Kein "Literaturkanal"

Auden James

Erotist
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Aug 13, 2008
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Hallo liebe Mitleser und Mitschreiber!

Im Kommentarbereich zu Jugend Forscht (sic) von KeinSchnitzel stieß ich kürzlich auf ein paar interessante Kommentare. Ich werde diese im folgenden zitieren, weil ich sie – ihre Thesen, ihre Implikationen – bemerkenswert finde.

Anonymus I said:
Wer braucht in einem Pornokanal eine explizierte Handlung? Hier sind Ficken, Blasen, Lecken etc. angesagt. Und auch Rechtschreibung und Grammatik sind doch relativ egal, solange Fehler nicht sinnentstellend sind.
Also so schlecht war's nicht, immer noch zwei Sterne und die Bitte, ruhig weiter zu schreiben, reine Phantasie hat was.

Anonymus II said:
mit Spass gelesen, wer einen Literaturkanal aufmachen möchte ist hier nicht zwingend am richtigen Ort! Bitte mehr ...

Was ist von solchen Kommentaren zu halten?

Zunächst einmal finde ich es schade, daß, wie häufig in solchen Fällen, in denen auf LIT (oder auch anderswo) starke Meinungen vertreten werden, diese gänzlich anonym, d. h. also ohne Nutzernamen, abgegeben werden; so besteht keine Möglichkeit mit denjenigen, die diese Meinungen vertreten, in irgendeinen Dialog zu treten. Ferner wäre interessant zu erfahren, ob diejenigen, die diese Meinungen vertreten, vielleicht auch selber irgend etwas auf LIT veröffentlicht haben, um zu vergleichen, inwiefern sie sich an ihre Meinungen, was ihre eigenen Veröffentlichungen anlangt, gebunden fühlen.

Schließlich jedoch scheinen sie mir symptomatisch für den allgemeinen Niveauverlust auf LIT und im erotisch-pornographischen Bereich generell zu sein. Ich war ja eine Zeitlang nicht mehr auf LIT aktiv, und in der Zwischenzeit wurde auf der Pornovideoplattform xHamster ja bekanntlich der Story-Bereich geschlossen, woraufhin die dortigen Schreiber offenkundig hierher migrierten (und auch weiterhin migrieren, wie es scheint). Nun, die Qualität der dortigen Storys war bekanntlich ziemlich bescheiden: alles mehr oder weniger dilettantisch-einfallslose Wichsvorlagen, die sich direkt an den dortigen kostenlosen Pornovideoschnipseln zu orientieren schienen. Es mag sein, daß, wie in einem anderen Diskussionsstrang angemerkt, im Schlepptau der dortigen Schreiber auch ihre Leser den Weg hierherfanden (und auch weiterhin finden, wie es scheint), aber was bedeutet dies für das dt. LIT?

Nun, daß eben jetzt hier die grottigen Texte veröffentlicht werden, die vorher auf xHamster veröffentlicht wurden!

Ich finde das bedauerlich, denn in der Schwemme an schlechtgeschriebenen Texten, die jetzt von den ehemaligen xHamster-Schreibern auf LIT eingestellt werden (an die hundert jede Woche!), gehen die wenigen nicht ganz einfallslosen Texte auf LIT in der Masse dieser unbekümmert sogar auf Rechtschreibung und Grammatik pfeifenden Beiträge schlechterdings unter!

Und das wird über kurz oder lang sich auch in den Bewertungen niederschlagen, denn wenn nur noch unter Triebstau leidende Einhandleser diese Seite aufrufen, weil zu 99 % nur noch anspruchslose und nur mehr notdürftig lesbare Wichsvorlagen hier veröffentlicht werden, dann wird natürlich alles, was Ambitionen darüber hinaus zeigt, gnadenlos abqualifiziert!

Die Vorboten dieser Entwicklung sind die beiden oben von mir zitierten Kommentare.

Anonymus I fordert unmißverständlich, daß es – abgesehen von „Ficken, Blasen, Lecken etc.“ – in den hier veröffentlichten Texten bitteschön keine anderen Handlungen mehr geben solle. Also nur noch reine Pornotranskripte wären akzeptabel! Nur noch die stupideste Aneinanderreihung und Wiederholung der ewiggleichen physiologischen Vorgänge! Teil A wird in Teil B gesteckt, während Teil C an Teil D grapscht und sw. usf. ad infinitum. Und wer braucht schon Rechtschreibung und Grammatik, wenn doch das Lesen ohnehin nur so flüchtig und oberflächlich wie möglich erfolgt, weil ja währenddessen mehr Blut im Penis als im Hirn steckt?! (Und „reine Phantasie“ hat gar nichts, weil reine Phantasie nämlich nur im Kopf stattfindet; alles, was verschriftlicht wurde, ist aus dem eigenen Kopf heraus zu Papier gebracht, wenngleich es sich im Computerzeitalter dabei um virtuelles Papier handeln mag, und damit eben nicht mehr „reine Phantasie“.)

Anonymus II scheint des Lesens fast gar nicht mehr mächtig zu sein, denn ihm ist offensichtlich nicht einmal der Name der Seite aufgefallen, auf der er meint, einen Kommentar hinterlassen zu müssen, die sich nämlich Literotica nennt, also die Literatur bereits im Namen trägt. Was für eine – höchstwahrscheinlich: unfreiwillige – Ironie! Und eine Seite mit solchem Namen ist also nicht der richtige Ort für einen „Literaturkanal“? Dümmer geht es nimmer …

Es gibt aber auch noch Leser, die mit ihren anonymen Kommentaren Anlaß zu Hoffnung geben, wofür beispielhaft der folgende aus dem gleichen Kommentarbereich wie die beiden vorherigen zitiert sei.

Anonymus III said:
Erwarte hier alles, bloß nicht irgendwas wie Realismus. Der Großteil der Schreiber hier verarbeitet nur das in Schriftform, was ihnen Xhamster, Pornhub und alle anderen der zahlreichen Lieferanten Sexueller Halbwahrheiten serviert haben. Die meisten die hier schreiben haben weder Ahnung von richtiger Sexualität noch haben Sie jemals realen sexuellen Kontakt zu einem anderen menschlichen Wesen gehabt, was in den meisten Fällen wohl auch besser ist!

Die Unzufriedenheit und das Bedauern über den status quo im dt. LIT kommen in diesem Kommentar, wie ich finde, sehr deutlich zum Ausdruck. Offensichtlich wünschte der Anonymus sich, daß man von Texten im dt. LIT so etwas wie „Realismus“ erwarten könnte, und daß dem geneigten Leser eben nicht bloß das schriftlich – ohne Rücksicht auf Rechtschreibung und Grammatik, wie ich ergänzen möchte! – widergekäut würde, was die einschlägigen kostenlosen Pornovideoplattform im Internet an die wichsbereite Masse verschleudern. Ob das, was der Anonymus in einer Art Ad-hominem-Attacke über die „meisten die hier schreiben“ ausführt, der Wahrheit entspricht, sei hier nicht zur Diskussion gestellt, aber der Grund für diese Aussage, nämlich die völlig unglaubhaften, unglaubwürdigen und realitätsfernen Sex-Schilderungen, wie sie vor allem seit der Überschwemmung des dt. LITs mit den Texten der ehemaligen xHamster-Schreiber zur Norm geworden scheinen, findet darin nochmals ihren wütenden Ausdruck!

Muß das so sein? Ist diese Entwicklung unausweichlich?

Ich weiß es nicht. Aber sie scheint mir ein genereller Trend zu sein.

Wenn ich zurückblicke, so scheint die Hochzeit des dt. LIT so in den Jahren 2003-2008 gelegen zu haben, als Autoren wie McFly und chekov das dt. LIT mit ihren einfallsreichen Geschichten prägten. Danach schloß sich eine Übergangsphase an, in der nur die wenigsten Autoren noch die Ambitionen jener beiden zu hegen schienen, aber doch einige Autoren auftraten, die mit ihren Geschichten mehr als nur stupide Pornoaufgüsse bieten wollten, wie z. B. MagnoliaS, Faith, HartMann, Flowergirl27 und viele andere (eine – natürlich! – unvollständige Aufzählung). Und mit dem Überlaufen der ehemaligen xHamster-Autoren scheint nun die letzte Phase eingeläutet, in der sogar die Grundlage des Geschichtenerzählens – die Sprache – nichts mehr zählt und selbst Rechtschreibung und Grammatik niemanden mehr – weder Leser noch Schreiber – einen feuchten Kehricht interessieren! Ein Pornokanal für funktionale Analphabeten! Perfekt!

Interessanterweise, und damit schließe ich diesen Diskussionsbeitrag, sehe ich eine ähnliche Entwicklung in der Pornofilmindustrie. Ich erinnere mich noch daran, daß, als chekov seine Geschichten hier erstmals veröffentlichte, in den Kommentaren Vergleiche zu den Filmen Andrew Blakes gezogen wurden. Würde irgendeiner der heutigen Leser und Schreiber im dt. LIT mit diesem Namen überhaupt noch etwas anfangen können? Hat jemals jemand von ihnen, die ja durch Pornhub & Co. nachgerade sozialisiert worden zu sein scheinen, einen Andrew-Blake-Film gesehen? Ich bezweifle das und vermute, daß sie dafür um so mehr Legalporno-Streifen konsumiert haben …

Ich bin gespannt, was die anderen denken und freue mich auf die Diskussion!

MfG
Auden James
 
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Was soll ich sagen? Alles, was mir von Andrew Blakes Filmen in Erinnerung ist, sind Frauen. Nackte Frauen, angezogene Frauen, halb ausgezogene Frauen. Einzeln, paarweise oder im Haufen. Extrem ästhetische Arrangements von nackter Haut. Eine Stimme, die eine Geschichte erzählt. Handlung? Zero. (Vielleicht habe ich auch nur die falschen von seinen etwa fünfzig Filmen gesehen) ***

Wenn das ein Maßstab für Geschichten auf dieser Site sein soll - wenn es das jemals gewesen wäre - hätte ich wohl damals direkt weitergeblättert.

Allerdings muss ich dir in einer Beziehung recht geben: Was heutzutage hier abgeliefert wird, strotzt (wie z.B. das obige Beispiel) nicht nur von (in memoriam Heli) OGI-Fehlern, sondern ist oft wirklich nur eine Masturbationsphantasie ohne viel Struktur.

Es ist schon lange her, dass ich im deutschen Lit etwas wirklich Ansprechendes gefunden habe. Umgekehrt liegt das aber wohl daran, dass hier die Masse an brauner Materie erdrückend ist und Perlen darin untergehen.

Auch deine Meinung zu den zitierten Kommentaren teile ich voll und ganz. Wobei ich allerdings sehr stark das Gefühl habe, dass der von A I Satire ist. "Schlecht war's nicht zwei Sterne" klingt für mich zu witzig als dass es Zufall wäre. Auch die korrekte Rechtschreibung weist in dieselbe Richtung.

Aber leider kann man bei einer amerikanischen Website, wo sich die deutsche Moderation darauf beschränkt, die Einhaltung der ab-Achtzehn-Regel zu prüfen, nicht viel mehr erwarten.


*** Hab noch mal nachgesehen: Die offensichtlich gefakten Orgasmuslaute hatte ich noch vergessen.
 
Last edited:
Nachtrag: Die guten deutschen Autoren (siehe Kojote) haben ja wohl alle entdeckt, dass sich auf dem Weg des Self Publishing mit wenig Aufwand Geld aus ihrem Talent schlagen lässt.
 
Ich habe heute auf diesen Kommentar geantwortet („Monika 05“ von HarryLove):

„Ich teile die Meinung von AlfredQuak. Zu den beiden anderen Meinungen, ja es ist nicht alles der deutschen Rechtschreibung konform aber Harry will sicher keinen Literaturpreis oder gar eine Professur für Gramatik bekommen. Mir gefallen seine Geschcihten. Ach ja, wenn auch in meinem Text Fehler sind, damit kann ich Leben.“

Offenbar wird hier die Einhaltung von Rechtschreib- und Grammatikregeln mit dem Gewinn eines Literaturpreises gleichgesetzt. Der Kommentar zeigt sehr gut, wie anspruchslos viele Leser sind und dass sie einen weitestgehend fehlerfreien Text nicht zu schätzen wissen.

Hierzu passt auch mein Kommentar zu „Ehefrau wird in Sex Shop verführt“ von magnum1970.
Im Text sind gravierende Unstimmigkeiten enthalten, missverständliche Formulierungen und katastrophale Rechtschreibfehler (viel statt fiel). Da diese Geschichte zu der Zeit mit 4,60 bewertet war, muss ich davon ausgehen, dass sich kaum ein Leser an der mangelhaften Ausarbeitung im Text gestört hat. Das war zwar alles in sich nicht logisch, aber es wurde geil gevögelt und das muss reichen.

Ich frage mich immer wieder, ob Literotica ein Spiegelbild unserer Gesellschaft ist. Gehen die Rechtschreibkenntnisse wegen WhatsApp etc vor die Hunde, wo alles klein geschrieben wird und kein Komma mehr vorkommt? Werden die Anforderungen in den Schulen immer niedriger? Ich gehe davon aus, dass sich auf Literotica nicht nur Analphabeten und Rechtschreibleugner herumtreiben, insgesamt scheint es in der Gesellschaft mit der deutschen Sprache nicht mehr rosig auszusehen.

Was die xHamster-Überläufer angeht, so möchte ich das Urteil nicht bestätigen. Natürlich liefern manche dieser Autoren keine berauschenden Texte ab, das tun Schreibneulinge, die zum ersten Mal veröffentlichen, aber auch nicht. Es sei auch angemerkt, dass Autoren wie AldebaranKastor und MasterofR1 extrem gut ankommen und, soweit ich beim Überfliegen feststellen konnte, ihre Texte recht ordentlich präsentieren.

Wenn euch tiefgründige und außergewöhnliche Geschichten auf dieser Plattform fehlen, dann sei dran erinnert, dass hier viele Autoren erste Schritte in die Welt der erotischen Literatur wagen. Kann man von denen erwarten, dass sie tiefgründige und facettenreiche Geschichten abliefern? Ich denke, dafür braucht es viel Erfahrung, und lieber in kleinen Schritten abliefern, statt sich zu viel vorzunehmen.

Ich nehme an, dass euch beiden meine Geschichten nicht tiefgründig und besonders genug sind. Meiner Meinung nach liefere ich erotische Kurzgeschichten ab, bei denen dem Sex schon ein gewisser Rahmen eingeräumt wird. Ich bemühe mich stets, eine plausible und logische Handlungsabfolge zu skizzieren, aber als tiefgründig würde ich meine Texte in der Regel nicht einschätzen. Das ist aber auch kein Problem, denn die Leser werden inzwischen wissen, was ich zu bieten habe und was nicht.

Im Gegensatz zu vielen anderen Autoren lege ich aber großen Wert auf eine einigermaßen vorzeigbare Rechtschreibung und Grammatik. Auch in Sachen Zeichensetzung habe ich mich gegenüber früheren Jahren verbessert. Zeichensetzung, das sieht man in fast allen Geschichten, scheint aber vielen Autoren Probleme zu bereiten, ist offenbar nichts, was einem in die Wiege gelegt wurde. Wenn ich auf meine eigene „Karriere“ zurückblicke, muss ich feststellen, dass ich mir mit meinen ersten Texten nicht genug Mühe gegeben habe, Fehler um jedem Preis zu vermeiden. Hier galt das Motto „Wenn ich nicht weiß, wie es geschrieben wird, dann wissen es die meisten Leser auch nicht“. Das wird sogar stimmen, aber im Nachhinein finde ich diese Haltung nicht OK. Deshalb ist es auch so wichtig, Autoren mit Schwächen beim Schreiben immer wieder auf diese hinzuweisen und eben nicht stets zu erklären, dass man geil abspritzen konnte und die Fehler im Text scheissegal wären.

In dem Zusammenhang bringe ich gerne den Vergleich zum Pornofilm. Möchten die Leser ihre geilen Filme in Schwarzweiß anschauen, mit Bildrucklern konfrontiert werden, Tonaussetzer über sich ergehen lassen? Natürlich wollen sie so eine Qualität nicht haben, umso erstaunlicher ist es, dass sie bei Pornos in schriftlicher Form bereit sind, Abstriche zu akzeptieren.

Ich vermute, dass sich viele Leser mit Autoren identifizieren und sich mit ihnen verbunden fühlen.
"Der Autor hat ebenso keine Ahnung von Rechtschreibung wie ich als Leser, also mag ich ihn. Und diese Rechtschreibnazis, die jedes fehlende Komma kritisieren, sind doch abgehoben und fehl am Platz auf unserer schönen Wichsplattform."

Noch ein Wort zu frühere Autoren, die immer wieder genannt werden. Hier auf dieser Plattform herrscht ein Kommen und Gehen. Nur wenige Autoren halten Literotica über viele Jahre hinweg die Treue. Manche lassen sich durch zu direkte Kritik vergraulen, andere verlässt die Lust, sich mit Downvoting und anonymen Arschlöchern in ihren Kommentarbereichen auseinanderzusetzen. Dafür kommen aber immer wieder Autoren nach, die dann sogleich Anklang finden und sich zu Lieblingen der Leser entwickeln. Ob diese neuen Autoren die Qualität früherer Schreiberlinge erreichen, vermag ich nicht zu beurteilen, dafür lese ich zu wenig auf dieser Plattform.

swriter
 
@ PhiroEpsilon

Vielen Dank zunächst einmal für Deine Antwort(en)! Auf ein paar Sachen werde ich im folgenden eingehen.

Alles, was mir von Andrew Blakes Filmen in Erinnerung ist, sind Frauen. Nackte Frauen [...]. Extrem ästhetische Arrangements [Hervorh. AJ] von nackter Haut.
Natürlich, die Frau ist das überwältigende Thema seiner Filme. Wie sollte das bei einem heterosexuellen Pornographen anders sein? Und Du hast das Entscheidende, den eigentlichen Grund, warum ich überhaupt auf seine Filme zu sprechen kam, schon selbst angesprochen: die Bedeutung der Ästhetik in den Filmen Andrew Blakes! Es ist nämlich so, daß die – vor allem auch die von xHamster hierher übergelaufenen – Schreiber im dt. LIT heutzutage für Ästhetik sich nicht die Bohne interessieren. (Ich zweifle sogar, ob die meisten von ihnen überhaupt etwas mit dem Begriff „Ästhetik“ anzufangen wüßten bzw. sie überhaupt einen Sinn für Ästhetik aufweisen.)

Das Äquivalent dessen, was Du „[e]xtrem ästhetische Arrangements“ in Andrew Blakes Filmen nennst, ist im Fall von erotischer Literatur – also dem, was hier auf LIT (immer noch) veröffentlicht wird (im rein kategorialen, nicht wertenden Sinne) – der Stil. Und Stil scheint für die allermeisten Schreiber hier mittlerweile gleichfalls ein Fremdwort zu sein. Wohingegen dies – und das ist mein Punkt! – früher, in der von mir oben eingegrenzten Zeitspanne, hier nicht der Fall war. Tatsächlich wurde chekov von den Lesern explizit für seinen großartigen Schreibstil gelobt! Und nicht, weil er ihnen einen Ständer verschaffte oder sie von ihren dicken Eiern erlöste (vgl. dazu folgender anonymer Kommentar vom 20. April 2021 zu Das Geständnis Teil 02: „Das ist eine super geile Geschichte, mein schwanz [sic] wurde hart“)!

Und Kommentare wie damals, die einen Text durch seine literarischen Qualitäten ausgezeichnet sehen, finde ich hier heute so gut wie gar nicht mehr!

Eine Stimme, die eine Geschichte erzählt. Handlung? Zero. Wenn das ein Maßstab für Geschichten auf dieser Site sein soll - wenn es das jemals gewesen wäre - hätte ich wohl damals direkt weitergeblättert.
Die Filme Andrew Blakes sind Filme, und Film ist ein anderes Medium als das geschriebene Wort (Literatur). Entsprechend sind filmische Eigenschaften nicht eins zu eins auf die Literatur übertragbar. Aber selbst in Andrew Blakes Filmen findest Du in der Regel eine Handlung, wenngleich diese reichlich abstrakt (und ggf. symbolisch) ist. Tatsächlich aber ist mir niemand bekannt, der im dt. LIT etwas im engeren Sinne Vergleichbares – also eine erotische Erzählung auf fast ausschließlich abstrakt-symbolischer Ebene – einmal versucht hätte. (Im englischen LIT fällt mir da schon etwas ein, z. B. Will von BlackShanglan.) Aber nur weil es bislang niemand versuchte, folgt ja nicht daraus, daß es zwangsläufig schlecht sein müßte!

Und im übrigen waren Andrew Blakes Filme – mit ihrem Schwerpunkt auf der Ästhetik – hier einmal ein „Maßstab für Geschichten“, nämlich für chekov und seine Leser in der Glanzzeit des dt. LIT!

*** Hab noch mal nachgesehen: Die offensichtlich gefakten Orgasmuslaute [in Andrew Blakes Filmen, Anm. AJ] hatte ich noch vergessen.
Dann mußt Du wirklich die falschen Filme von ihm gesehen haben, denn in der Regel (ich habe nun auch nicht alle von ihm gesehen) gibt es bei ihm gar keine „Orgasmuslaute“ – ob nun fake oder nicht –, sondern nur die jazzinspirierte Musik von Hauskomponist Raoul Valve.

Aber leider kann man bei einer amerikanischen Website, wo sich die deutsche Moderation darauf beschränkt, die Einhaltung der ab-Achtzehn-Regel zu prüfen, nicht viel mehr erwarten.
Das klingt für mich nach Resignation. Das war es also? Mehr geht nicht?

Nachtrag: Die guten deutschen Autoren (siehe Kojote) haben ja wohl alle entdeckt, dass sich auf dem Weg des Self Publishing mit wenig Aufwand Geld aus ihrem Talent schlagen lässt.
Nun will ich hier keine Diskussion starten, wer die wirklich „guten“ deutschen Autoren seien (Kojote würden ich und sicher auch ein paar andere, deren literarisches Urteilsvermögen außer Frage steht, jedenfalls ganz sicher nicht dazuzählen), aber willst Du allen Ernstes behaupten, daß alle diejenigen, die früher ihre – Deiner Meinung nach! – lesenswerten Geschichten hier veröffentlichten, das jetzt bei Amazon & Co. im Self Publishing machen? Wenn ja, dann müßtest Du doch eigentlich ohne weiteres in Deinem nächsten Beitrag eine Liste mit entsprechenden Links vorlegen können, oder?

Im übrigen möchte ich nochmals betonen, daß parallel zu LIT auch in der regulären Pornofilmindustrie, wie ich finde, ein fortschreitender Qualitätsverlust feststellbar ist, denn während Andrew Blake in den 90ern noch ein halbwegs großer Name war, ist er heute so gut wie bedeutungslos und wirkt wie ein Relikt aus untergegangenen Zeiten. Und Ästhetik (wie auch alles andere) spielt für die angesagten Pornos von heute – wie z. B. denen von Legalporno – überhaupt keine Rolle mehr!

MfG
Auden James
 
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@ swriter

Der Kommentar zeigt sehr gut, wie anspruchslos viele Leser sind und dass sie einen weitestgehend fehlerfreien Text nicht zu schätzen wissen.
Aber genau das war ja hier nicht schon immer so! Natürlich gab es auch hier schon immer Einhandleser, aber früher wurde in den Kommentaren regelmäßig gegen deren Einlassungen Position bezogen; niemand nahm ihre Lobhudeleien ernst. Heute hingegen scheint es hier kaum mehr irgend etwas anderes als Kommentare von Einhandlesern zu geben!

Da diese Geschichte zu der Zeit mit 4,60 bewertet war, muss ich davon ausgehen, dass sich kaum ein Leser an der mangelhaften Ausarbeitung im Text gestört hat.
Und das ist eine weitere unergründliche Frage für mich: Was schätzen die ehemaligen xHamster-Leser (und auch die sonstigen Einhandleser) eigentlich an den Machwerken, die sie hier so hoch bewerten? Ich meine, ist z. B. die Mißachtung der Rechtschreibung und Grammatik für diese Leser eine Art Qualitätsmerkmal? Und trotzdem erreichen ja nicht alle dieser – sprachlich-stilistisch jedenfalls – letztlich gleich schlechten Machwerke den Hot-Status. Irgendeine Unterscheidung anhand irgendwelcher Kriterien scheinen also auch diese Leser vorzunehmen. Nur welche? Hat irgendwer eine Antwort darauf?

Ich frage mich immer wieder, ob Literotica ein Spiegelbild unserer Gesellschaft ist. Gehen die Rechtschreibkenntnisse wegen WhatsApp etc vor die Hunde, wo alles klein geschrieben wird und kein Komma mehr vorkommt? Werden die Anforderungen in den Schulen immer niedriger? [...] nsgesamt scheint es in der Gesellschaft mit der deutschen Sprache nicht mehr rosig auszusehen.

Das ist auch mein Eindruck. Ich hatte vor einiger Zeit in einem anderen Diskussionsstrang einmal eine Statistik angeführt, die zeigte, wie extrem die reine Lesezeit – egal, was gelesen wurde (Zeitung, Illustrierte, Roman etc.) – in den letzten Jahrzehnten in diesem Land zurückgegangen ist. Das Ergebnis war erschreckend! Insofern dürfen wir uns vielleicht gar nicht wundern, daß hier fast niemand mehr auch nur die grundlegendsten literarischen Ansprüche (also z. B. an die Wahrung von Rechtschreibung und Grammatik) stellt, da ja fast niemand mehr mit Literatur oder überhaupt schriftlichen Erzeugnissen vertraut ist!

Es sei auch angemerkt, dass Autoren wie AldebaranKastor und MasterofR1 extrem gut ankommen und, soweit ich beim Überfliegen feststellen konnte, ihre Texte recht ordentlich präsentieren.
Es kommen aber eben auch reihenweise Schreiber „extrem gut“ an, die ihre Texte, wie schon das bloße Überfliegen zeigt, nicht im mindesten „ordentlich“ präsentieren! (Siehe z. B. KeinSchnitzel, der Autor von Jugend Forscht [sic] aus meinem Eingangsbeitrag, dessen andere vier Beiträge allesamt Hot-Status genießen.)

Ob diese neuen Autoren die Qualität früherer Schreiberlinge erreichen, vermag ich nicht zu beurteilen, dafür lese ich zu wenig auf dieser Plattform.
Das kann ich Dir angesichts der „neuen Autoren“ auch nicht verdenken! Aber was die alten Autoren anlangt, die ich z. B. in meinem Eingangsbeitrag verlinkte, so tust Du Dir keinen Gefallen damit, wenn Du ihre Texte ignorierst!

MfG
Auden James
 
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Die Situation in Literotica erinnert mich an einige Usenet-Gruppen vor etwa 20 Jahren.
Auch da bemühten ich einige Leute um erotische Geschichten, der Begriff Sex wurde gezielt vermieden. Doch je mehr Leute das Internet entdeckten, umso grösser wurde der Anteil derjenigen, die in diesen Gruppen Verbalpornos verbreiteten und suchten.
Schon damals galt mein Motto "Erotik beginnt im Kopf, sofern dort keine Leere herrscht". Und schon damals hatte ich den Eindruck, dass bei gewissen Leuten manchmal nicht nur alles Blut, sondern auch alle Hirnsubstanz ins Gemächt sackt.

Was die Situation damals beendete war die Tatsache, dass das Usenet immer mehr von Web-Foren (wie dieses hier) ersetzt wurde.
Auch jetzt gibt es andere Foren, wo andere Diskussionsformen und -kulturen herrschen, aber bisher habe ich nichts gefunden, das mir wirklich zusagt.

Anonyme Kommentare sind praktisch, wenn man schnell mal ohne mühsames Login (und Fütterung fragwürdiger Datensammlungen) eine kurze (positive oder negative) Kritik schreiben will, ich habe am Schluss dieser Kommentare trotzdem immer meinen Namen (Bobby) ergänzt.

Seit Jahren schlage ich dem Literotica-Team immer wieder vor, dass auch Kommentare mit Sternen bewertet werden sollten, so kann man sich ein Bild machen, was von der Mehrheit der Leser(innen) hier als relevant empfunden wird.
Auch jetzt wäre es interessant zu sehen, ob die "kein Literaturkanal"-Kommentare auf Ablehnung oder Zustimmung stossen.
 
also,

"Literatur" bei Literotica halte ich für einen etwas überzogenen, übertriebenen Begriff. Sicher, es gibt schöne Kurzgeschichten, auch längere/Serien, die sich, gut und guter lesen lassen, auch erotisch sind. Wir können eine solchen anspruch einfordern, einschließlich gute schreibe, stil, berücksichtigung von OGI.
das anfangs angeführte beispiel verführte mich zum abbruch des lesens nach wenigen absätzen; ich bin auch nicht bereit, diesen text quasi als diskussionsobjekt weiter zu lesen und zu kommentieren.

Literotica hat m.E. nicht den anspruch, literarisch wertvolles zu liefern, es sind, gem. intro der engl.sprachigen seite: sex stories ; hottest in erotic fiction and fantasy; adult fantasies. qualität ist erlaubt (Literotica accepts quality erotic story) und es gibt wettbewerbe (nicht im dt.bereich)
damit lässt sich leben, weil wir es hier keinen einfluss haben.
bei hunderttausend schreiberlingen (m/w/d) gibt es eben alle facetten....

"Lit"eratur und "Erotica" sind zwei schöne Vokabeln für diese webs(e)ite. als köder. es kann ja mal jmd. untersuchen, wie die finanz.bilanz dieser seite (immerhin hat sie werbung) aussiehet.

bewertungen /ranking sind für mich kein kriterium.
texte von autoren, die ich kenne, lese ich - na,was schreibt XYZ diesmal?
ich schaue auf die titel -machen sie neugierig?- und wenn mich nicht die ersten sätze oder noch absätze packen, lass ichs sein.
und ich hoffe auf ein richtige einsortieren der autor:innen ihrer texte in die entspr. category.
manchmal lese ich dennoch das "teufelszeug" und beömmele mich über die OGI-fehler.
aber das bleibt unter uns, ja?
 
Schwieriges Thema

Hallo,

Bei der These, dass die Qualität der Texte und der Anspruch der Leser sinkt, erinnere ich mich an Diskussionen auf Sevac aus den mittleren bis späten 2000ern. Bereits damals sahen einige das Ende der „guten“ Geschichten heraufziehen. Salopp gesagt besteht der „Schund“ von damals aus den Klassikern von heute.

Bereits Sokrates (470-399 v. Chr.) soll gesagt haben:
„Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“

Ich stelle fest: „Bei der Entwicklung der Menschheit scheint es stetes Bergab zu gehen.“

Die Musikgeschichte hätte mit Mozart und Beethoven aufhören können. Die Pop-Musik des 20. Jahrhunderts ist bei weitem nicht so komplex und vielschichtig, erreicht aber eine nie dagewesene Breitenwirkung. Klassik wird kaum noch gehört, aber für die oberflächlichsten Ballermann-Hits fliegen Pauschaltouristen extra auf eine Insel und opfern ihren Jahresurlaub. (Die Corona bedingte Zwangspause lasse ich hier mal außer Acht, danach wird das alles umso niveauloser nachgeholt)

Ich weiß nicht, ob es der Pornoindustrie weitergeholfen hätte, wenn Andrew Blake das Maß aller Dinge gewesen oder geblieben wäre. Ich glaube, er hatte auch zu seiner Zeit glühende Anhänger, der eine breite Masse gegenüberstand, die damit nichts anfangen konnte.
Ähnlich ist es heute mit den Filmen von Karbo Lab, die haben auch ihre Ästhetik sind aber thematisch sehr eingeschränkt und haben wohl auch nicht die breite Masse erreicht.

Wenn man die Menschen fragt, wollen alle tolle Musik, gute Filme und anspruchsvolle Literatur, genauso wie sie Bio-Obst und Fleisch von glücklichen Tieren wollen.
Als Konsumenten, hören sie dann irgendwas, sind mit jeder Art von bewegten Bildern zufrieden, lesen bevorzugt einfache Texte (oder lassen sie sich vorlesen) und schauen bei den Lebensmitteln vor allem auf den Preis.

Und dann gibt es die Klarinettistin, die täglich acht Stunden übt, nur um ihr Niveau zu halten, weil sie bei den Wiener Philharmonikern spielt und ein klassisches Konzert eben doch noch den großen Saal füllt.
Musiker, die ihr ganzes Leben üben, üben, üben, bis jeder Ton sitzt, müssen im Strahl kotzen, im Anbetracht des weltweiten Erfolgs, den Nirvana mit seinem disharmonischen Krawall eingefahren hat. (aber mir hats gefallen)

Mir fällt gerade ein Spruch ein, bei dem ich nicht weiß, von wem er stammt: „Man muss auch mal ein schlechtes Buch lesen, um ein gutes Buchen schätzen zu können.“

Ich kann zu diesem Themenkomplex keinen finalen Standpunkt einnehmen, dafür ist das alles zu subjektiv: Glückliche Kritiker füllen keine Kassen und wenn man Erfolg oder Qualität nicht am kommerziellen Erfolg (oder der Anzahl der Klicks) messen darf oder will, wird es verdammt schwer eine allgemeingültige Messlatte zu finden.

Als ich vor unglaublich langer Zeit im Internet auf „erotische“ Texte gestoßen bin, war die Begeisterung riesig, weil ich da auf einmal Sachen lesen konnte, die mir die Schamesröte ins Gesicht getrieben haben. (Von gestramten Videos konnte man mit einem 56k Modem nur Träumen)
Mit der anfänglichen Begeisterung, dass es „solche“ Geschichten gibt, war mir die schriftstellerische Qualität vollkommen egal, zumal ich damals keine Ahnung hatte. So lange ich dem Inhalt folgen konnte und sexuelle Handlungen vorkamen, war der Trigger gesetzt.

Zuerst wurde ich wählerischer im Bezug auf die Themenschwerpunkte, dann war nicht mehr alles „geil“. Und als ich selbst anfing zu schreiben und einen ersten Eindruck von den Basics des Schreibens entwickelte, verloren nahezu alle „erotischen“ Texte ihren Reiz.

Seitdem bin ich auf der Suche nach Texten, die auf mich diese vorbehaltlose Faszination von „früher“ ausüben und es wird immer seltener, dass diese Nerven noch gekitzelt werden, weil ich auf die Wortwahl, den Satzbau, den Spannungsbogen, die Kohärenz und unzählige andere Details achte. Die sexuellen Handlungen sind nebensächlich, weil immer gleich. Die meisten Geschichten mache ich nach dem ersten Absatz zu. Alles Mist heutzutage für alte Hasen!

Gut das es unbefangene Nachwuchsleser gibt, die noch so einfach zu begeistern sind, sonst wüsste ich nicht, wie das hier weitergehen soll. :D

lg
_Faith_
 
@ Bobby_65

Hallo Bobby,

vielen Dank auch Dir zunächst einmal für Deinen Beitrag! Ein, zwei Anmerkungen von mir an dieser Stelle folgen.

Die Situation in Literotica erinnert mich an einige Usenet-Gruppen vor etwa 20 Jahren. Auch da bemühten ich einige Leute um erotische Geschichten, der Begriff Sex wurde gezielt vermieden. Doch je mehr Leute das Internet entdeckten, umso grösser wurde der Anteil derjenigen, die in diesen Gruppen Verbalpornos verbreiteten und suchten.
Ja ja, das gute alte usenet. Ich sehe, Du bist also auch schon eine ganze Weile mit von der Partie! Der Unterschied aber, den ich sehe, ist der, daß die Zugriffszahlen – insbesondere im dt. LIT – nicht zunehmen, sondern tendentiell sogar eher wieder abnehmen!

Wenn ich mir beispielsweise anschaue, wie viele Aufrufe der meistgelesene Beitrag im dt. LIT der letzten 12 Monate aufweist, Der Ausnahmezustand von Geistermann (Bewertung: 4,68), nämlich: 125819, so sind das lediglich 10970 mehr Aufrufe als mein Beitrag aus derselben Sparte (Inzest/Tabus), Mississippi-Girl und der Prügelklan, der nach seiner Veröffentlichung vor acht Jahren es in keine Topliste von irgendwas schaffte und auch nicht sonderlich populär war (das systematische Abwerten dieses Beitrags von mir war im übrigen der Auslöser, weshalb ich weiland die Bewertungsfunktion für alle meine Beiträge abstellen mußte; deshalb kann ich dazu auch keine vergleichende Aussage machen), während er heute mit seinen Zugriffszahlen von damals der zweitmeistgelesene Beitrag des letzten Jahres wäre!

Mein Eindruck ist daher der, daß das LIT-Publikum insgesamt massiv geschrumpft ist und der Teil der Leserschaft, der so wie Du (und ich und sicher auch einige andere) die Ansicht teilt, daß das Gehirn das größte Sexualorgan des Menschen ist, inzwischen quasi ausgestorben ist. Ich meine, ich bin schwerlich der Maßstab, weil ich an erotisch-pornographische Literatur (ich bevorzuge ja bekanntermaßen den Ausdruck „Erotika“) schon immer dieselben Maßstäbe anlege wie an jede andere „seriöse“ Literatur auch, aber trotzdem gab es früher auch immer noch andere Stimmen, die durchaus literarische Ansprüche an das Textangebot hier (und auf ähnlichen Seiten) stellten. Diese Stimmen, scheint mir, sind mittlerweile gänzlich verstummt! Und ich komme mir bald vor wie ein einsamer Rufer in der Wüste … Deshalb finde ich es um so toller, daß sich mit Dir auch mal wieder eine andere Stimme meldet. Danke!

Auch jetzt gibt es andere Foren, wo andere Diskussionsformen und -kulturen herrschen, aber bisher habe ich nichts gefunden, das mir wirklich zusagt.
Denkst Du, daß es irgendeinen Sinn ergäbe, in der Richtung selbst irgend etwas Alternatives aufziehen zu wollen?

MfG
Auden James
 
Last edited:
@ Faith

Hallo Faith,

schön, daß auch Du den Weg ins Forum gefunden hast! Einige Anmerkungen von mir an dieser Stelle folgen.

Bei der These, dass die Qualität der Texte und der Anspruch der Leser sinkt, erinnere ich mich an Diskussionen auf Sevac aus den mittleren bis späten 2000ern. Bereits damals sahen einige das Ende der „guten“ Geschichten heraufziehen.
Bemerkenswert, was Du da schreibst! Damit schließt die Zeitspanne, in der auch auf Sevac erstmals ein Absinken des Niveaus bemerkt wurde, fast exakt an diejenige an, die ich in meinem Eingangsbeitrag als „Hochzeit“ des dt. LITs bezeichnete (2003-2008). Man könnte fast meinen, daß hier also eine allgemeine Entwicklung vorliegt, die nicht nur auf Sevac oder das dt. LIT beschränkt ist, sondern den ganzen erotisch-pornographischen Bereich umfaßt. Und genau diese Intuition sprach ich auch in meinem Eingangsbeitrag an, als ich auf ähnliche Entwicklungen in der Pornofilmindustrie aufmerksam machte!

Die Musikgeschichte hätte mit Mozart und Beethoven aufhören können.
Wieso das? Was ist mit Schubert, Wagner, Brahms, Tschaikowski, Dvořák, Mahler, Berg, Prokofjew, Schostakowitsch, Messiaen, Górecki, Pärt …?

Die Pop-Musik des 20. Jahrhunderts ist bei weitem nicht so komplex und vielschichtig, erreicht aber eine nie dagewesene Breitenwirkung.
Den ersten Satz kann man, finde ich, nur vertreten, wenn man unter „Pop-Musik“ in der Tat nur die Musik versteht, die eine „nie dagewesene Breitenwirkung“ erreichte, sprich: die meistverkauften Singles und Alben des 20. Jahrhunderts. Sobald man von dieser Definition abweicht, um bspw. allgemeiner (oder spezieller?) von „Rock Music“ zu reden, dann ist jener Satz nicht länger haltbar.

Als Bands bzw. Solomusiker seien zur Veranschaulichung der Komplexität und Vielschichtigkeit allein der Frühphase des Rock genannt: The Velvet Underground, Frank Zappa, Captain Beefheart and his Magic Band, Pink Floyd, Doors, Bob Dylan, Jefferson Airplane, Red Crayola, Jimi Hendrix, King Crimson …

Höre Dir beispielsweise mal wieder Trout Mask Replica von Captain Beefheart and his Magic Band an und sage dann noch einmal, daß es sich hierbei nicht um komplexe und vielschichtige Musik handle (Stichworte: Polytonalität, Polyrhythmik)! Ich weiß, das ist ein extremes Beispiel, aber Deine Behauptung zur populären Musik des 20. Jahrhunderts ist nicht weniger extrem, finde ich …

Klassik wird kaum noch gehört, aber für die oberflächlichsten Ballermann-Hits fliegen Pauschaltouristen extra auf eine Insel und opfern ihren Jahresurlaub.
Und ist das kein Zeichen eines Absinkens des kulturellen Niveaus?

Wenn man die Menschen fragt, wollen alle tolle Musik, gute Filme und anspruchsvolle Literatur, genauso wie sie Bio-Obst und Fleisch von glücklichen Tieren wollen.
Das ist natürlich letztlich eine empirische Frage, die Du hier meinst aus dem armchair, wie die Angelsachsen sagen, beantworten zu können, aber ich würde bezweifeln, daß die Leute auf der Straße auf Deine Frage ernsthaft antworten würden, daß sie „anspruchsvolle“ (!) Literatur lesen wollen. Ich vermute, sie würden vielmehr „spannende“, „aktuelle“ oder „engagierte“ (sagt man das heute noch?) Literatur einfordern. Und die Gleichsetzung von anspruchsvoller Literatur mit einem ökonomischen Produktsiegel wie dem „EU-BIO-Logo“ halte ich für, vorsichtig formuliert, gewagt …

Und dann gibt es die Klarinettistin, die täglich acht Stunden übt, nur um ihr Niveau zu halten, weil sie bei den Wiener Philharmonikern spielt und ein klassisches Konzert eben doch noch den großen Saal füllt.
Jetzt nicht mehr. Ist ja, habe ich mir sagen lassen, in deutschen Landen nicht „systemrelevant“.

Mir fällt gerade ein Spruch ein, bei dem ich nicht weiß, von wem er stammt: „Man muss auch mal ein schlechtes Buch lesen, um ein gutes Buchen schätzen zu können.“
Diesen Ausspruch finde nicht sonderlich überzeugend. Ich schätze ein gutes Buch, weil es ein gutes Buch ist (um seiner ästhetischen Erfahrung willen), dazu muß ich weder vorher noch nachher ein schlechtes Buch gelesen haben. Umgekehrt, finde ich, wird viel eher ein Schuh draus: Nach einem wirklich guten Buch wird einem erst klar, wie schlecht die meisten anderen Bücher sind!

Glückliche Kritiker füllen keine Kassen und wenn man Erfolg oder Qualität nicht am kommerziellen Erfolg (oder der Anzahl der Klicks) messen darf oder will, wird es verdammt schwer eine allgemeingültige Messlatte zu finden.
Darum geht es mir hier auch gar nicht. Es geht mir um die Entwicklung, die ich meine zu erkennen, daß insbesondere seit dem Überlaufen der Ex-xHamster-Schreiber auf diese Plattform das Niveau noch einmal erheblich abgesackt ist; ein Niveauverlust, der mir allerdings, und das ist der größere Bogen, den diese Diskussion spannt, schon länger im Gange und nicht allein auf diese Plattform für erotisch-pornographische Literatur beschränkt, sondern Teil eines allgemeineren Phänomens zu sein scheint.

Und falls diese Beobachtungen intersubjektiv bestätigt werden können, so stellen sich doch viele interessante Fragen, wie ich finde, nach dem Wieso, Weshalb und Warum, oder nicht?

Und als ich selbst anfing zu schreiben und einen ersten Eindruck von den Basics des Schreibens entwickelte, verloren nahezu alle „erotischen“ Texte ihren Reiz.
Das ist ein weiterer wichtiger Aspekt, den Du hier ansprichst. Mir geht es nicht nur um die Schreiber, deren Texte immer anspruchsloser und tatsächlich bald unleserlich werden (die Mißachtung von Rechtschreibung und Grammatik scheint langsam, aber sicher zum guten Ton zu avancieren), sondern auch um die Leser, die in der Zahl weniger und im übrigen immer anspruchsloser zu werden scheinen.

Du wiederum scheinst als Leser und Autor exakt die gegenteilige Entwicklung genommen zu haben, so daß die einstmals so reizvollen Texte von früher für Dich nun gänzlich ihren Reiz verloren haben!

Die sexuellen Handlungen sind nebensächlich, weil immer gleich.
Exakt. Das, was sie unterscheidet und überhaupt an ihnen von Interesse ist, ist der Stil, den der Autor zu ihrer Schilderung wählt!

Alles Mist heutzutage für alte Hasen!
Damit bestätigst Du also am Ende doch eindeutig meine Diagnose?

MfG
Auden James
 
Last edited:
Denkst Du, daß es irgendeinen Sinn ergäbe, in der Richtung selbst irgend etwas Alternatives aufziehen zu wollen?

Ich lese gerne, nicht nur aber auch erotische Literatur.
Einige Geschichten habe ich geschrieben, aber nicht veröffentlicht, obwohl sie das Niveau vieler hier publizierter Geschichten übertroffen hätten, aber nicht an die Geschichten herankommen, die ich als gut oder sehr gut taxiere.

Von den xHamster-Geschichten habe ich viel gelernt, gerade weil ich anfänglich viel dort gelesen habe.
Doch deren Problem war die fehlende Redaktion. Anfänglich gab es viele Probleme mit geklauten Geschichten. Reagiert hat xHamster nur, wenn man dies in englischer Sprache mit allen Links gemeldet hat, da offensichtlich deutsche Geschichten nicht oder nur über ein Übersetzungsprogramm gelesen wurden.
Dann kamen die Leute, die diese Schwachstelle gezielt ausgenutzt haben: Es wurden sehr viele Geschichten mit hier verbotenem Inhalt publiziert: detaillierte Schilderungen von Vergewaltigungen, Sex mit Kleinkindern, Sex mit Tieren, etc.
Anfänglich meldete ich solche Geschichten, weil sie mich störten. Doch mit der Zeit fühlte ich mich zum Blockwart genötigt, machte Arbeit, die der Webseitenbetreiber eigentlich selbst tun sollte, und zog mich zurück.

Ich könnte mir gut vorstellen, dass dies zum Ende der xHamster-Geschichten geführt hat und teilweise lange Wartezeiten bei der Einreichung von Literotica-Geschichten daran liegen, dass viele Geschichten nun hier eingereicht werden und hier (im Gegensatz zu xHamster) auch gesichtet und gefiltert werden.

Lange Schreibe kurzer Sinn: Ja, es würde mich schon reizen, etwas Anderes selbst aufzuziehen, doch ich habe einen sehr grossen Respekt vor der vielen Arbeit, die daraus entsteht (und von vielen Leuten unterschätzt wird).

Zudem bin ich mir unschlüssig: Was kostenlos ist, wird von vielen als wertlos angeschaut und respektlos konsumiert. Doch eine Bezahlschranke schreckt gerade im erotischen Kontext viele Leute ab, weil Abzocke und Datenmissbrauch heute leider normal sind.
Ein kleiner Obolus (5 oder 10 Cent pro gelesene Geschichte) könnte hingegen die Autoren motivieren und so für mehr Qualität sorgen. Die ersten 30 Zeilen könnten kostenlos für die Leser sein; um die ganze Geschichte zu lesen, müssten 10 oder 20 Cent bezahlt werden (ähnliche Systeme gibt es in anderen Bereichen).

Abschliessend noch eine ehemalige Signatur aus dem Usenet:
Die Deutsche Rechtschreibung ist Freeware, du darfst sie kostenlos nutzen.
Allerdings ist sie nicht Open Source, d.h. du sollst sie nicht verändern oder in veränderter Form veröffentlichen.
(Verfasser unbekannt)
 
@ Bobby_65

Einige Geschichten habe ich geschrieben, aber nicht veröffentlicht, obwohl sie das Niveau vieler hier publizierter Geschichten übertroffen hätten, aber nicht an die Geschichten herankommen, die ich als gut oder sehr gut taxiere.
Da würde mich ja nun brennend interessieren, welche Geschichten das sind, die du als „gut oder sehr gut“ taxieren würdest? Ich für meinen Teil bin nämlich ständig auf der Suche nach gutem Lesestoff, insbesondere auf dem Feld der erotischen Literatur.

Lange Schreibe kurzer Sinn: Ja, es würde mich schon reizen, etwas Anderes selbst aufzuziehen, doch ich habe einen sehr grossen Respekt vor der vielen Arbeit, die daraus entsteht (und von vielen Leuten unterschätzt wird).
In der Tat, der Aufwand hätte es schon in sich. Und wenn ich mir dann vorstelle, daß man u. U. am Ende doch keine oder kaum Leser erreicht, weil, wie ich befürchte, das deutschsprachige Publikum für ein Erotikangebot mit gewissen literarischen Ansprüchen einfach verschwindend klein ist.* Ich meine, schau Dir nur mal an, wie schwer sich selbst in diesem Diskussionsstrang einige tun, das Wort „Literatur“ vorbehaltlos in den Mund zu nehmen!

Zudem bin ich mir unschlüssig: Was kostenlos ist, wird von vielen als wertlos angeschaut und respektlos konsumiert.
Exakt. Und sobald Du mit irgendeinem Angbot dieser Art Geld verdienen wolltest, wie es bspw. die Betreiber auch dieser – und so gut wie jeder anderen vergleichbaren – Seite tun, kämen auch nicht unerhebliche rechtliche Probleme auf Dich zu, je nach Deiner Staatsangehörigkeit und dem Standort Deines Servers …

Alternativ könnte man vielleicht versuchen, über freiwillige Spenden einen gewissen monetary revenue zu erzeugen, aber ich bin mir selbst nicht sicher, ob das, was die rechtliche Lage anlangt, letztlich überhaupt einen Unterschied machte!

Abschliessend noch eine ehemalige Signatur aus dem Usenet:
Die Deutsche Rechtschreibung ist Freeware, du darfst sie kostenlos nutzen.
Allerdings ist sie nicht Open Source, d.h. du sollst sie nicht verändern oder in veränderter Form veröffentlichen.
(Verfasser unbekannt)
Sehr schön! Das hätten man seinerzeit mal den Reformern, die die sogenannte „neue Rechtschreibung“ verbrochen haben, ins Stammbuch schreiben sollen!

MfG
Auden James


Anmerkung:

* Ein paar Zahlen, die diesen Schluß – zumindest für Deutschland – erhärten, liefert die Bundeszentrale für politische Bildung, laut der nämlich 40 % der Bevölkerung in Deutschland eine so niedrige Lese- bzw. Sprachkompetenz aufweisen, daß sie entweder als funktionale Analphabeten zu gelten haben oder aber selbst einen „geläufigen Wortschatz (Grundschulniveau) sehr fehlerhaft“ verschriftlichen und von Texten jenseits der sogenannten „Leichten Sprache“ – möglichst keine Abstrakta, keine Nebensätze, Hauptsätze mit nur einer Aussage, kein Konjunktiv, kein Genitiv, kein Passiv, keine Nominalisierungen etc. (das überhaupt eine solche Beschränkung der deutschen Sprache notwendig erscheint!) – im Grunde überfordert sind.

Damit beschränkt sich, wenn wir diese Heuristik fortsetzen, der potentielle Leserkreis – zumindest in Deutschland – schon mal auf 60 % der Bevölkerung. Wie viele von denen lesen nun überhaupt noch mehr oder minder regelmäßig Schönliteratur?

Laut Statista nehmen 40 % der Befragten Deutschsprachigen mindestens einmal im Monat ein Buch zur Hand, 30 % seltener und die übrigen 30 % anscheinend gar nicht. Wenn wir, was, wie ich finde, naheliegt, davon ausgehen, daß die Leute, die überhaupt mal ein Buch zur Hand nehmen, zu jenen 60 % der deutschen Bevölkerung gehören, die über eine ausreichende Lese- bzw. Sprachkompetenz verfügen, um mehr als nur „Leichte Sprache“ sinnenentnehmend zu verstehen, so reduziert sich der Anteil der regelmäßigen Leser auf rund 34 % der Bevölkerung. Und wie viele von denen wiederum lesen mehr oder minder regelmäßig erotische Literatur? Eine Studie dazu ist mir nicht bekannt, aber selbst wenn wir dieser Frage empirisch beantworten könnten, genügte das ja noch nicht, weil wir noch die zusätzliche Hürde vor uns hätten, daß sie auch mehr oder minder regelmäßig anspruchsvolle erotische Literatur (also nicht nur sowas wie Fifty Shades of Grey von E. L. James oder 365 Tage von Blanka Lipińska) lesen oder zumindest ein Interesse daran haben müßten … Mir scheint, das lehrt ja auch die Erfahrung auf dieser und ähnlichen Plattformen, allzu viele können es am Ende im gesamten deutschsprachigen Raum nicht sein!
 
Last edited:
Eine interessante Diskussion, die Auden James da aufgemacht hat.

Um die These, dass sich LIT im Niedergang befindet, zu überprüfen, müsste man wohl eine quantitative Analyse über alle eingestellten Geschichten (oder eine repräsentative Auswahl) durchführen und erfassen, ob sich Kriterien wie z.B.

- Rechtschreib-/Grammatikniveau (gemessen durch Anzahl Fehler)
- Anteiliges Verhältnis der ("Rahmen"-)Geschichte vs. reiner Sexschilderung
- Deftigkeit der gewählten Vokabeln oder Praktiken
- etc...

im Verlauf der Jahre geändert haben. Wohl machbar, aber sehr aufwändig.

Hier zwei divergierende Hypothesen für die Meta-Ebene, wobei ich selbst nicht sicher bin, welcher ich zuneige:

1) Das Niveau bei LIT wird immer besser, bedingt durch die Wirkung von Schwarmintelligenz, ähnlich wie auf anderen öffentlich zugänglichen Plattformen wie Wikipedia o.ä.

Diese Entwicklung wird ggf. verdeckt durch den Sortier-Algorithmus. Die Geschichten früherer Jahre, die keine gute Bewertung oder eine hohe Leserzahl erreicht haben, muss man ja aktiv suchen, von alleine tauchen sie fast nie auf. Das führt zum selben Effekt wie bei Popmusik: Aus früheren Jahrzehnten sind die Evergreens übrig geblieben und werfen ein nostalgisch verklärtes Licht auf die gute alte Zeit. Im Heute dudeln ständig Mainstream-Songs ohne größeren Erinnerungswert, so dass man hier den Vergleich zieht zwischen den wenigen richtig guten Neuerscheinungen einerseits, und dem breiten Feld der nicht so guten andererseits.

Ein weiteres Argument für diese These: Die aktiven Autoren verbessern ihre Fähigkeiten durch die Praxis des Schreibens. swriter zieht z.B. öfter mal den Vergleich zwischen seinen früheren Werken und heute. Den Effekt kennt wohl jeder, zu einem gewissen Grad.



2) Das Niveau bleibt konstant, weil es eine ständige Flukturation von Autoren gibt.

Diejenigen davon, die schlechtes Feedback bekommen, werden (immer tendenziell) entmutigt und scheiden aus. Es wandern aber auch die mit dem besten Feedback in den (semin-)professionellen Bereich ab und schreiben für Verlage oder im Selfpublishing. Damit hätte LIT die Funktion eines Testfelds und Durchlauferhitzers. Auch nützlich, in einem größeren Zusammenhang.



Unabhängig von diesen internen Faktoren gibt es sicher eine Evolution der Leserschaft, sowohl was die Anzahl betrifft, als auch die Erwartungshaltung. Faith_828 hat es auf den Punkt gebracht: Während es früher ein Abenteuer war, überhaupt mal auf einen erotischen Text zu stoßen, führt die ständige Verfügbarkeit/Überflutung mit Pornoinhalten heute dazu, dass man anders denkt und reagiert. Ob das gut oder schlecht ist, lasse ich mal dahingestellt. Es sind einfach Rahmenbedingungen, die man einkalkulieren sollte.

Ehrlich gesagt stelle ich durchaus auch bei mir selbst da eine gewisse Spaltung fest: Während ich als Verfasser auch Geschichten interessant finde und schreibe, in denen Sex nicht die Hauptrolle spielt, bevorzuge ich beim Lesen in LIT Geschichten, die relativ schnell auch die Erotik integrieren.

Viellieicht bin ich aber auch nur schizophren...
 
Für mich sind relativ kleine Zahlen eher Vor- als Nachteil, denn ich bevorzuge Qualität vor Quantität.

Früher war nicht alles besser, aber einige Sachen schon.
In den Anfangszeiten und Vorläufern des Internets (Mailboxen, BBS) waren die Teilnehmer-Zahlen noch viel kleiner als die Zugriffszahlen hier auf Literotica, trotzdem wurde ohne grosse Opposition auf Fairness, Netikette, sorgsamer Umgang mit den Ressourcen, etc. geachtet.
Dies änderte sich sehr schnell und heftig, als viele Leute Zugang zum Internet bekamen und eine kleine aber dominierende Minderheit anfing, dort ihren geistigen Müll abzuladen.

Eigentlich bin ich möglichst gegen Vorschriften und Einschränkungen, aber heute ist leider notwendig, in gewissen Webseiten klare Regeln zu haben und diese nötigenfalls via Hausrecht durchzusetzen.
Was passiert, wenn man dies nicht macht, erlebt man in gewissen Bereichen des Darknets, wo es in der letzten Zeit eine ähnliche Entwicklung wie oben beschrieben gab, aber teilweise mit professionell krimineller Vorgehensweise.

Die Extreme werden immer heftiger, deshalb fühlen wir uns immer mehr von gegensätzlichen Standpunkten angesprochen und darum etwas schizophren...
 
Früher war nicht alles besser, aber einige Sachen schon.
In den Anfangszeiten und Vorläufern des Internets (Mailboxen, BBS) waren die Teilnehmer-Zahlen noch viel kleiner als die Zugriffszahlen hier auf Literotica, trotzdem wurde ohne grosse Opposition auf Fairness, Netikette, sorgsamer Umgang mit den Ressourcen, etc. geachtet.

Exakt, was Dingo geschrieben hat: Die Vergangenheit wird verklärt.

Ich erinnere mich an "Flame Wars", Zerstrittenheit zwischen Fraktionen von Commodore64 und Atari, Zerstrittenheit unter BBS-Betreibern über die Verteilung von Telefongebühren, usw. usf.

Das Word "Netiquette" haben immer die auf ihre Fahnen geschrieben, die andere am lautesten niedermachten.

Zurück zu Lit: Was wäre die Welt so schön, wenn es nur schwarz und weiß gäbe. Einhandleser und Hochliteraten, und Autoren, die nur für eine der beiden Gruppen schreiben.

Dem ist aber nicht so. Die meisten Leser wollen *Geschichten* Plot. Handlung. Figuren, mit denen sie sich identifizieren können. Spannung, Action, und Romanzen. Das war schon vor hundert Jahren mit Karl May, vor fünfzig mit Perry Rhodan und anderer "Schundliteratur", mit Simmel und Konsalik und einer endlosen Menge von Amerikanern, die von deutschen Kritikern verteufelt wurden und immer noch werden.

Momentan kommen zum Beispiel meine Geschichten hier auf ungefähr gleiche Bewertungen, ob sie nun viel oder wenig Sex enthalten oder gar keinen.

Insofern denke ich schon, dass die Site als solche weder besser noch schlechter geworden ist.

Das Einzige, was ich überhaupt nicht ausstehen kann, ist, wenn man sofort merkt, dass ein Autor keinen Respekt vor den Lesern hat.

Selbst schlechte Rechtschreibung und Grammatik der Art, die auch eine Word-Rechtschreibprüfung nicht findet, kann ich durchaus tolerieren, wenn der Autor sich mit der Geschichte Mühe gegeben hat. Wenn jedoch jemand schreibt "Ich habe da noch etwas von vor ein paar Jahren gefunden. Ich habe aber keine Lust, das noch einmal durchzulesen und stelle das so ein wie es ist. Das ist respektlos.
 
Damit dieser Thread jetzt mal nicht die Bodenhaftung verliert:

Wir sind uns glaube ich einig, dass jeder Autor sein Bestes geben sollte, um seinen Text so gut es geht zu präsentieren. Hierzu zählen die Nutzung eines Rechtschreibprüfprogramms und das gründliche Korrekturlesen. Jeder Autor, dem es gelingt, seine Texte auf Literotica zu posten, sollte auch in der Lage sein, seinen Text bei Duden.de etc. hineinzukopieren. Macht er das nicht, gibt er sich nicht hinreichend Mühe und liefert weniger ab, als möglich gewesen wäre.

Wenn jetzt aber darüber diskutiert wird, dass die heutigen Geschichten nicht mehr so gut ausgearbeitet sind, weniger erfinderisch sind, keinen filmreifen Handlungsstrang aufweisen, dann sei aber auch mal erwähnt, dass es nicht so einfach ist, sich eine Geschichte auszudenken, diese zu Papier zu bringen, dabei stets unterhaltsam zu bleiben, keine Logikfehler zu machen und am besten noch etwas zu präsentieren, das kein anderer Autor zuvor geschrieben hat.

Wer kann das leisten? Wer hat die Erfahrung, mit Worten zu spielen und die Handlung mit flüssigen Formulierungen in Szene zu setzen? Und obendrein soll das mit einem astreinen Schreibstil einhergehen. Wer ist es gewohnt, von Haus aus regelmäßig zu schreiben? Nach der Schule muss man doch nur in den wenigsten Jobs regelmäßig frei schreiben. Wer schreibt heutzutage noch einen vollständigen Brief? Wer feilt regelmäßig an seinen Schreibkünsten, bevor er sich in die Welt der erotischen Literatur wagt?

Für zahlreiche Autoren stellt eine Veröffentlichung auf dieser Plattform eine Herausforderung dar, da ihnen etwas abverlangt wird, was sie im wahren Leben kaum bis gar nicht leisten mussten. Wenn ich an meine erste Geschichte zurückdenke, die ich vor über 15 Jahren geschrieben habe ... Die war einfach nur miserabel. Aber es war das, was ich zu leisten imstande gewesen bin. Und wie mir wird es vielen Autoren ergehen, die es nicht gewohnt sind, mit Worten umzugehen und die sich einmal ausprobieren wollen. Daran ist aus meiner Sicht nichts auszusetzen.

Ja, Autoren sollen sich Mühe geben - und nein - sie müssen keine Wunderdinge vollbringen.

Und natürlich ist es eine Frage des Talents und der Fantasie, ob einem interessante Handlungsabfolgen einfallen oder auch nicht. Manche Autoren schreiben weit über 100 Geschichten und kommen über einfache Szenarien nicht hinweg, welche die Teilnehmer dieses Threads nicht zufriedenstellen werden. Solange diese Texte aber einigermaßen qualitativ zu überzeugen wissen, sehe ich keinen Grund, diese Autoren zu verteufeln. Sicherlich gab es auch Anfang der 2000er-Jahre Autoren, die ähnlich einfach gestrickte und nicht perfekte Storys gepostet haben, wie es heute der Fall ist.

Nicht jeder kann zum Mond fliegen, Bundesliga-Profi werden oder eben Starautor, und doch können sie ein Flugzeug betreten, in der Kreisliga kicken und auf Literotica veröffentlichen.

swriter
 
Nicht jeder kann zum Mond fliegen, Bundesliga-Profi werden oder eben Starautor, und doch können sie ein Flugzeug betreten, in der Kreisliga kicken und auf Literotica veröffentlichen.

swriter

Sehr schön auf den Punkt gebracht.

Wie in allen anderen Kontexten hat jede/r Leser/in ein Erwartungsniveau. Wenn das unterschritten wird (z.B. durch Rechtschreib- oder andere Fehler), führt das zur Enttäuschung. Die Höhe der Erwartung ist extrem unterschiedlich. Der eine fühlt sich schon massiv beeinträchtigt, wenn zwei, drei Kommata falsch gesetzt sind. Der andere erst, wenn MAn GGAAR nixxx MEER läsen knnn...

Bei mir merke ich das speziell bei Science Fiction-Geschichten. Mich törnt es total ab, wenn die ökonomische und gesellschaftliche Basis hinter der Geschichte nicht stimmt - weil ich da eben Hintergrundwissen habe. Beispiel: Das bei "Tribute von Panem" geschilderte Wirtschaftssystem ist völlig abwegig, im Sinne von komplett unlogisch und dysfunktional. Mir geht das fürchterlich auf den Senkel, während das den meisten anderen Lesern/Filmbetrachtern völlig egal sein dürfte.

Für LIT bedeutet das: Für den Erfolg bzgl. Votings und Klickzahlen muss man "nur" das Niveau erreichen, das die Mehrheit erwartet, mehr nicht. Effizient und ökonomisch.

Das eigene Streben nach dem Bestmöglichen, das man leisten kann, ist eine andere Dimension. Da geht es um Selbstverwirklichung, nicht um äußere Bestätigung. Aber das ist eher eine Haltung.
 
Schweres Thema

Danke meine Herren (Mangels erkennbarer weiblicher Beteiligung!), dass ich die Diskussion mitverfolgen darf. Sie ist in weiten Teilen unterhaltsamer, als viele der Geschichten/Romane, die in diversen Foren eingestellt werden. Mit großem Interesse habe ich es mitverfolgt, natürlich besonders, als mein Nick genannt wurde. In dem Zusammenhang:

Danke Swriter für das Lob: Zitat: ..., dass Autoren wie AldebaranKastor und MasterofR1 extrem gut ankommen und, soweit ich beim Überfliegen feststellen konnte, ihre Texte recht ordentlich präsentieren.

Zu einem Thema möchte ich mich mit einbringen, das von PhiroEpsilon angesprochen wurde:

Zitat: Nachtrag: Die guten deutschen Autoren (siehe Kojote) haben ja wohl alle entdeckt, dass sich auf dem Weg des Self Publishing mit wenig Aufwand Geld aus ihrem Talent schlagen lässt.

Ja, man kann damit Geld verdienen, wenn man es richtig macht und recherchiert, sich mit den rechtlichen Belangen auseinandersetzt, von dem Impressum bis hin zur Steuer. Auch wenn hier die Dunkelziffer sicher höher liegt, als ich annehme.
Was ich jedoch zu bedenken gebe, ist die Tatsache, dass das Niveau auch oft nicht höher ist als hier oder auf anderen Portalen. Bei den bekannten Anbietern gibt es genauso, die mit dem Computer übersetzte Geschichte, aus dem Englischen, viele Romane, die künstlich gestreckt werden durch viele große Absätze und andere Tricks.
Allerdings muss man den deutschen Distributoren wie zum Beispiel: Bookrix zugutehalten, dass sie sehr auf Qualität etc. achten, was bei reinen Verkaufsportalen nicht der Fall ist. Bei dem größten Einzelanbieter kann man einstellen, was man will, solange es keiner meldet, spielt es fast keine Rolle. Ob es Allgorhythmen gibt, die vorher fischen gehen, kann ich nicht sagen. Wenn doch, funktionieren sie nicht sonderlich gut oder ich hatte bis jetzt immer Glück!*ggg*

Für mich sind Portale wie Literotica, Erogeschichten etc. nur um zwei freie Seiten zu nennen, die eine nennenswerte Aufsicht haben, auf der einen Seite ein Spaß, auf der anderen natürlich auch ein Instrument der Werbung, das will ich nicht verschweigen. Wer es nicht tut, ist selber schuld.

Doch was ist Literatur? Leider weiß ich nicht mehr, wer es gesagt hat, aber mir ist dazu ein guter Spruch in Erinnerung geblieben. Sinngemäß:
Gute Bücher gewinnen Preise, mit Schlechten verdient man Geld.

Um ehrlich zu sein, habe ich mich mehrfach durch sogenannte Literatur gekämpft, sozialkritische Schinken, die an Langeweile kaum zu überbieten sind. Meine Meinung, es gibt sicher andere.
Hier zu gehören nette Bücher von zum Beispiel Tolstoi. Wer es geschafft hat, bis zur letzten Seite von Anna Karanina zu kommen, es auch verstanden hat, dem gehört mein tiefster Respekt. Ich habe es nach 200 Seiten aufgeben. Auch bei Klassikern wie Moby Dick kann ich jedem nur empfehlen, sich die alte Verfilmung anzusehen, natürlich die mit Gregory Peck. Wer sich allerdings mit dem Walfang der Vergangenheit beschäftigen will, wird eine Quelle der Inspiration finden.

Das Fazit für mich ist einfach, für jeden ist Literatur etwas anderes, der eine, weil er aus einem Text etwas lernen will oder kann, der ander, weil es sich unterhalten möchte. Die Möglichkeiten sind vielfältig und ich werde nicht der Richter sein, der das geschriebene Wort in lesenswert und Schund unterteilen wird.

Kastor Aldebaran
 
Ehrlich gesagt stelle ich durchaus auch bei mir selbst da eine gewisse Spaltung fest: Während ich als Verfasser auch Geschichten interessant finde und schreibe, in denen Sex nicht die Hauptrolle spielt, bevorzuge ich beim Lesen in LIT Geschichten, die relativ schnell auch die Erotik integrieren.

Viellieicht bin ich aber auch nur schizophren...


Immer nur Fünf-Gang-Menüs essen ist auf Dauer fast ebenso langweilig wie immer nur Fastfood essen, Abwechslung bereichert das Leben.

Doch auch beim Fastfood gibt es eine grosse Bandbreite: Von industrieller Zubereitung mit Qualitätskontrolle bis zum lustlos hingeklatschten Frass, der teilweise verbrannt und gefroren ist

So kommen mir einige Geschichten vor, leider.
 
Vorwärts nimmer, abwärts immer!

Für LIT bedeutet das: Für den Erfolg bzgl. Votings und Klickzahlen muss man "nur" das Niveau erreichen, das die Mehrheit erwartet, mehr nicht. Effizient und ökonomisch.
Der Aufhänger für diese gesamte Diskussion ist doch gerade der, daß jenes Niveau, das die Mehrheit erwartet, offenkundig immer weiter bergab geht!

Denn schließlich wird heute offenbar nicht einmal mehr erwartet, daß die Grundlagen der Sprache – Rechtschreibung und Grammatik – respektiert und eingehalten werden, so daß selbst unleserliche Texte wie der in meinem Eingangsbeitrag verlinkte von den Lesern mit Lob aufgenommen bzw. verteidigt werden (siehe dazu die oben von mir zitierten anonymen Kommentare), wohingegen diejenigen Stimmen, die auf die Unzumutbarkeit solcher Texte hinweisen, gnadenlos niedergemacht werden.

Das eigene Streben nach dem Bestmöglichen, das man leisten kann, ist eine andere Dimension. Da geht es um Selbstverwirklichung, nicht um äußere Bestätigung. Aber das ist eher eine Haltung.
Es ging mir hier nirgends darum, daß die Schreiber angeblich nicht mehr nach ihrem Bestmöglichen streben würden, sondern, wie Du oben nachlesen kannst, um die von mir beobachtete Entwicklung, daß irgendeine – im weitesten Sinne literarische – Qualität für sie und auch die Leser (!) kaum mehr eine Rolle spielt und, wenn die Entwicklung so weitergeht, in sehr naher Zukunft vollends ohne Belang sein wird. Das hat nichts mit "Selbstverwirklichung" zu tun, sondern mit dem Verlust von sprachlichen Fähigkeiten und Kenntnissen sowie Interesse und Wissen für und über das Erzählen von Geschichten mittels der Sprache!

MfG
Auden James
 
Last edited:
Der Aufhänger für diese gesamte Diskussion ist doch gerade der, daß jenes Niveau, das die Mehrheit erwartet, offenkundig immer weiter bergab geht!
...
Das hat nichts mit "Selbstverwirklichung" zu tun, sondern mit dem Verlust von sprachlichen Fähigkeiten und Kenntnissen sowie Interesse und Wissen für und über das Erzählen von Geschichten mittels der Sprache!

Von einem funktionalen Standpunkt aus gesehen ist Sprache kein Selbstzweck, sondern übernimmt eine Aufgabe im Kommunikationsprozess. Wenn dieser Prozess noch funktioniert, wenn man die Hälfte der Kommata weglässt und massenhaft Fehler macht, dann ist erst mal nichts dagegen einzuwenden. Zumindest für diejenigen, die lediglich kommunizieren wollen, d.h. schreiben bzw. lesen, und dabei einen bestimmten Sinn übermitteln müssen. Bei LIT liegt der Sinn primär in sexueller Erregung.

Dein Standpunkt scheint eher der eines Ästheten zu sein, der die äußere Form zur Kunst erhebt. Das kann ich gut nachvollziehen, das geht mir in verschiedenen Kontexten ähnlich. Aber wenn man die beiden Ebenen vermischt, sind Enttäuschungen vorprogrammiert.

Das ist in etwa so, als würde man beklagen, dass es massenhaft hässliche Autos auf den Straßen gibt. Natürlich wäre die Welt eine schönere, wenn uns draußen ausschließlich schnittige Sportwagen und vollendet designte Mobile begegnen. Das Problem: jede Art der Lebensäußerung - Autos bauen genau wie Geschichten schreiben - verbraucht Ressourcen, und die stehen nicht unbegenzt zur Verfügung. Auch das Erlernen und Perfektionieren der Rechtschreibung ist aufwendig, und je höher man das vorausgesetzte Niveau schraubt, umso weniger Menschen bleiben übrig, die das erlernen können und wollen. Damit begrenzt man aber das kreative Potenzial, und damit den Gesamtnutzen der Gleichung.

Aber diese Diskussion inspiriert mich zu einem A/B-Test: Ich werde mal dieselbe Story veröffentlichen (verfremdet, so dass es nicht auffällt), einmal mit und einmal ohne Fehler, und schauen, wie das Feedback ist. Daten sind immer besser als Vermutungen. Ich werde an dieser Stelle berichten ;-))
 
Merkwürdige Argumente

Wenn dieser Prozess [gem. ist die Kommunikation, Anm. AJ] noch funktioniert, wenn man die Hälfte der Kommata weglässt und massenhaft Fehler macht, dann ist erst mal nichts dagegen einzuwenden.
Das scheint mir eine absurde Aussage zu sein. Wenn man aus einem halbwegs passablen deutschen Text tatsächlich die Hälfte der Kommas (wahllos) entfernte und zusätzlich (wahllos) massenhaft Fehler einbaute, dann würde der Kommunikationsprozeß, den Du hier als Alleinzweck eines literarischen (!) Textes (und solche sind schließlich der Gegenstand unserer Diskussion hier) darstellst, erheblich gestört, falls er nicht, was ich sogar für wahrscheinlicher halte, zusammenbräche. Ein solcher Text, wie Du ihn beschreibst, wäre nicht mehr flüssig lesbar; an vielen Stellen würde der Sinn durch die fehlenden Kommas und sonstigen Fehler fragwürdig werden.

Es mag zwar sein, daß trotzdem noch immer irgend etwas vom ursprünglichen Sinn des Textes kommuniziert würde, aber alleine schon die unnötige Erschwerung des Textverständnisses sowie – aus ästhetischer Sicht (denn ein literarischer Text ist weit mehr als ein bloßes Kommunikationswerkzeug!) – die Entstellung der Textgestalt stellten erhebliche Einwände gegen die von dir vorgeschlagene Textbearbeitung dar! Dein Schluß, daß gegen eine solche erst mal nichts einzuwenden sei, ist also offensichtlich unwahr.

Bei LIT liegt der Sinn primär in sexueller Erregung.
Was meinst Du mit „Sinn“ in diesem Satz?

Zuvor schreibst Du, daß diejenigen, die „lediglich kommunizieren wollen“, einen „bestimmten Sinn übermitteln“ müßten. Nach Frege ist der Sinn eines Satzes sein Gedanke. Da LIT-Texte (in der Regel) eine Menge aus x Sätzen bilden, ist ihr Sinn also die Menge der Gedanken ihrer Sätze. (Da mehrere Sätze u. U. auch denselben Gedanken ausdrücken können, muß die Menge der Sätze nicht zwangsläufig gleich der Menge der Gedanken eines Textes sein.) Dein „primär“ deutet also an, daß „sexuelle Erregung“ die größte Teilmenge der Gedanken eines gemeinen LIT-Textes sei. Kann nun aber „sexuelle[] Erregung“ überhaupt ein solcher Gedanke sein? Denn wie sähe ein solcher Satz aus, dessen „Gedanke“ sexuelle Erregung ist?

Ich denke, es geht hier weniger um den „Sinn“ als vielmehr um den „Zweck“. Dein Satz könnte daher, finde ich, treffender wie folgt formuliert werden: Für die meisten LIT-Nutzer ist der Zweck ihrer Lektüre die eigene sexuelle Erregung.

Zweck ist nicht gleich Sinn. Und vor diesem (fregeschen) Hintergrund läßt sich die Schlußfolgerung ziehen: Auf LIT kann ein Text in diesem Sinne sowohl sinnlos, aber zweckvoll, als auch sinnvoll, aber zwecklos sein!

Und nebenbei bemerkt: Die Rolle des Zwecks in der Kunst, das ist nochmal eine Debatte für sich …

Dein Standpunkt scheint eher der eines Ästheten zu sein …
Ganz recht. (Obgleich ich den Ausdruck „Ästhetiker“ bevorzugen würde; beim „Ästheten“ schwingt bereits, wie ich finde, eine leicht negative Konnotation mit.)

... der die äußere Form zur Kunst erhebt.
Einspruch! Denn ich bin kein Formalist! Für mich zählt nicht nur die äußere Form, sondern – natürlich! – auch der Inhalt.

Die Sache liegt im Fall von Erotika nur insofern etwas vertrackt, als die üblichen sexuellen Handlungen immer die gleichen sind, der Inhalt also quasi identisch ist, weshalb eine Abhebung und Unterscheidung der sexuellen Handlungen in Text A von Text B üblicherweise lediglich über die sprachliche Verpackung (Form) der immer gleichen Inhalte möglich ist. Daraus, freilich, folgt aber nicht, daß der Inhalt ohne Belang wäre (also eben kein Formalismus)! (Schließlich muß der Inhalt ja nicht zwangsläufig dem Üblichen entsprechen, um nur einen Grund zu nennen.)

Aber wenn man die beiden Ebenen vermischt, sind Enttäuschungen vorprogrammiert.
Welche „Ebenen“?

Die von Sinn und Zweck? Die von Form und Inhalt? Oder irgendwelche anderen Ebenen?

Das Problem: jede Art der Lebensäußerung - Autos bauen genau wie Geschichten schreiben - verbraucht Ressourcen, und die stehen nicht unbegenzt zur Verfügung.
Welche Ressourcen verbraucht das Schreiben von Geschichten? Früher: Tinte und Papier. Heute: Strom. Solange der gewillte Schreiber von heute also noch seine Stromrechnung begleichen bzw. sich Papier und Stift leisten kann, kann er soviel schreiben, wie er will, oder um es in Deinen eigenen Worten zu sagen: „unbegrenzt“. Es besteht also schlechterdings nicht das von Dir beschriebene Ressourcenproblem!

Auch das Erlernen und Perfektionieren der Rechtschreibung ist aufwendig, und je höher man das vorausgesetzte Niveau schraubt, umso weniger Menschen bleiben übrig, die das erlernen können und wollen. Damit begrenzt man aber das kreative Potenzial, und damit den Gesamtnutzen der Gleichung.
Es mag „aufwendig“ sein, die Rechtschreibung zu erlernen zu perfektionieren, aber normalerweise (!) lernt man das in der Schule; jedenfalls war das zu meiner Zeit noch so. Und da, soweit ich informiert bin, die Schulpflicht in Deutschland noch nicht aufgehoben wurde (auch nicht im Zuge der sogenannten Corona-Maßnahmen), bedeutet das also grundsätzlich keinen Mehraufwand, da ja alle die Schule besuchen und also normalerweise (!) alle dort die Rechtschreibung erlernen und perfektionieren (Stichwort: Schuldiktat).

Auch sehe ich nicht, inwiefern das Anheben der Ansprüche (geringere Fehlertoleranz bei Diktaten), die Menge der Menschen, die die Rechtschreibung erlernen (!) können, verringerte. Ich meine, die Rechtschreibung bleibt die Rechtschreibung, ganz gleich wie viele Fehler irgendwer in irgendeinem Diktat zu tolerieren bereit ist; sie verändert sich durch höhere Ansprüche als solche überhaupt nicht. Was ihr Erlernen und Perfektionieren allerdings zu erschweren vermag, das ist eine Rechtschreibreform! Und daß dieser Fall historisch auch tatsächlich so eingetreten ist, belegt die sogenannte „neue Rechtschreibung“, seit deren Einführung die Schreibkompetenz der Schüler kontinuierlich abnimmt …

Im übrigen sehe ich auch nicht, inwiefern das „kreative Potenzial“ (sic) durch höhere Ansprüche an die rechtschreiblich korrekte Schreibung von Texten „begrenzt“ würde. Ich meine, auch ein Legastheniker kann doch – wie übrigens jeder andere auch! – zunächst einmal so schreiben, wie er will, ohne Rücksicht auf irgendwelche Regeln und Konventionen. Daran hindert ihn doch keine – letztlich abstrakte – Rechtschreibnorm! Ein Problem tritt frühestens dann auf, wenn er das, was er da rechtschreiblos aufgeschrieben hat, anderen zum Lesen geben wollte … Aber auch dieses Problem ist keineswegs unlösbar; es bedürfte lediglich des Mehraufwands, den rechtschreiblosen Text der Rechtschreibung gemäß von jemand anderem, der die Rechtschreibung beherrscht, redigieren und somit auch für die Allgemeinheit lesbar zu machen. Und auch durch diesen Schritt würde das kreative Potential des Legasthenikers nicht eingeschränkt! Denn er könnte ja auch weiterhin rechtschreiblos schreiben!

MfG
Auden James
 
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"lass die anderen quatschen, es gibt immer Klugscheißer. swriter hat auch nicht nur gute Geschichten. Ich finde die Story super und würde mich über eine Fortsetzung freuen."

So viel zu dem Thema, wie sich anspruchslose Leser schützend vor Autoren werfen, die katastrophale Texte abliefern (magnum1970," Ehefrau wird in Sex Shop verführt"

swriter
 
Manchmal sind hohe Bewertungen eine Folge vom Fehlen besserer Alternativen.
Erinnert mich an einen Zettel, der im Serverschrank eines Kunden hing:

Documentation is like sex:
when it is good,
it is very, very good;
and when it is bad,
it is better than nothing
.
 
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