Zenobit
Literotica Guru
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- Mar 28, 2014
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Du scheinst ja aus UK zu kommen (zumindest lässt das dein Profil vermuten). Beruht deine Beschreibung auf einem real existierenden System, beispielsweise aus UK oder ist das eher deine Meinung/Wunschvorstellung wie es sein sollte im Idealfall?Alles klar! Erstens, und nur nebenbei: die Betonung auf "Frauen" ist ausgrenzend. Es gibt Menschen verschiedener Gendern mit einem Penis, die mit Sex arbeiten in passiven oder aktiven Rollen. Dass der Ersteller nur das eine vor Augen hat, sagt schon viel über die Sachlichkeit der Debatte, aber mal abgesehen von der Heteronormativität...
Keine Arbeit macht 100% Spaß, aber Arbeit ist sinnvoll in einem Geist von 1) Dienst und 2) Empathie. Dienst hier heißt, man/frau will eine sexuelle Erfahrung ermöglichen, die etwas lehrt, tröstet, entlastet. Dafür muss man aber glauben, dass man das kann, und dass es positiv ist, so was zu bieten, und auch für Geld. Empathie heißt, man stellt den Käufer nicht infrage. Wer Sex sucht, der braucht Sex wie jeder andere: jeder Mensch verdient sexuelle Erfüllung, das ist sogar ein Menschenrecht, und diese Erfüllung zu bieten ist die therapeutische Mission einer Prostituierten. Sie bietet nicht Liebe, sie bietet eine aufbauende Erfahrung durch besondere (nicht nur rein sexuelle) Skills. Für diese Skills darf er/sie/es sich vergüten lassen.
Das Problem ist nicht die Sache, sondern der Rahmen. In 99% der Fälle geht es bei der Realprostitution um Not, Zwang, Ausbeutung. Das muss weg, und das geht schon gleich bei den Voraussetzungen los: ein humanistisches Bordell stellt nur "Frauen" ein, die:
- über 25 sind, besser sogar über 30 (um die Kritik zu vermeiden, "sie ist zu jung, um zu wissen, was sie will");
- einen Hochschulabschluss haben (um die Kritik zu vermeiden, "sie hat nichts anderes im Leben gelernt");
- über 22.000 EUR pro Jahr in einem festen Job verdienen (um die Kritik zu vermeiden, "sie macht das nur aus finanzieller Notlage").
In Deutschland gibt es keine Prostituiertenausbildung. Das muss das Bordell selbst machen. Zum Programm gehören Hygiene und Sicherheit (ganz oben, und dazu gehört eine strenge Nulltoleranzpolitik gegenüber Drogen), dann Sexualkunde, Anatomie, Massage, Musik, Menschenwürde, Psychologie, Seelsorge, Soft Skills, und ggf. Parfümerie, Aromatherapie, Mode und Kosmetik, Rhetorik, Kunst und Unterhaltung, Salonführung. Das ermöglicht Prostitution als eine holistische Entfaltung der Person. Und das führt auch zu einem holistischen Dienst, durch eine Person, die sich als Prostituierte wohl fühlt und stolz sein kann auf ihren Dienst und ihre Fähigkeit, das Leben eines Menschen durch eine einmalige Begegnung zu verändern.
Die Kundenauswahl ist auch wichtig. Billiger Schnellsex ist "auf der Reeperbahn nachts um halb eins". Vorab wird eine Bürgschaft von 2000 Euro bezahlt und ein polizeiliches Führungszeugnis geliefert. Dann werden Untersuchungen geliefert über sexuelle Krankheiten, aber auch keine Drogenspuren im Körper. Alkohol wird nur begrenzt im Restaurant angeboten, und nur mit Essen; bereits angetrunkene Kunden dürfen nicht rein. Im Bordell wird nicht geraucht.
Vor jeglichem Sexualdienst gibt es eine längere Phase des Kennenlernens. Das Bordell muss ein Ort der Begegnung sein, damit es seinen erotischen Auftrag seriös erfüllen kann. Der Kunde muss das Bordell ein paar Male besuchen und sich mit dem Prostituiertenteam unterhalten, bevor die richtige Entscheidung von allen Seiten getroffen wird. Das Kennenlernen geschieht durch Gesprächsrunden und Hausveranstaltungen über Kultur, Sexualkunde, Psychologie usw.
Das Bordell hat einen Hausarzt und und bietet psychologische Betreuung. Prostituierte arbeiten in Teilzeit. Davon dürfen aber maximal drei Wochenstunden mit direkten Sexualleistungen belegt werden. Für letztere beträgt die Vergütung ab 1000 Euro pro Stunde (und weniger für nicht sexuelle Leistungen: Gespräch, Massage, Kurse usw.). Das ist zwar teuer, aber so ein holistisches, seriöses Bordell hat zu viele Kosten. Urlaub wird übrigens auch vom Bordell vergütet.
Dieses Modell ist nur für "Frauen", die schon eine Stabilität im Leben haben und mit Stolz und Empathie das sexuelle Leben von "Männern" bereichern wollen. Wer das unmoralisch findet, muss nicht mitmachen. Die Vorstellung, dass Sex nur im Rahmen von Ehe, Romantik und Liebe stattfinden soll, und die erotische Vision dieses Bordells für zwischenmenschliche Sexualbegegnung sind miteinander unvereinbar. Es wäre vergeblich zu versuchen, Menschen zu überzeugen, die von vorn herein "wissen", dass Prostitution falsch ist. Auch wenn diese Menschen sich für Vertreter säkularisierter ethischer Werte halten, sind sie unbewusste Opfer von christlich-religiösen Narrativen über Gut und Böse, Himmel und Hölle, Sünde und Seligkeit. Dagegen kommt kein Argument an. In letzter Instanz muss die subjektive Willkür eines Richters entscheiden, in welcher Gesellschaft wir leben wollen und wie sie Sex kontrollieren soll.