unterschiedlichen Körpergröße ganz andere Erfahrungen und Prägungen mitbringen (was wiederum mit ziemlicher Sicherheit nicht ohne Auswirkung auf ihre jeweiligen Innenwahrnehmungen bliebe, sofern diese denn zu schildern wären).

Natürlich kann Körpergröße oder Statur erzählerisch eine Rolle spielen – stellen wir uns nur die Komödie vor, wenn sie sich hinkniet und den kleineren Mann trotzdem nicht erreicht. Aber das ist dann eine Szene, die von dieser Differenz lebt. Wenn es keine dramaturgische Funktion hat, bleibt die bloße Angabe von 1,60 m oder 1,85 m für mich eher Ballast

Sontag weist in The Pornographic Imagination auf eine interessante Parallele hin: Sowohl Komödie als auch Pornografie erzeugen ihre Wirkung oft dadurch, dass Figuren in bizarrsten Situationen äußerlich erstarrt bleiben – Spannung und Komik entstehen aus dem Kontrast von extremem Geschehen und minimaler Charaktertiefe. Ich will damit nicht sagen, dass es immer so sein muss, aber genau darin sehe ich die Legitimität, Figuren als Projektionsflächen offen zu lassen.

Ich denke allerdings, ich werde den Essay noch zwei- oder dreimal lesen müssen, bis ich den Inhalt einigermaßen erfasst habe.
 
Allerdings, @millamomud, bezieht Sontag im Vergleich zur Komödie sich auf die gewöhnlich rein äußerliche Darstellung der Figuren in der Pornographie, d. h. also gerade ihre Innenwahrnehmung wird unterschlagen, nicht die Beschreibung ihres Äußeren. Die Figuren der Pornographie dienen also (nach Sontag) in der Regel gerade nicht als "Projektionsflächen" in deinem zuvor entwickelten Sinne!
 
Deine Nachfrage nach dem „Gewinn“ meiner erzählerischen Offenheit ist berechtigt, und ich möchte versuchen, das präziser zu fassen.


Für mich besteht der Gewinn nicht im bloßen Weglassen, sondern im Verschieben des Fokus. Statt meine Figuren von außen zu rahmen, will ich die Leser:innen in sie hineinversetzen: Was sie fühlen, wie Scham oder Stolz sie überfallen, wie sie Atem, Temperatur, Körperreaktionen erleben – das sind die entscheidenden Signale. Das ist keine Leerstelle, sondern eine andere Form von Vermittlung. Deswegen halte ich mich im Moment auch bewusst vom auktorialen Erzählen fern.


Gerade bei Louisa wäre eine detaillierte Figurenbeschreibung sogar kontraproduktiv gewesen. Sie lebt als Figur von Ambivalenz: Studentin, WG-Konflikte, allmähliche Hingabe. Hätte ich sie äußerlich festgelegt – ob als pummeliges Mauerblümchen oder als attraktives Mädchen von nebenan – hätte ich ihr damit eine gewisse Oberflächlichkeit eingeschrieben, die die literarische Tiefe eher geschmälert hätte. (sofern man die meinen Texten überhaupt zuschreiben kann) Denn bei ihr ging es mir nicht um "wie sieht sie aus?", sondern um "wie verändert sie sich?".


Ich glaube daher nicht, dass Louisa unvollständig ist oder etwas vermissen lässt, nur weil ich ihre Körpergröße, Körbchengröße, ihr Gewicht, die Ausprägung ihrer Schamlippen oder die Farbe und Struktur ihrer Schamhaare nicht beschrieben habe. Für mich lag die Stärke dieser Geschichte gerade darin, dass sie über Handlung, Dynamik und Innenwahrnehmung erzählt wird, nicht über einen Katalog äußerlicher Merkmale.


Die Leser:innen wissen sehr genau, wer Louisa ist: weil sie miterleben, wie sie fühlt, wie sie Entscheidungen trifft oder vermeidet, wie sie im WG-Gefüge Stück für Stück in eine andere Rolle hineinrutscht. Das ist für mich vollständige Charakterzeichnung – auch ohne detaillierte Körperbeschreibung.
Erstaunlicherweise verstehe ich beide Positionen.

Die von @millamomud kann ich gut nachvollziehen. In seinen Geschichten geschieht genau das, was er will. Wir als Leser versetzen uns in die Charaktere, die Äußerlichkeiten sind in diesem Fall egal, jeder darf sich vorstellen, was er will.

Aber auch @Auden James hat einen Punkt. Wenn es um erotische Geschichten geht, und ich als Leser z.B. auf große Brüste, dicke Frauen oder behaarte Schamlippen stehe, dann macht es eine Geschichte viel interessanter für mich, wenn genau diese Eigenschaften vom Autor formuliert werden. Denn genau deswegen lese ich ja erotische Geschichten. Mein Kopfkino soll anspringen, ich will erregt werden. Und das gelingt am Besten, wenn genau meine Lieblingsfantasie ganz konkret formuliert wird. Deswegen ist die Beschreibung der Äußerlichkeiten normalerweise sehr wohl ein wesentlicher Anteil der Geschichten.

Beide Ansätze funktionieren, die Sicht aus dem Inneren der Protagonisten bleibt vielleicht länger in Erinnerung, ist aber vielleicht auch weniger "geil", als die Sicht auf die Äußerlichkeiten. Ich weiß, das "vielleicht" verwässert alles. Aber damit will ich nur ausdrücken, dass ich das so empfinde, ohne darauf zu bestehen, dass es genauso ist.

Und natürlich gibt es implizite Beschreibungen der Äußerlichkeiten, wenn sexuelle Interaktionen konkretisiert werden. Für bestimmte Stellungen, für viele verschiedene Aktionen können nicht beide Protagonisten beliebige Äußerlichkeiten aufweisen, sondern müssen für die konkrete Situation kompatibel sein. Insofern ist es eine gute Idee, sich bei der Vorstellung der Protagonisten von @millamomud auf durchschnittliche Menschen zu konzentrieren.

Und auch das Beispiel der Körpergröße von @Auden James leuchtet mir ein. Mit der Sicht aus dem Inneren einer Person heraus, leiten sich also auch Äußerlichkeiten ab.
 
Aber auch @Auden James hat einen Punkt. Wenn es um erotische Geschichten geht, und ich als Leser z.B. auf große Brüste, dicke Frauen oder behaarte Schamlippen stehe, dann macht es eine Geschichte viel interessanter für mich, wenn genau diese Eigenschaften vom Autor formuliert werden. Denn genau deswegen lese ich ja erotische Geschichten. Mein Kopfkino soll anspringen, ich will erregt werden. Und das gelingt am Besten, wenn genau meine Lieblingsfantasie ganz konkret formuliert wird. Deswegen ist die Beschreibung der Äußerlichkeiten normalerweise sehr wohl ein wesentlicher Anteil der Geschichten.
Solltest du auf pfundige Damen mit prallen Titten stehen, die stark behaart sind unten rum, und ich skizziere in meiner Geschichte die Frau als schlank, flachbrüstig und blank, wirst du die Lektüre wahrscheinlich umgehend einstellen, weil ich deinen Geschmack nicht getroffen habe. Bleibe ich jedoch vage und skizziere die körperlichen Details nicht, kannst du dir die Person nach deinen Vorlieben zeichnen.

Es ist unmöglich, alle Geschmäcker zu treffen, weshalb man mit neutralen Beschreibungen die größte Schnittmenge erzielen wird.

swriter
 
Allerdings, @millamomud, bezieht Sontag im Vergleich zur Komödie sich auf die gewöhnlich rein äußerliche Darstellung der Figuren in der Pornographie, d. h. also gerade ihre Innenwahrnehmung wird unterschlagen, nicht die Beschreibung ihres Äußeren. Die Figuren der Pornographie dienen also (nach Sontag) in der Regel gerade nicht als "Projektionsflächen" in deinem zuvor entwickelten Sinne!
Da hast du völlig recht – Sontag bezieht sich auf das Gegenteil meines Vorgehens: In der Pornographie, so ihre Diagnose, wird gerade die Innenwahrnehmung ausgespart, Figuren bleiben äußerlich sichtbar, aber innerlich stumm. Meine eigene Praxis setzt die Leerstelle quasi auf die andere Seite: Ich reduziere die Außenbeschreibung, um die Innenwahrnehmung umso stärker zu betonen.
 
Solltest du auf pfundige Damen mit prallen Titten stehen, die stark behaart sind unten rum, und ich skizziere in meiner Geschichte die Frau als schlank, flachbrüstig und blank, wirst du die Lektüre wahrscheinlich umgehend einstellen, weil ich deinen Geschmack nicht getroffen habe. Bleibe ich jedoch vage und skizziere die körperlichen Details nicht, kannst du dir die Person nach deinen Vorlieben zeichnen.

Es ist unmöglich, alle Geschmäcker zu treffen, weshalb man mit neutralen Beschreibungen die größte Schnittmenge erzielen wird.

swriter
Mal ein ganz anderer Aspekt: Wenn ich die erotische Vereinigung eines Mannes und einer Frau beschreibe, ohne weiter auf "Äußerlichkeiten" oder die "Umstände" einzugehen, spreche ich dann auch jemanden an, der auf Inzest/Tabu steht, weil er sich ohne Einschränkung vorstellen kann, dass hier Vater und Tochter, Mutter und Sohn oder Bruder und Schwester aktiv sind? Die Antwort ist doch wohl: Nein. Insofern müssen für das Erreichen eines bestimmten Publikums die äußeren Umstände sehr wohl genauer beschrieben werden.
 
Mal ein ganz anderer Aspekt: Wenn ich die erotische Vereinigung eines Mannes und einer Frau beschreibe, ohne weiter auf "Äußerlichkeiten" oder die "Umstände" einzugehen, spreche ich dann auch jemanden an, der auf Inzest/Tabu steht, weil er sich ohne Einschränkung vorstellen kann, dass hier Vater und Tochter, Mutter und Sohn oder Bruder und Schwester aktiv sind? Die Antwort ist doch wohl: Nein. Insofern müssen für das Erreichen eines bestimmten Publikums die äußeren Umstände sehr wohl genauer beschrieben werden.
Das ist doch etwas ganz anderes. Natürlich beschreibe ich in jeder Geschichte, in welcher Beziehung die Personen zueinander stehen. Paar, Freundinnen, Geschwister ... und doch ist es für mich dann unerheblich, ob da Blondinen oder Brünette miteinander rummachen oder wie viele Tatoos oder Muttermale die Protagonisten aufweisen. Wobei die Frisur etwas ist, was ich am ehesten beschreibe, damit man ein ungefähres Bild der Person hat.

swriter
 
Mal ganz ernsthaft: Hat eine AI den Account von AJ übernommen? So vernünftige und sachliche Posts habe ich von ihm ja noch nie erlebt.
Also ich fand den Austausch tatsächlich überaus interessant und anregend. Es hat mich dazu gebracht, meine eigenen Texte noch einmal auf einer theoretischeren Ebene zu betrachten – und das hat mir einiges zum Nachdenken gegeben. Insofern habe ich mehr aus der Diskussion herausgezogen, als ich mir beim ursprünglichen Verfassen meiner ersten Antwort überhaupt erhofft habe. :)
 
Ich habe mir das Thema Figurenbeschreibung im Lichte von Sontags Essay noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Und ich glaube, der Kern meiner Differenz zu deiner Position liegt darin, dass ich mein eigenes Schreiben nicht im Bereich des Pornographischen, sondern des Erotischen verorte.

Pornographie lebt – gerade auch, wenn man das Medium Video mitdenkt – von der direkten Reizung, von der vollständigen Sichtbarmachung. Erotik hingegen entfaltet ihren Reiz für mich dort, wo etwas nicht gesagt, nicht gezeigt, nicht beschrieben wird. In dieser Spannung zwischen Andeutung und Auslassung liegt das, was ich persönlich literarisch interessant finde.

Wahrscheinlich speist sich daraus auch mein Hang zum Minimalistischen. Schon mein Deutschlehrer im Leistungskurs hat diese Tendenz Anfang der 2000er erkannt – die Bewertung einer meiner Kursarbeiten eröffnete er damals mit der Überschrift: „Meister der Prägnanz?“
 
Wahrscheinlich speist sich daraus auch mein Hang zum Minimalistischen. Schon mein Deutschlehrer im Leistungskurs hat diese Tendenz Anfang der 2000er erkannt – die Bewertung einer meiner Kursarbeiten eröffnete er damals mit der Überschrift: „Meister der Prägnanz?“

Kann ich sehr nachvollziehen. Einige meiner ersten Werke krankten auch sehr an "zu schnell zur Sache kommen" (was nicht unbedingt sexuell gemeint ist).
 
Nach meiner Auffassung markieren die Begriffe "Pornographie" und "Erotik" nicht wesentlich verschiedene Gegenstandsbereiche; vielmehr drücken sie unterschiedliche Werthaltungen (gegenüber ein und demselben Gegenstandsbereich) aus. Aus diesem Grund sprach ich hier auch ausdrücklich immer wieder von "erotischem oder pornographischem" Erzählen. Zwischen den beiden Erzählweisen besteht keine wesentliche Scheidung; die Wertungen, die den jeweiligen Begrifflichkeiten beigelegt werden, gehen jedoch für gewöhnlich diametral auseinander ("Erotik" = gut, Kunst, wertvoll, für Erwachsene gegebenenfalls hinnehmbar; "Pornographie" = schlecht, Schund, wertlos, vor allem für die Jugend besonders gefährlich). Aus diesen diametralen Wertungsweisen wird dann eine wesentliche Scheidung hergeleitet, eben um die jeweilige Wertung zu "objektivieren" und die eigene Werthaltung dahinter unkenntlich zu machen oder zu verschleiern.

Bedenke, @millamomud, daß zu der Zeit, als Sontag jenen Aufsatz verfaßte und veröffentlichte, das "Golden Age of Porn" noch gar nicht begonnen hatte! Also gerade das, woraus sich der heutige Porno im Internet entwickelte, gab es zu dem Zeitpunkt noch gar nicht. Was Sontag mit dem Begriff "Pornographie" beschrieb, kann allein schon deshalb nicht in eins gesetzt werden mit der "vollständigen Sichtbarmachung" im zeitgenössichen Porno im Internet. Die Schriften, die sie als Grundlage für ihren Aufsatz und zur Verteidigung von dessen Thesen heranzog, sind überdies allesamt nicht zu kommerziellen Zwecken geschrieben worden, was für sich genommen bereits eine bedeutungsvolle Kluft zum Porno aufzeigt, der ein durch und durch kommerzielles Produkt ist.
 
Dass die Historizität des Textes die Unterscheidung nicht hergibt, ist mir durchaus klar. Ich wollte in der Hinsicht auch keine wertende Haltung einnehmen, sondern die nach innen gerichtete Perspektive in meinem Schaffen einen Unterbau geben, an den Sontag zu dieser Zeit noch gar nicht denken konnte.

Trotzdem möchte ich festhalten, dass ich sehr wohl einen Unterschied zwischen Pornographie und Erotik sehe, der über die starke Vereinfachung Erotik = gut und Pornographie = böse hinausgeht, und würde gerne auf einen Beitrag von mir vom Mai 2025 verweisen, mit der Bitte, die Stelle zu Standard-Topoi geflissentlich zu überlesen. ;)

https://forum.literotica.com/thread...t-mehr-erregend.1624935/page-5#post-101036176

Ich möchte nochmal betonen, dass es mir dabei nicht um eine moralische Wertung, sondern um eine ästhetische Unterscheidung geht, die im Wesentlichen auf Erotik = Spiel mit Auslassung und Spannung und Pornographie = totale Sichtbarmachung herausläuft. Ich erkenne die von dir erwähnten Überschneidungen auch an, und dass eine Zusammenführung der Begriffe im Kontext von Sontags Essay Sinn macht. Ob es überhaupt Sinn macht, meinen Zugang als ‚Erotik‘ zu deklarieren, wo ich doch fast ausschließlich im BDSM schreibe, sei dahingestellt. Für mich ist ‚Erotik‘ aber weniger ein Genre-Label als eine Haltung: Ich will keine bloße Reiz-Reihung, sondern Spannung, Auslassung, psychologische Tiefe. In diesem Sinn verorte ich mich im Erotischen, auch wenn die Praktiken explizit BDSM sind.

Insofern sehe ich unsere Differenz weniger in einer Gegensätzlichkeit als in einer unterschiedlichen Gewichtung: Während du Figurenbeschreibung als notwendiges Element forderst, sehe ich die Möglichkeit, über Andeutung, Innenwahrnehmung und Auslassung mindestens ebenso viel – wenn nicht mehr – zu transportieren.
 
Die Frisur ist das eheste, das du mit dem Bild einer Person assoziierst?
Zunächst einmal eine Empfehlung - wenn du auf einen Post antwortest, nutze bitte den Reply-Button. Dann ist für jeden ersichtlich, wem du antworten möchtest.

In meinen Geschichten gebe ich das Alter der Charaktere vor und in welcher Beziehung sie zueinander stehen. Im weiteren Verlauf der Erzählung fließen ggf. Informationen wie Kleidung (Rock oder Hose?), Schambehaarung oder Brustgröße ein, oftmals lasse ich das auch weg. Die Frisur beschreibe ich meistens, aber eher bei Frauen. Männer beschreibe ich so gut wie gar nicht, weil es mir nicht wichtig ist. Die Frisur ist etwas, was mir bei einer Frau als Erstes auffallen würde. Viel eher als Kleidung, Figur, Schmuck, Sommersprossen, Grübchen, Muttermale oder welche Farbe der Lippenstift hat.

Vielleicht bin ich oberflächlich beim Schreiben (und generell ein oberflächlicher Mensch) und habe selber kein klares Bild der Personen vor Augen. Ich brauche das aber auch nicht, um meine Fantasie zu durchleben. Und da ich in erster Linie für mich schreibe und nicht für andere ergänze ich im Nachhinein keine Personenbeschreibungen. Da sich meine Leser nie über zu wenige Details beklagen, unterstelle ich, dass sie diese nicht benötigen. Wer ausführliche Charakterzeichnungen mag, macht um meine Texte wahrscheinlich eh einen Bogen.

Besondere Merkmale skizziere ich, wenn sie für die Geschichte Sinn ergeben. Intimpiercings oder Tatoos gibt es bei mir, wenn diese eine Rolle für die Handlung spielen. So in einer Geschichte, in der eine Frau mit Intimschmuck ins MRT muss. Das Gewicht und die Größe spielen bei mir keine Rolle oder nur dann, wenn es Sinn ergibt. Zum Beispiel in meinen Geschichten, in denen ich über eine kleinwüchsige Prostituierte bzw. über eine abnehmwillige korpulente Frau geschrieben habe.

Wenn Autoren der Meinung sind, sie müssten eine ausführliche Charakterbeschreibung einfließen lassen, dann sollen sie es tun. Meiner Erfahrung nach kommen Geschichten auf dieser Plattform gut an, die mehr oder weniger komplett auf diese verzichten. Für mich sehe ich keinen Grund, den Grad meiner Charakterzeichnung anzupassen, da weder ich noch offenbar meine Leser diese benötigen.

swriter
 
Eine weitere Facette, die mir in diesem Zusammenhang interessant erscheint, ist die Frage nach dem „Male Gaze“. Der Begriff stammt ursprünglich aus der feministischen Filmtheorie (Laura Mulvey) und bezeichnet die Darstellung von Frauen aus einer männlich-heterosexuellen Perspektive, die sie auf Körperteile und als Objekte männlicher Begierde reduziert.

Nun könnte man sagen: Im Feld erotischer oder pornographischer Literatur liegt genau darin oft der Zweck. Aber die Diskussion hier zeigt für mich, dass es einen Spielraum gibt – zwischen wie viel Körperbeschreibung notwendig ist und wie sie eingesetzt wird.

Gerade weil der Male Gaze unsere Wahrnehmung so stark prägt, finde ich es lohnenswert, sich bewusst zu machen: Frauen (und andere Perspektiven, die oft am Rand stehen) müssen nicht nur Objekte männlicher Fantasie bleiben, sondern können auch Subjekte mit eigener Innenwahrnehmung sein. Ebenso können sie Autorinnen ihrer eigenen Geschichten sein – mit einem eigenen Blick, der nicht automatisch an ein männliches Konsumideal gebunden ist.

Für mich stellt sich deshalb weniger die Frage, ob Körper beschrieben werden „sollen“, sondern: aus wessen Blickwinkel geschieht das – und was wird dadurch transportiert? Eine Beschreibung kann genauso gut entmündigend wie ermächtigend wirken, je nachdem, wer schaut, wer spricht und welche Stimme wir der Figur geben.
 
Eine weitere Facette, die mir in diesem Zusammenhang interessant erscheint, ist die Frage nach dem „Male Gaze“. Der Begriff stammt ursprünglich aus der feministischen Filmtheorie (Laura Mulvey) und bezeichnet die Darstellung von Frauen aus einer männlich-heterosexuellen Perspektive, die sie auf Körperteile und als Objekte männlicher Begierde reduziert.

Nun könnte man sagen: Im Feld erotischer oder pornographischer Literatur liegt genau darin oft der Zweck. Aber die Diskussion hier zeigt für mich, dass es einen Spielraum gibt – zwischen wie viel Körperbeschreibung notwendig ist und wie sie eingesetzt wird.

Gerade weil der Male Gaze unsere Wahrnehmung so stark prägt, finde ich es lohnenswert, sich bewusst zu machen: Frauen (und andere Perspektiven, die oft am Rand stehen) müssen nicht nur Objekte männlicher Fantasie bleiben, sondern können auch Subjekte mit eigener Innenwahrnehmung sein. Ebenso können sie Autorinnen ihrer eigenen Geschichten sein – mit einem eigenen Blick, der nicht automatisch an ein männliches Konsumideal gebunden ist.

Für mich stellt sich deshalb weniger die Frage, ob Körper beschrieben werden „sollen“, sondern: aus wessen Blickwinkel geschieht das – und was wird dadurch transportiert? Eine Beschreibung kann genauso gut entmündigend wie ermächtigend wirken, je nachdem, wer schaut, wer spricht und welche Stimme wir der Figur geben.
https://forum.literotica.com/threads/können-kerle-lesbisch.1599603/
 
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