NOTTAF - Der erzählerische Wert der Detailverliebtheit

Kojote

dead serious lunatic
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Jan 31, 2010
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NOTTAF - Not open to trolling and flaming
Das ist ein tag. So wie #NSFW - Not safe for work.
Die deutsche Übersetzung lautet: Nicht geöffnet für Beleidigungen und Getrolle. Und es soll umschreiben, was in dieser Diskussion keinen Platz hat.
Wer Krieg spielen will, soll bitte woanders spielen. Wer mitdiskutieren will, ist willkommen. Auch wenns mal hitzig oder intensiv wird.


Bitte an die Moderation: Lass uns ein klein wenig Zeit, um eventuell aufkommende Streits aus eigener Kraft zu überwinden.
Bitte an die Poster: Versucht, ein Einschreiten der Moderation unnötig zu machen, indem ihr euch um Klärung bemüht, anstatt gleich auf alles anzuspringen, was man als beleidigend verstehen kann. Wir sind Erwachsene und können das!




Zum Thema: Der erzählerische Wert der Detailverliebtheit

Jüngst habe ich mich mal an einem sehr uncharakteristischen Experiment versucht und eine Geschichte geschrieben, in der ich sehr viel offen ließ. Normalerweise schreibe ich sehr detailverliebt und auch durchaus ausufernd und in Kleinigkeiten schwelgend. Und ich liebe das Spiel mit der Sprache.
Das hat mir bereits Kritik von einigen eingebracht. Oder zumindest vermute ich so langsam, dass die Kritik bei manchen meiner Geschichten sich irgendwie darauf bezieht.
Vielleicht mag Rosettenfreak als einer derjenigen, die diese Art von Kritik geäußert haben, das mal bestätigen oder negieren? Wenn du so den Vergleich ziehst zwischen Replay und meinem üblichen Stil…

Anyway… Meine eigenen Beobachtungen und Gespräche mit ein paar Leuten lassen mich den Finger darauf legen, dass es unterschiedliche Präferenzen gibt. Die einen mögen es offen mit viel Raum für Interpretation und offenem Ende. Die anderen mögen es, wenn man ihnen einen Film vorführt und nur wenig der Vorstellungskraft überlässt.
Ein wunderschönes, reich verziertes Ballkleid versus ein Traum aus Satin und Seide mit handgeklöppelter Spitze am Dekolletee und fein abgesetzten Säumen. Saphirblau wie die karibische See mit silbernen Verzierungen und einem Schnitt, der die Vorzüge der Trägerin ins allerbeste Licht rückt.
So als einfaches Beispiel.

Wie seht ihr das?
Was ist euch als Leser lieber und warum?
Was liegt euch als Autor besser und wie fühlt es sich an, sich mit dem anderen Extrem zu beschäftigen?
Ich wage sogar die Frage: Was ist in literarischer Hinsicht ‚besser‘ und weshalb ist das so?

Ich habe Antworten auf diese Fragen für mich selbst. Aber ich will erst einmal abwarten, wie andere das sehen und was sie dazu zu sagen haben. Schließlich soll das hier eine Diskussion werden und keie Unterhaltung darüber, wieso jemand meiner Meinung ist oder nicht. :D
 
Wie bei vielem zählt hier vermutlich auch der goldene Mittelweg.

Ich persönlich finde es ganz gut wenn die Autorin oder der Autor sich die Zeit nimmt um die Liebe zum Detail zu pflegen. Das geht auch nicht unbedingt gegen das "Show don't tell" - Prinzip, je nachdem ob die Autorin oder der Autor an den richtigen Stellen darauf verzichtet um genau das Bild zu vermitteln, das er bei der Leserschaft aufzeigen wollte.

LG, Peter
 
Sehr schön. Endlich mal wieder eine Literatur-Diskussion.

Was die Detailverliebtheit angeht, so sollte man sich, denke ich, gar nicht darauf festlegen. Es ist ein Stil-Element, welches man benutzen kann, um die Bedeutung dessen zu beschreiben, was einen wichtig ist.

Wenn du also schreibst "Ein wunderschönes, reich verziertes Ballkleid", dann schreibst du im Prinzip "Also, ähm, ich hab jetzt zwar keine Ahnung von Kleidern, aber das sah echt super aus. Jeans und T-Shirt hättens zwar auch getan, aber so war es wenigstens stilgerecht. Also, ähm, naja, mir hats wirklich gefallen."

Wenn du hingegen schreibst "ein Traum aus Satin und Seide mit handgeklöppelter Spitze am Dekolletee und fein abgesetzten Säumen. Saphirblau wie die karibische See mit silbernen Verzierungen und einem Schnitt, der die Vorzüge der Trägerin ins allerbeste Licht rückt." dann schreibst du im Prinzip "Boah! WoW! Ich hab ja mit allem gerechnet, aber das war wirklich perfekt. zum ersten Mal hab ich sie richtig als Frau gesehen. Ich musste erstmal einen Gin nehmen, weil ich sonst vor lauter Staunen nicht mal das Wort 'Hi' rausgekriegt hätte".

Mag sein, dass es mühselig ist, so zu denken, aber wenn du als Autor das nicht tust - die Leser werden es tun. Und wenn sie es nur unterbewusst tun. Die Details verraten etwas über die Prioritäten des Erzählers. Wenig Details bedeuten, dass dem Erzähler eigentlich alles wurscht ist, um es mal hart auszudrücken. Wenig Details auf den Charakter der Frau und viele auf ihren Körper bedeuten, dass du sie eigentlich nur bumsen willst.

Ich hoffe, du verstehst, was ich meine.
 
Wie bei vielem zählt hier vermutlich auch der goldene Mittelweg.
Meine Beobachtungen sagen, dass es nicht bei jedem so ist. Einige Leute haben sehr klare und eindeutige Präferenzen.
Nein, warte. Viele Leute haben starke Präferenzen hier zu haben. Sie fühlen sich dann beispielsweise in der Freiheit, sich das Ballkleid selbst auszumalen, eingeschränkt. Und vielleicht mögen sie Blau auch ums Verrecken nicht.

Ich persönlich finde es ganz gut wenn die Autorin oder der Autor sich die Zeit nimmt um die Liebe zum Detail zu pflegen. Das geht auch nicht unbedingt gegen das "Show don't tell" - Prinzip, je nachdem ob die Autorin oder der Autor an den richtigen Stellen darauf verzichtet um genau das Bild zu vermitteln, das er bei der Leserschaft aufzeigen wollte.
Ich finde, dass 'show, don't tell' im Grunde von der Detailfülle unabhängig ist. Man kann viele oder wenige Details zeigen oder aufzählen. Allerdings gestehe ich sofort ein, dass die Trennlinie bestenfalls verwaschen ist.

Aber... Was ist die 'höhere' Kunst?
Gerade so wenig zu liefern, um ein ausreichend starkes Bild zu erzeugen? Oder selbst eine Flut von Details zu einem Bild zu formen, dass noch immer rund ist.
Minimalismus scheint bei Literaturkritikern Trumpf zu sein, aber wie ist das bei Lesern?
 
Du hast Recht,

das mit dem Mittelweg ist auch wieder Geschmackssache und individuell anders.

Letztlich hat jeder seine Erwartungshaltung, wenn er eine Geschichte liest.
Nicht wenige hier wollen einfach eine geile Wichsvorlage. Sch... auf die Details und die Rahmenhandlung, etc.

Damit kriegt man mich nicht.

Ich bevorzuge bei Geschichten ein Konzept, Details, eine in sich geschlossene Geschichte, eine Rahmenhandlung und vor allem Spannung, Spannung, Spannung. Die Erotik ist das Sahnehäubchen obendrauf.

Insofern, bei den meisten zumeist männlichen Lit-Lesern sind meiner Einschätzung nach Details eher zweitrangig. Die wollen nur stumpfsinnige Textpornos.

LG, Peter
 
Sehr schön. Endlich mal wieder eine Literatur-Diskussion.
:D

Was die Detailverliebtheit angeht, so sollte man sich, denke ich, gar nicht darauf festlegen. Es ist ein Stil-Element, welches man benutzen kann, um die Bedeutung dessen zu beschreiben, was einen wichtig ist.
In letzter Konsequenz sehe ich das auch so. Jeder muss seinen eigenen Weg finden.
Aber ich finde die Frage interessant, was häufiger verwendet wird und was beliebter beim Leser ist. Und vor allem auch weshalb das so ist.

Wenn du also schreibst "Ein wunderschönes, reich verziertes Ballkleid", dann schreibst du im Prinzip "Also, ähm, ich hab jetzt zwar keine Ahnung von Kleidern, aber das sah echt super aus. Jeans und T-Shirt hättens zwar auch getan, aber so war es wenigstens stilgerecht. Also, ähm, naja, mir hats wirklich gefallen."
Made my day! :D Sehr geiler Gedankengang!

Wenn du hingegen schreibst "ein Traum aus Satin und Seide mit handgeklöppelter Spitze am Dekolletee und fein abgesetzten Säumen. Saphirblau wie die karibische See mit silbernen Verzierungen und einem Schnitt, der die Vorzüge der Trägerin ins allerbeste Licht rückt." dann schreibst du im Prinzip "Boah! WoW! Ich hab ja mit allem gerechnet, aber das war wirklich perfekt. zum ersten Mal hab ich sie richtig als Frau gesehen. Ich musste erstmal einen Gin nehmen, weil ich sonst vor lauter Staunen nicht mal das Wort 'Hi' rausgekriegt hätte".
Made my day - twice! :D

Mag sein, dass es mühselig ist, so zu denken, aber wenn du als Autor das nicht tust - die Leser werden es tun. Und wenn sie es nur unterbewusst tun. Die Details verraten etwas über die Prioritäten des Erzählers. Wenig Details bedeuten, dass dem Erzähler eigentlich alles wurscht ist, um es mal hart auszudrücken. Wenig Details auf den Charakter der Frau und viele auf ihren Körper bedeuten, dass du sie eigentlich nur bumsen willst.
Okay. Also was ich in den Fokus nehme, lenkt meine Leser in gewisser Weise, denn ich richte ein Spotlight auf etwas, was ihnen womöglich sonst kaum aufgefallen wäre. Sehe ich auch so. Und es kann verflucht schwer sein, richtig einzuschätzen, wie die Leser das Spotlight interpretieren werden.
Aber korrigiere mich, wenn ich mich irre: Beide Varianten sind ein Spotlight. Das eine leuchtet nur jeden Winkel aus und das andere liegt auf einem Gesamtbild.

So wie ich das sehe, berührt es die Frage nach mehr oder weniger Details nur am Rande. Oder übersehe ich da was?
Vielleicht war das Ballkleid auch kein optimales Beispiel...?

Mir geht es gerade darum, ob es besser ist, die Vorstellungskraft des Lesers durch weniger Details mehr zu fordern oder auch die Kleinigkeiten gleich mitzuliefern.
Und natürlich ist mir bewusst, dass es sich dabei um eine sehr individuelle Frage handelt. Aber es scheint ja durchaus auch ein Bewertungskriterium darzustellen.


Außerdem frage ich mich, ob ich das, was du so nebenbei aufgebracht hast, gleich mal auskoppeln sollte, Tom.
Ich finde nämlich, dass die Frage nach der Art, wie unsere Autorenworte die Einschätzung des Lesers steuern - oder ablenken - sehr, sehr interessant und einer ganz eigenen Diskussion würdig.
Ich glaub, ich mach das mal...
 
Letztlich hat jeder seine Erwartungshaltung, wenn er eine Geschichte liest.
Nicht wenige hier wollen einfach eine geile Wichsvorlage. Sch... auf die Details und die Rahmenhandlung, etc.
Hmm... aber die Erfahrung zeigt auch, dass man selbst viele dieser Leser einfangen kann, indem man genug Erotik liefert und geschickt eine Rahmenhandlung einbettet.
Ich denke gern: Selbst Einhandleser haben nichts gegen eine Story zwischen den Ficks. Solange sie reizvoll bleibt...

Insofern, bei den meisten zumeist männlichen Lit-Lesern sind meiner Einschätzung nach Details eher zweitrangig. Die wollen nur stumpfsinnige Textpornos.
Und auch hier - egal was man nun davon hält - lässt dich beschreiben, dass er an ihren Brüsten spielte und sie dadurch geil wurde. Oder dass er seine Finger sanft über ihre Brüste gleiten ließ und sich immer nur soweit ihren Nippeln näherte, bis sie sich langsam anspannte. Dann dehnte er seinen Wirkungsbereich wieder aus und wartete, bis sie langsam unruhig wurde und versuchte, durch Drehung ihres Oberkörpers seine Hände näher zu den beiden Kirschkernen zu bringen. Und erst, als sie schließlich frustriert stöhnte, weil er wieder einmal abwanderte, packte er fest und besitzergreifend zu und nahm ihre Nippel zwischen die Finger - was sie mit einem tiefen Stöhnen quittierte.

Given... Das geht jetzt wieder in den Bereich von 'show, don't tell'. Aber es geht auch um die Detailfülle, denn man kann diese Szene ein wenig kürzen oder auf die doppelte Länge ausdehnen. Und man kann damit auch Einhandleser in den Bann ziehen, würde ich sagen.

Allerdings denke ich, dass bei dieser einen Sache Minimalismus in Sachen Details wenig Begeisterung hervorruft. Wenn der Sex mit wenigen Worten abgehandelt wird, ist er einfach nicht grafisch genug.
Oder?
Fällt jemandem ein Beispiel ein, wo Sex in wenigen Sätzen stattfand und trotzdem... naja... Verhärtungen zur Folge hatte?
Auch ganz ohne ein psychologisches Vorspiel, um den Kopf des Lesers einzustimmen?
 
Und es kann verflucht schwer sein, richtig einzuschätzen, wie die Leser das Spotlight interpretieren werden.

Eigentlich nicht. Das ist ja das Interessante an der Literatur: der Erzähler zeigt seine Prioritäten und lässt die Leser daran teilhaben.

Wenn du zum Beispiel schreibst:"Wir gingen dann zusammen in ein Konzert von Robbie Williams, und sie kreischte sich in Ekstase", dann denkt sich der männliche Leser "Aha, du verstehst das also auch nicht. Weiber halt." und der weibliche "Hach, der Kerl muss mich wirklich lieben, dass er da mitkommt, aber Robbbiiiiiie!!!"

WEnn du aber detailgerecht beschreibst, wie sie sich in Ekstase schreit, und wenn der Erzähler dann hinterher mit ihr darüber redet, und sie mal endlich rauslässt, warum sie bei sowas eigentlich kreischen muss, und uns der Erzähler wissen lässt, wie er die ganze Situation sieht - dann bin ich als Leser wieder um eine Erfahrung reicher und kann mir zumindest ansatzweise vorstellen, was mir vorher unerklärlich schien. Und weiss besser, ob und wie sehr ich mich mit dem Erzähler identifizieren will.

So richtig schwer ist nur Minimalismus. Denn da muss wirklich jedes Wort sitzen, weil du nur wenige benutzt, und sie in einen Anflug von Chaos den Deutungen und Missdeutungen deiner Leser überlässt.


Mir geht es gerade darum, ob es besser ist, die Vorstellungskraft des Lesers durch weniger Details mehr zu fordern oder auch die Kleinigkeiten gleich mitzuliefern.

Das hängt von der Frage ab, welche Geschichte du erzählen willst. Und, im übertragenen Sinne: was die Geschichte über dich und deine Ansichten verraten soll. Die Detaildichte legt die Prioritäten fest. Wenn alles auf volle Priorität ist, fühlt sich der Leser sicher überfordert, also muss man sich die Punkte herauspicken, die einen wichtig sind.
 
Auf die Eingangsfrage wird es keine absolute Antwort geben, aber das hast du wohl auch nicht erwartet. Es wird sich auch keine klassische Mehrheit für irgendwas ergeben, weil die Menge der Meinungen zu gering ist für eine statistische Aussage.
Was nun?

Ich finde, es ist so, wie man hinsichtlich der Heiratschancen zu sagen pflegt: Für jeden Topf gibt es einen Deckel, bzw. für jede(n) gibt es einen Partner. Das Problem ist nur, ihn zu finden.

Mit Texten ist es einfachen, denn da gibt es für jeden (naja fast jeden) Text, jeden Stil, jede Variante Leser, die davon begeistert sind. Mal mehr, mal weniger. Wenn alle so schrieben wie jene, die am meisten Fans anziehen, müssten alle anderen, die etwas anderes gut finden, durch di Finger schauen.

Es ist also m.E. vollkommen wurscht, ob ein Autor detailverliebt oder eher geradelinig schreibt, es wird immer eine Gruppe geben, die es optimal findet, und weitere Gruppen, die das Geschriebene abgestuft zwischen "sehr gut" und "unterirdisch" beurteilen.

Ich persönlich steh nicht so sehr auf die detailverliebten Geschichten, weil die
a) meine Phantasie einschränken
b) meine Gedankenflüge bremsen

Generell lehne ich eine breite Auswalzung von Szenen immer dann ab, wenn sie im Grunde Standardentwicklungen beschreiben. Bei einem ganz normalen Geschlechtsverkehr kann ich mir das Geschehen sehr gut vorstellen, ohne drei Seiten lang die rhythmischen Bewegungen von Penis, Vorhaut, Schamlippen und und und samt Flüssigkeitsprofil und Gemütsbarometer zu lesen.

Wenn dem Autor/der Autorin aber einmal eine wirklich außergewöhnliche Situation, Stellung oder Entwicklung eingefallen ist, möchte ich DAS schon genauer haben, damit ich mir alles auch vorstellen kann, ohne an meinen anatomischen Grundkenntnissen zweifeln zu müssen.

Zu guter Letzt soll der Stil auch irgendwie zum Plot passen. Barocke stilistische Arabesken passen halt nicht zu einem knallharten Action-Porno und knallharte kurze Satzfetzen wieder nicht zu einer süßlichen Romanze.

Und deswegen gefällt mir "Replay" als Gesamtpaket besser als manche detaillierte Auslassung in anderen Geschichten.
Aber daran habe ich ja keinen Zweifel gelassen, oder?

PS.: Auch wenn ich auf die "ausschweifenden Schilderungen" oft verzichten könnte, ist es nicht schlimm. Da überspring' ich einfach mal 100 Zeilen und lese dort weiter, wo die Handlung weitergeht. ;)
 
Eigentlich nicht. Das ist ja das Interessante an der Literatur: der Erzähler zeigt seine Prioritäten und lässt die Leser daran teilhaben.
Was auch grundsätzlich okay ist. Aber wenn ich bestimmte Effekte im Sinn habe, will ich vielleicht planvoller an die Sache herangehen.
Ein ganz brauchbares Beispiel dafür könnte die Intrige sein. Und zwar die Sorte Intrige, bei der man als Leser vom Autor eine Weile lang mit aufs Glatteis geführt wird. Natürlich sollen Leser und Held der Geschichte irgendwann dahinter kommen, aber es kann auch für den Leser ganz schon sein, erst später festzustellen, gut getäuscht worden zu sein. Obwohl Indizien vorhanden waren.
Wenn ich so an die Sache herangehe, muss ich als Autor voraussehen, wie die Mehrheit der Leser wahrscheinlich gewisse Dinge einschätzen wird.

WEnn du aber detailgerecht beschreibst, wie sie sich in Ekstase schreit, und wenn der Erzähler dann hinterher mit ihr darüber redet, und sie mal endlich rauslässt, warum sie bei sowas eigentlich kreischen muss, und uns der Erzähler wissen lässt, wie er die ganze Situation sieht - dann bin ich als Leser wieder um eine Erfahrung reicher und kann mir zumindest ansatzweise vorstellen, was mir vorher unerklärlich schien. Und weiss besser, ob und wie sehr ich mich mit dem Erzähler identifizieren will.
Womit wir wieder bei den Details sind. Und - ja - genau da, wo ich eigentlich auch stehe, weil ich diese Sichtweise tatsächlich teile. Ich finde das Eindringen in die Gedanken- und Beobachtungswelten - teils zum Selbstzweck - nämlich auch sehr interessant aus der Leserperspektive. Sicher muss man nicht jede Situation so auswälzen, aber ich würde sagen, in diesem Punkt sind wir beide exakt auf einer Wellenlänge.

So richtig schwer ist nur Minimalismus. Denn da muss wirklich jedes Wort sitzen, weil du nur wenige benutzt, und sie in einen Anflug von Chaos den Deutungen und Missdeutungen deiner Leser überlässt.
Genau. Das war der Anstoß zu meinem OP. Und das, was ich mit der quasi gegensätzlichen Detailverliebtheit meine.
Rein oberflächlich betrachtet ist es schwer, sich minimalistisch, aber dennoch ausreichend auszudrücken. Emotionen und Atmosphäre mit so wenig Worten wie möglich zu schaffen.
Schwerer, als das andere Extrem…
Oder?

Ich meine… Nehmen wir an, es gelingt dem Minimalisten, den Eindruck von einem rundum perfekten Ballkleid zu erschaffen. Mit wenigen Worten. Vielleicht über bestimmte Reaktionen und Aussagen Anwesender oder so.
Dann weiß ich, sie hat das perfekte Ballkleid an. Alle bewundern sie und ich bekomme die Atmosphäre und alles. Aber ich bekomme etwas Bestimmtes nicht. Etwas, das mich aber interessiert.
Und zwar: Wie stellt dieser Autor sich denn das perfekte Ballkleid eigentlich vor? Was sieht er - was sieht der Held - vor seinem Auge? Welche Details sind besonders aufregend? Oder ist es doch die Frau darin, die das Kleid erst erstrahlen lässt?

Vermutlich bin ich von meiner eigenen Wahrnehmung geprägt. Wenn ich etwas Tolles sehe, schaue ich hin. Genau. Ich sauge Details auf. Ich kann nach zwei Wochen noch davon zehren. Und ich kann nicht nur die Augenfarbe der Frau benennen, sondern auch die Farbe ihrer Schuhe. Und ich bemerke den Unterschied zwischen ihrer Hochsteck- und ihrer Alltagsfrisur nicht nur mal eben nebenbei.
Das soll keine Selbstbeweihräucherung sein. Es ist, was ich bin. Ich sehe Details und denke über sie nach. Und deswegen schreibe ich auch so.

Ich bewundere Minimalisten, die gekonnt mit so wenig Worten wie möglich eine rundum gelungene Geschichte erzählen. Aber sie lassen bei mir oft eine Menge Fragen offen. Und diese Fragen muss ich mit meiner Vorstellungskraft füllen.
Nun habe ich mir aber schon oft das perfekte Ballkleid ausgemalt. Ich möchte lieber wissen, wie andere sich das vorstellen. Meinen Horizont mit Informationen von anderen erweitern. Meine eigene Vorstellungskraft verwende ich dafür eh dauernd.
Und mich schränken auch detaillierte Schilderungen nicht wirklich ein. Interpretationsspielraum finde ich immer.

Aber zurück zum Punkt: Ist es wirklich schwerer, und damit bei einem gelungenen Ergebnis hochwertiger, minimalistisch zu schreiben? Oder ist es in gewisser Hinsicht ebenso schwer sehr detailreich zu schreiben, ohne den Leser komplett zu überfrachten?
Ja. Die Frage zielt auf eine Kritik an der klassischen Literaturkritik ab und stellt eine von deren Wertungsmethoden infrage. :p

Das hängt von der Frage ab, welche Geschichte du erzählen willst. Und, im übertragenen Sinne: was die Geschichte über dich und deine Ansichten verraten soll. Die Detaildichte legt die Prioritäten fest. Wenn alles auf volle Priorität ist, fühlt sich der Leser sicher überfordert, also muss man sich die Punkte herauspicken, die einen wichtig sind.
Ich habe da eine andere Sichtweise entwickelt. Ich glaube, eine hohe Detaildichte liefert einen Film und erfüllt so ziemlich gut die Bedürfnisse vieler Leser. Es sind die anspruchsvollen Leser, die glauben, sie wären damit unterfordert und sich nicht darauf einlassen mögen. Sie wollen sich nicht von mir den Film zeigen lassen. Sie wollen rund um meine Eckpunkte ihren eigenen Film drehen. Aber eigentlich bin ich für die nur der Anstoßgeber und nicht der Geschichtenerzähler.
Das ist an sich keine Kritik an diesen Lesern. Ich schätze diese Menschen für ihre eigene Kreativität. Und einige sehr anspruchsvolle Leser können sich auch voll und ganz auf detailreiche Geschichten einlassen. Aber andere fühlen sich davon eingeengt. Und in gewisser Weise verweigern sie sich dann meiner Geschichte.

Das ist eine Theorie in meinem Kopf. Ich bitte das zu beachten. ;)


Auf die Eingangsfrage wird es keine absolute Antwort geben, aber das hast du wohl auch nicht erwartet. Es wird sich auch keine klassische Mehrheit für irgendwas ergeben, weil die Menge der Meinungen zu gering ist für eine statistische Aussage.
Was nun?
Nun? Nun reden wir weiter darüber. Denn mir geht es nicht um eine oder mehrere, absolute Antworten.
Es ist absolut richtig, dass es hier keine absoluten Antworten geben wird. Aber wir können das Thema im Kopf bewegen und neue Blickwinkel darauf gewinnen. Und wir können uns damit auseinandersetzen, um neue Ansätze als Autoren zu finden.
Daher ist jede Antwort eine tolle Antwort. ;)

Ich persönlich steh nicht so sehr auf die detailverliebten Geschichten, weil die
a) meine Phantasie einschränken
b) meine Gedankenflüge bremsen
Ja. Das ist im Prinzip das, was ich auch von anderen gehört habe.
Aber… Wie ist das, wenn du bestimmte Filme schaust, die sehr stark auf Details fokussieren und lediglich Interpretationsfreiraum lassen. Oder nicht einmal den? Liegen die dir auch nicht? Oder beschränkt sich das auf das Medium Text?

Wenn dem Autor/der Autorin aber einmal eine wirklich außergewöhnliche Situation, Stellung oder Entwicklung eingefallen ist, möchte ich DAS schon genauer haben, damit ich mir alles auch vorstellen kann, ohne an meinen anatomischen Grundkenntnissen zweifeln zu müssen.
Hmm… Bleibt die Frage, was für dich und für den Autor außergewöhnlich ist. Vor zwanzig Jahren fand ich Sex im Auto außergewöhnlich. Heute achte ich bei Beschreibungen davon sehr genau darauf, wie der Autor das Problem mit dem beengten Raum und der generellen Unbequemlichkeit gelöst hat. Und bin deswegen daran durchaus interessiert, auch wenn es alles andere als außergewöhnlich für mich ist.
Was mich ganz persönlich weniger interessiert, ist Schema F. Wenn jemand immer die gleichen drei bis fünf Sätze für seine gelegentlichen Liebesakte benutzt, nervt mich das. Denn in meinen Augen ist das erstens unkreativ und zweitens ist jeder Akt anders. Und in jedem gibt es etwas Besonderes. Selbst wenn es nur eine winzige Kleinigkeit ist.

Zu guter Letzt soll der Stil auch irgendwie zum Plot passen. Barocke stilistische Arabesken passen halt nicht zu einem knallharten Action-Porno und knallharte kurze Satzfetzen wieder nicht zu einer süßlichen Romanze.
Unterschreibe ich komplett. ;)

Und deswegen gefällt mir "Replay" als Gesamtpaket besser als manche detaillierte Auslassung in anderen Geschichten.
Aber daran habe ich ja keinen Zweifel gelassen, oder?
Hast du nicht. Und ich danke dir dafür.
Aber wie gesagt: Ich gehe der Frage nach dem Warum? Nach und habe so eine Theorie entwickelt.
Ich denke, dass ich meine ganz persönliche Sichtweise und Gedankenwelt in vielen meiner Geschichten so intensiv und umfassend schildere, dass man sich bereit erklären muss, in meines Protagonsiten Kopf einzutauchen und die Welt aus seinen oder ihren Augen zu sehen. Und ich glaube, dass ich all die Details benötige, um genau diesen Effekt auch wirklich erzielen zu können, denn ich muss dem Leser einen anderen Bezugsrahmen für seine Wahrnehmung liefern, als seinen eigenen.
Klassisch ist diese Herangehensweise eigentlich in Geschichten aus der Ego-Perspektive. Aber meiner Meinung nach kann sie auch in der 3ten Person durchaus erzielt werden.
Ich willden Leser hinein ziehen. Und ich will, dass er oder sie den eigenen Bezugsrahmen und die eigenen Gedankenflüge für eine Weile unterlässt. Und es funktioniert auch durchaus bei einigen Leuten, wie ich dem Feedback entnehme.
Natürlich ist das Nichts für jemanden, der sich nicht einfangen - oder wenn man so will einschränken - lassen will. Ist logisch. :D

PS.: Auch wenn ich auf die "ausschweifenden Schilderungen" oft verzichten könnte, ist es nicht schlimm. Da überspring' ich einfach mal 100 Zeilen und lese dort weiter, wo die Handlung weitergeht. ;)
Dazu eine Frage. Mag dir zusammenhangslos erscheinen, ist es aber in meinen Augen nicht.
Bei seichter Unterhaltung wie einem Actionfilm. Wie genau kannst du am Ende die Namen der Nebenhandlungsträger im Film üblicherweise wiedergeben? Merkst du dir sowas? Oder ist das mehr wie ein gewisses Rauschen, das keine besondere Wichtigkeit hat?
Oder wie oft bemerkst du die kleinen Bonbons in manchen Filmen, wo zum Beispiel am Anfang etwas halbwegs Auffälliges irgendwo platziert wurde, was eigentlich nicht reinpasst? Und am Ende spielt es noch mal kurz eine Rolle und ergibt einen amüsanten Scherz am Rande, der rein gar nichts mit der Rahmenhandlung zu tun hat, sondern vielleicht sogar eine Anspielung des Regisseurs auf einen anderen Film sein mag oder sowas.
 
Sex im Auto: Grundsätzlich drei Möglichkeiten:
a) einfach so tun, als fände der Akt daheim auf der Couch statt - damit hat der Autor bei mir schon verloren

b) kurz und distanziert: Sie vögelten wie die Wilden, wobei sie sich geradezu halsbrecherisch verrenken mussten, aber die Geilheit siegte über die anatomischen Grenzen ;)

c) Ich muss mir was überlegen, wie man - je nach Automodell - das Problem lösen kann, wobei es immer auf die körperlichen Vorgaben der beiden (hoffentlich nur zwei, wenn es mehr sind, wird es echt kompliziert, außer im Reisebus) ankommt. Gibt es Liegesitze? Steht das Auto oder fährt es (sehr kompliziert!)? Wer sitzt wo?
usw.

Die Gliederver- und -entwirrung kann natürlich auch witzig beschrieben werden, aber zu viel techische Details langweilen mich meist.

Seichter Film: Haha! Bei meinem schlechten Namensgedächtnis kann ich nach dem Film oft nicht einmal sagen, wei der Held eigentlich hieß, von Nebendarstellern gar nicht zu reden! Auch der Wiedererkennungswert von Schauspielern ist gering, bei Schauspielerinnen noch geringer. (seltsam, aber wahr)
Hingegen KANN es sein, dass mir Details auffallen, insbesondere, wenn sie nicht stimmig sind, resp. einfach unmöglich (wie die klassische Armbanduhr beim Staitisten, der einen röm. Legionär darstellt) oder unlogisch.
Bei den von dir erwähnten Kleinigkeiten, die am Anfang passieren und erst am Ende Bedeutung erlangen, bin ich in 9 von 10 Fällen ahnungslos.

Zitate: Wenn ich den Film kenne, bemerk ich sie schon und das ist mir immer eine besondere Freude.
Aber was sagt das schon??
 
Last edited:
Die Gliederver- und -entwirrung kann natürlich auch witzig beschrieben werden, aber zu viel techische Details langweilen mich meist.
Wenn man jede Muskelbewegung beschreibt, finde ich das auch übertrieben. Aber die Idee von wildem und vielleicht auch langem Sex im Auto so in Worte zu fassen, dass es am Ende beim Leser auch wirklich ein sinniges Bild ergibt, ist reizvoll. Sowas mache ich gerne.

Bei den von dir erwähnten Kleinigkeiten, die am Anfang passieren und erst am Ende Bedeutung erlangen, bin ich in 9 von 10 Fällen ahnungslos.
[...]
Aber was sagt das schon??
Es hat keine höhere Wertigkeit. Aber es sagt etwas über die Art aus, wie du beobachtest und wahrnimmst.
Du bist - beispielsweise - kein Sherlock Holmes. Dir fällt vielleicht nicht auf, wie herum die Gürtelschnalle getragen wird - was ein Indiz für Links- oder Rechtshänder sein kann - wenn du nicht aus irgendeinem persönlichen Grund genau darauf zu achten entschlossen bist.

Es sagt auch, dass du je nach Auslegung entweder eine allgemeine oder eine unpräzise Wahrnehmung hast. DU bist jemand, der das Gesamtbild erfasst, aber manche oder viele Details nicht bemerkt. Und demnach wirst du wenig Freude daran haben, ohne Vorwarnung mit einem Text konfrontiert zu werden, der einzig dem Zweck dient eine Handvoll amüsante oder unterhaltsame Kleinigkeiten in einem anderweitig völlig generischen Test zu verstecken.
Und es legt den Schluss nahe, dass irgendwo in dem Garten, in dem du als Kind Ostereier gesucht hast, vielleicht noch ein Körbchen davon unentdeckt vor sich hin altert. :D

Das macht dich weder zu einem schlechteren, noch zu einem besseren Menschen. Es ist einfach etwas, was du bist. Aber es wirkt sich direkt auf dein Leseverhalten aus.
Wenn ich beispielsweise vorschlagen würde, alle Lücken in 'Replay' zu schließen, würde dein Ergebnis nicht nur eine andere Auslegung enthalten, sondern auch erheblich weniger Text. Weil du die einzelnen Lücken mit weniger Details auffüllst. Du brauchst sie alle nicht für ein komplettes Bild.

Und woher weiß ich das alles?
Meine Gefährtin ähnelt dir in dieser Hinsicht IMMENS. Und ich musste viele Jahre lang lernen, mit diesen unterschiedlichen Wahrnehmungswelten umzugehen.
Heute kann ich das aber immerhin. Und deswegen kann ich ihr mitten in irgendeinem Film, den wir zum ersten Mal sehen, auch ohne genervt zu sein beantworten, was sie verstanden hätte, wenn sie am Anfang aufgepasst hätte... :D
 
@Detailverliebtheit.

Die Frage ist recht einfach zu beantworten: Sie muss Sinn machen.
Detailverliebtheit als Selbstzweck wirdf leicht langatmig und langweilig.

Gute (Short)Story-Teller sind Meister der Andeutung und nicht des Details.
Ich führe das in Kürze noch mehr aus.

Im Zweifel würde ich GEGEN die Detailverliebtheit votieren!
Für einen guten Erzähler gilt: "Weniger ist mehr!" (Das bezieht sich auf Stories, und nicht auf Romane).
 
Last edited:
Genau. Das war der Anstoß zu meinem OP. Und das, was ich mit der quasi gegensätzlichen Detailverliebtheit meine.
Rein oberflächlich betrachtet ist es schwer, sich minimalistisch, aber dennoch ausreichend auszudrücken. Emotionen und Atmosphäre mit so wenig Worten wie möglich zu schaffen.
Schwerer, als das andere Extrem…
Oder?

Minimalismus ist harte Arbeit, keine Frage. Aber letztendlich ist es auch nur ein Stilmittel, mit den man umgehen können muss. Für überzeugte Minimalisten könnte Detailverliebtheit ein echtes Problem darstellen, weil es während des Kreativprozesses auf sie so wirkt, als würden sie viel und gleichzeitig gar nichts erzählen. Bei beiden Stilmitteln ist es geboten, dass sie stimmig wirken müssen, und diese Stimmigkeit ist die eigentliche Herausforderung



Ich meine… Nehmen wir an, es gelingt dem Minimalisten, den Eindruck von einem rundum perfekten Ballkleid zu erschaffen. Mit wenigen Worten. Vielleicht über bestimmte Reaktionen und Aussagen Anwesender oder so.
Dann weiß ich, sie hat das perfekte Ballkleid an. Alle bewundern sie und ich bekomme die Atmosphäre und alles. Aber ich bekomme etwas Bestimmtes nicht. Etwas, das mich aber interessiert.
Und zwar: Wie stellt dieser Autor sich denn das perfekte Ballkleid eigentlich vor? Was sieht er - was sieht der Held - vor seinem Auge? Welche Details sind besonders aufregend? Oder ist es doch die Frau darin, die das Kleid erst erstrahlen lässt?

Wenn ich ein Minimalist wäre, würde ich das perfekte Ballkleid so beschreiben:

Da ist sie. Sie und das Kleid. Sie kommt rüber. Sie und das Kleid. Ich bin blau. Sie ist blau. Die ganze Welt ist blau. Und vor allem dieses Ballkleid, welches sich in verzweifelter Liebe so eng an sie klammert.

Das schöne daran ist: Jeder kann sich das Ballkleid so vorstellen, wie er mag. Weil ich nur die Reaktion zeige. Würde ich das Ballkleid genauer beschreiben, würde ich riskieren, das falsche Detail zu erwähnen, welches die ganze Stimmung zerstören kann.

Würde ich dagegen das Ballkleid detailgenau beschreiben, würde ich weniger das Kleid als vielmehr die Sichtweise auf das Kleid beschreiben. Eine Sichtweise, in der sich weniger Schönheit als vielmehr die Ideologie des Blicks versteckt.

Um das mal genauer auszuführen: Wenn der Erzähler ein Punk und die Trägerin eine Punkerin ist, dann würde ich mithilfe der Detailverliebtheit bei dem Kleid aussagen, dass der Erzähler eigentlich ein verkappter "Bourgeois" ist, der sich das eigentlich nicht eingestehen will, aber im Falle seiner liebsten mal an sich zulässt. Würde ich hingegen minimalistisch schreiben, wäre klar, er ist ein echter Punk, der erstmal bezüglich des Kleids seine Gefühle ordnen muss.


Vermutlich bin ich von meiner eigenen Wahrnehmung geprägt. Wenn ich etwas Tolles sehe, schaue ich hin. Genau. Ich sauge Details auf. Ich kann nach zwei Wochen noch davon zehren. Und ich kann nicht nur die Augenfarbe der Frau benennen, sondern auch die Farbe ihrer Schuhe. Und ich bemerke den Unterschied zwischen ihrer Hochsteck- und ihrer Alltagsfrisur nicht nur mal eben nebenbei.
Das soll keine Selbstbeweihräucherung sein. Es ist, was ich bin. Ich sehe Details und denke über sie nach. Und deswegen schreibe ich auch so.

Ich bewundere Minimalisten, die gekonnt mit so wenig Worten wie möglich eine rundum gelungene Geschichte erzählen. Aber sie lassen bei mir oft eine Menge Fragen offen. Und diese Fragen muss ich mit meiner Vorstellungskraft füllen.
Nun habe ich mir aber schon oft das perfekte Ballkleid ausgemalt. Ich möchte lieber wissen, wie andere sich das vorstellen. Meinen Horizont mit Informationen von anderen erweitern. Meine eigene Vorstellungskraft verwende ich dafür eh dauernd.

Das ist löblich, Kojote, aber um ehrlich zu sein: die Suche nach der Beschreibung für das perfekte Ballkleid ähnelt der Suche nach dem Rezept für einen Bestseller. Und die meisten Bestseller haben schlicht und ergreifend einen Nerv getroffen, der zu dieser Zeit blank lag. Es ist oftmals mühselig, den zu suchen und zu finden. Manchmal kann man diesen Nerv erahnen, wenn man sich einfach so mit wildfremden Menschen über alles Mögliche und vor allen über ihre Possessionen unterhält. Manchmal lautet die Formel aber auch schlicht und ergreifend: sei nichts besonderes, das aber volle Pulle und notfalls bis zur Parodiegrenze.


Ich habe da eine andere Sichtweise entwickelt. Ich glaube, eine hohe Detaildichte liefert einen Film und erfüllt so ziemlich gut die Bedürfnisse vieler Leser. Es sind die anspruchsvollen Leser, die glauben, sie wären damit unterfordert und sich nicht darauf einlassen mögen. Sie wollen sich nicht von mir den Film zeigen lassen. Sie wollen rund um meine Eckpunkte ihren eigenen Film drehen. Aber eigentlich bin ich für die nur der Anstoßgeber und nicht der Geschichtenerzähler.
Das ist an sich keine Kritik an diesen Lesern. Ich schätze diese Menschen für ihre eigene Kreativität. Und einige sehr anspruchsvolle Leser können sich auch voll und ganz auf detailreiche Geschichten einlassen. Aber andere fühlen sich davon eingeengt. Und in gewisser Weise verweigern sie sich dann meiner Geschichte.

Das ist eine Theorie in meinem Kopf. Ich bitte das zu beachten. ;)

Das ist richtig. Eine hohe Detaildichte kann einen das Gefühl geben, eine epische Geschichte zu lesen. Ich habe aber auch oft bei sogenannten Intrigen-Geschichten gemerkt, dass ich allzu schnell den Faden verliere, weil mir zwar massig Fakten, Verbindungen, Bündnisse usw. gezeigt wurden, aber nicht die dahinter liegenden Gefühle. Das mag ein für diese Sorte Geschichte unverzichtbares Stilmittel sein, aber es schreckt mich eben auch ab.

Ich bin ein purer Gefühlsmensch. Ich übersehe oft Details. Aber ich registriere Gefühle. Ich kann mir einen Film von Godard angucken, der in den meisten Fällen überhaupt keine Geschichte erzählt, und trotzdem geh ich hinterher raus und fühl mich besser unterhalten als durch den superhyperspannendsten Action-Film. Weil es im Grunde genommen eine einzige Aneinanderreihung von Gefühlen ist. Gefühlsduselige Filme halt ich nur meist nicht aus, weil die nur vordergründig von Gefühlen sprechen, während sie in Wirklichkeit Modeschauen sind und Luxusprobleme zelebrieren.
 
@Kojote

Minimalisten lassen bei dir oft Fragen offen???
Na, Gott sei Dank-- Das zeigt, dass sie gut geschrieben haben!

"Popping Tom" gibt in seinem letzten P ein gutes Beispiel für ein gelungenes "minimalistisches Ballkleid."

Der moderne Meister des Minimalismus ist ohne Frage Raymond Carver.
Ich geb demnächst hiewr mal einige Beispiele, WARUM sein Minimalismus so genial ist.
Dasselbe gilt für Charles Bukowski, der von vielenin Germany immer noch zu Unrecht als "Schmuddelautor" unterschätzt wird.
(In den USA ist sein Stellenwert ein ganz anderer).
 
@Details

Ein junger Autor fragte mal den grossen William Faulkner, welche Sätze er verwenden müsse, um ein gutes Buch zu schreiben?
Faulkners kurze lakonische Antwort lautete: "Nach Möglichkeit die Richtigen."

Beim Schreiben sollte man sich immer fragen: Braucht der Leser diese Information unbedingt?? Ist diese Info für den Fortgang und das Verständnis der Story sinnvoll? Ist diese Info nötig?

Laien neigen dazu zu viel zu schreiben. Zu viel erklären zu wollen.
Das erstarrt sehr oft in einem langweiligen und dazu noch dilettantischem Psychologismus.

Ich finde, eine gute Story muss etwas über die Beweggründe der handelnden Protagonisten aussagen. Es muss ihren Charakter deutlich machen. Es muss ihr Handeln plausibel oder irritierend machen.
Ich muss mich mit den HPs entweder identifizieren oder mich über sie ärgern können.
Sie müssen mich fesseln und/oder irritieren.

Kann man einen Leser in eine bestimmte Richtung führen???
Ich bin da eher skeptisch.
Wir erzählen alle unsere eigenen Geschichten, und können nur hoffen, dass wir genügend Leute finden, die diese interessant genug finden, sie zu lesen.

Nochmal William Faulkner: "Schreiben ist ganz einfach. Die richtigen Sätzer müssen im richtigen Moment an den richtigen Stellen stehen. Das ist auch schon alles."

Also: Details? Ja-- wenn sie Sinn machen. Aber auch nur dann!
 
Ich kann mich Rosette nur anschließen. Details wenn sie Sinne machen.
Die Kunst ist zu wissen wann sie das tun. Ansonsten werden sie schnell langweilig. Wobei, wie Helios bemerkte, der Vorteil des geschriebenen Wortes ist, ich kann langweilige Absätze überspringen, wenn der Rest der Geschichte interessant genug ist.
Ich habe kürzlich den Namen der Rose als Hörbuch gehört. Oh graus. Was Eco da an langweiligem Geschwafel und langatmigen Abweichungen der Handlung bringt ist fürchterlich. Für mich jedenfalls. Das Buch zu lesen fand ich klasse. Ich schätze mal, ich habe die langweiligen Teile einfach übersprungen bzw nur überflogen. Ich unterstelle jetzt mal, das waren zum großen Teil immens unwichtige Details, erinnern kann ich mich jedoch nicht mehr.

Um beim Beispiel des Ballkleides zu bleiben: ein klassisches Ballkleid kann ich mir im großen und ganzen ganz gut vorstellen, eine grobe Beschreibung, ggf mit Hervorhebung von Besonderheiten langt mir völlig. Ich muß nicht bis zur letzten Naht wissen, wie es gehäkelt worden ist.
Dagegen habe ich mal eine Fantasy-Story gelesen, in der der Autor großen Wert auf korrekte Bezeichnung der mittelalterlichen Kleidung legte. Ist ja nett, und schafft Atmosphäre. Nur als absoluter DAU, und noch dazu nicht interessiert in Sachen mittelalterliche Kleidung wäre eine etwas genauere Beschreibung wie die Teile aussehen schon ganz hilfreich gewesen. So wußte ich teilweise nicht mal, ob man das gute Stück jetzt um den Hals oder die Beine trägt.

Wie auch von Helios angemerkt, der Beschreibungsstil, und damit die Detailgetreue muß auch zum Text bzw der Art der Story passen. Und selbstverständlich kann in einem tausend Seiten Roman mehr Detail rein, als in eine zwei Seiten Kurzgeschichte. In der Regel.
Auch die Erzählperspektive spielt, denke ich, eine Rolle. Erzähle ich aus der Sicht des Protagonisten hängt die Detailverliebtheit nicht zu letzt davon ab, wie sehr seine/ ihre Beobachtungsfähigkeit auf Details achtet. Um bei einem vorherigen Beispiel im Thread zu bleiben, würde man aus Sherlock Holmes Perspektive beschreiben, wohl eher detailgetreu. Aus Watsons dagegen vielleicht eher nicht.;)

Letztlich denke ich, spielt auch das anvisierte Publikum eine Rolle wie wichtig Details sind. Das oben erwähnte Fantasy Beispiel wäre als Text für Re-enactement Leute bestimmt kein Problem gewesen, für den durchschnittlichen Fantasy-Leser aber wohl nicht Detailgenau genug.

Oder ein Beispiel weniger aus der Unterhaltungsliteratur: Fachbücher. Ich bin immer wieder irritiert, wenn ich in fortgeschrittenen Fachtexten grundlegende Begriffe oder Zusammenhänge erklärt bekomme. Z.B. habe ich letztens eine Fortbildungs-DVD zur chirurgischen Wundversorgung angesehen. Darin haben sie im ersten drittel in epischer Breite erklärt, was eine Wunde ist. Ganz ehrlich? Wer keinen Plan davon hat, was eine Wunde ist, sollte sich vielleicht nicht darin versuchen, eine solche chirurgisch zu versorgen.
Ok - keine Literatur. Aber das hätte man genausogut als Text abliefern können. Und eindeutig viel zu viel Detail. :D

Für mich selbst muß ich zugeben, ich mache mir oft keine Gedanken darüber, wie Detailgetreu ich schreiben will. Ich schreibe einfach, bis ich das Gefühl habe, es paßt.
 
Minimalismus ist harte Arbeit, keine Frage. Aber letztendlich ist es auch nur ein Stilmittel, mit den man umgehen können muss. Für überzeugte Minimalisten könnte Detailverliebtheit ein echtes Problem darstellen, weil es während des Kreativprozesses auf sie so wirkt, als würden sie viel und gleichzeitig gar nichts erzählen. Bei beiden Stilmitteln ist es geboten, dass sie stimmig wirken müssen, und diese Stimmigkeit ist die eigentliche Herausforderung
Agreed. Dagegen kann ich auch wenig sagen. ;)

Würde ich das Ballkleid genauer beschreiben, würde ich riskieren, das falsche Detail zu erwähnen, welches die ganze Stimmung zerstören kann.
Das ist die eigentliche Gefahr, beim... öhm... Gegenteil von Minimalismus.... Beim Maximalismus? Bei der Opulenz? Whatever...
Das Risiko, den Geschmack des Lesers zu verfehlen, weil ein Detail aufgrund der Gesamtheit der Persönlichkeit des Lesers als abstoßend empfunden wird.

Um das mal genauer auszuführen: Wenn der Erzähler ein Punk und die Trägerin eine Punkerin ist, dann würde ich mithilfe der Detailverliebtheit bei dem Kleid aussagen, dass der Erzähler eigentlich ein verkappter "Bourgeois" ist, der sich das eigentlich nicht eingestehen will, aber im Falle seiner liebsten mal an sich zulässt. Würde ich hingegen minimalistisch schreiben, wäre klar, er ist ein echter Punk, der erstmal bezüglich des Kleids seine Gefühle ordnen muss.
Das hier finde ich spannend. Allerdings muss die ganze Geschichte den entsprechenden Kontext liefern. Sonst nimmt der Leser womöglich eine detaillierte Beschreibung doch nur als eine detaillierte Beschreibung und nicht als eine Botschaft zwischen den Zeilen war.

Das ist löblich, Kojote, aber um ehrlich zu sein: die Suche nach der Beschreibung für das perfekte Ballkleid ähnelt der Suche nach dem Rezept für einen Bestseller. Und die meisten Bestseller haben schlicht und ergreifend einen Nerv getroffen, der zu dieser Zeit blank lag. Es ist oftmals mühselig, den zu suchen und zu finden. Manchmal kann man diesen Nerv erahnen, wenn man sich einfach so mit wildfremden Menschen über alles Mögliche und vor allen über ihre Possessionen unterhält. Manchmal lautet die Formel aber auch schlicht und ergreifend: sei nichts besonderes, das aber volle Pulle und notfalls bis zur Parodiegrenze.
Ich kann dich beruhigen: Ich suche nur nach noch mehr Legosteinen, mit denen ich meine Luftschlösser bauen kann.
Einen Bestseller zu schreiben ist nicht so schwer. E. L. James hat es auch geschafft... *fg*

Aber es geht mir auch nicht um die perfekte Beschreibung eines Ballkleids. Das Ding ist nur ein eher schlecht von mir gewähltes Beispiel. Allerdings hat es von dir eine Menge Denkanstöße ergeben, weswegen es soo schlecht doch nicht gewählt war.
Mir geht es wirklich mehr um den Detailgrad. Man kann Gedanken und Wahrnehmungen minimalistisch oder opulent beschreiben. Und ich tendiere zur Opulenz. Und ich halte das nicht für Minderwertig. Aber diese Meinung teilt nicht jeder.
Tatsächlich glaube ich eine Tendenz wahrzunehmen, Minimalismus sozusagen 'offiziell' als überlegene Kunstform anzuerkennen. Und das stelle ich ein wenig in Frage.

Ich sage halt, dass es 1. nicht weniger schwer sein kann, einen detailreichen Film ruckelfrei in Textform zu verfassen.
Und 2. das Ergebnis nicht weniger literarisch wertvoll und künstlerisch sein kann, als ein gekonntes Beispiel an Minimalismus.
Weil es 3. durchaus auch eine Kunst ist, mit vielen Worten viel zu sagen. Ebenso wie es eine Kunst ist, mit wenig Worten viel zu sagen.
Darum gehts mir im Grunde. ;)

Aber lass mich zwischenzeitlich schon einmal meinen expliziten Dank an dich richten, Tom:
Deine Blickwinkel sind - wie eigentlich immer - sehr interessant und liefern tolle Denkanstöße! :D

Minimalisten lassen bei dir oft Fragen offen???
Na, Gott sei Dank-- Das zeigt, dass sie gut geschrieben haben!
Ja-in, Rosi. Ich rede nicht von Interpretationsspielraum, sondern von offenen Fragen. Und auch wenn ich die durchaus mittels meiner eigenen Fantasie beantworten kann, will ich manchmal lieber die Antwort des Autors erfahren.
Das Liebespaar in der Geschichte X hat diese und jene Unbilden überwunden und nun eine Chance auf eine Zukunft. Die Geschichte endet an der Stelle. Aber sie endet auch, bevor beispielsweise ein bestimmtes, angedeutetes Damoklesschwert über der jungen Beziehung entweder gefallen ist oder beseitigt wurde.
Werden die Beiden es schaffen? Wird der andere Schuh fallen? Diese Fragen sind Teil einer anderen Geschichte und sollen ein anderes Mal erzählt werden. Mpf...

Vielleicht liegt es daran, dass ich mir ohnehin beständig zu allem, was ich wahrnehme, alternative Wege vorstelle, wie die Dinge sich entwickeln und ausgehen könnten. Bei bestimmten, minimalistischen Geschichten liefert mir der Autor also nur das, was ich mir selbst schon geliefert habe. Er befriedigt mich nicht.
Seine spezifische Lösung für die Sache zu erfahren und mitzuerleben, wie er anhand seiner Persönlichkeit und seiner kognitiven Struktur den Faden spinnt und zum Abschluss bringt, wäre das wirklich aufregende für mich.
Ich will mehr aus diesem Blickwinkel sehen und erfahren, der mir eben fremd ist und mich deswegen fasziniert.

Ich bestreite nicht, dass ein guter Minimalist großartiges leistet, wenn er mit dem Minimum an Worten bestimmte Effekte erzielt. Aber das mag ich eben nur gelegentlich lesen.
Gerade, wenn eine Geschichte mich fesselt, will ich, dass sie weitergeht. Und zwar solange wie möglich. Ich will die mir fremden Lösungen für bekannte Probleme sehen und die Welt aus den Augen des Autors betrachten.

Irgendwo hast du geschrieben, dass Minimalismus eher für Kurzgeschichten und Opulenz (oder wie auch immer wir es nennen wollen) eher für Romane taugt. Und ich sage: Für mich ist eine Kurzgeschichte ein kurzer Roman. Und eine Fortsetzungsgeschichte womöglich ein ganzer Roman.
Ich will offenbar am liebsten Romane lesen. Und ich will auch Romane schreiben. Und deswegen ist das Thema Detailverliebtheit für mich eben interessanter, als das Thema Minimalismus. ;)

Für mich selbst muß ich zugeben, ich mache mir oft keine Gedanken darüber, wie Detailgetreu ich schreiben will. Ich schreibe einfach, bis ich das Gefühl habe, es paßt.
Im Prinzip ging ich ähnlich vor. Aber ich fange eben langsam an, mir über diese Themen Gedanken zu machen. Noch ist es für mich ein weiter Weg, bis ich meine Geschichten wirklich strukturiert durchplane. Aber ich mache eben so meine Schritte auf dem Weg...
Und dabei orientiere ich mich zuallererst an dem, was mir gefallen hat.

Um ‚Replay‘ zu schreiben, musste ich viel nachdenken und kürzen und wieder nachdenken und wieder kürzen und dann noch wieder umformulieren, damit es einen Sinn ergibt.
Es war trotzdem überschaubar und aus minimalistischer Sicht hätte man sicher noch viel feilen können. Aber es war auch erst einmal ein Experiment.
An ‚Gefickt Eingeschädelt‘ musste ich nicht viel feilen. Die Ausführlichkeit der Denkprozesse entspricht sehr meinem Wesen und der hohe Detailgrad fließt mir in der richtigen Stimmung nur so aus den Fingern.
Auch hier könnte man noch viel feilen, aber aus meiner Sicht oft an anderen Stellen, als insbesondere Literaturerfahrene Kritiker eben denken.

Der Unterschied ist: Replay gefällt beispielsweise Leuten wie Helios besser, als meine anderen Geschichten. Aber ich habe nie mit Helios über die Inhalte meiner Geschichten gesprochen, wie es beispielsweise mit Anna (Heli weiß damit was anzufangen) über G. E. tun konnte.
Ich habe gutes Feedback für Replay bekommen. Aber ich habe Feedback für Gefickt Eingeschädelt bekommen, dass mir die Schuhe auszog, mich zum Tanzen brachte und mir sogar Tränen in die Augen trieb. Und ich finde das großartig.

Wenn ich mit Detailverliebtheit und Opulenz so dermaßen eine positiven Nerv bei einigen Menschen treffe, während mir bei Minimalismus einige - ohne Ironie zweifelsfrei intelligente und belesene und anspruchsvolle - Leute für ganz gute Arbeit freundschaftlich auf die Schulter klopfen…
Zweifelt irgendwer daran, was ich bevorzugt schreibe?

Aber ich will trotzdem versuchen, die Mechanismen dahinter zu verstehen und zu beleuchten und zu hinterfragen. Ich will das nicht als gegeben hinnehmen und bin daran interessiert, herauszufinden, wo der Teil, den nur ich in eine Geschichte einfließen lassen kann endet und wo gewissermaßen ‚austauschbare‘ Elemente wie Stil und Technik beginnen.
Deswegen bin ich an allem interessiert, was ich über den Wert von Detailverliebtheit in die Finger bekommen kann. ;)
 
Wie seht ihr das?
Was ist euch als Leser lieber und warum?
Was liegt euch als Autor besser und wie fühlt es sich an, sich mit dem anderen Extrem zu beschäftigen?
Ich wage sogar die Frage: Was ist in literarischer Hinsicht ‚besser‘ und weshalb ist das so?

Ich selbst stehe da irgendwo dazwischen...

Ich mag nicht alles im Detail vorkauen oder auch vorgekaut bekommen, manches "sehe" ich gerne im Detail.

Was ich gerne "im Detail" sehen will, sind Dinge, wie in deiner Story Wolfsblut dieser Werwolf-Mensch-Mix. Dinge, die für eine Story wirklich wichtig sind, oder eben etwas besonderes, außergewöhnliches.

Dabei würd ich sagen, je wichtiger, desto mehr ab ins Detail. Dabei werfe ich, und lese das auch gerne so, erst einmal einen Blick auf die gesamte Szene. Dann wird der Zoom angestellt. Kleine Detailaufnahmen, und dazu die Empfindungen der Figuren im entsprechenden Maße.

Kürzlich hatte ich ein Buch vor der Nase, da war viel zu viel Detail. Grob gesagt: was haben z.B. seine Kinderkrankheiten und ihr Verlauf damit zu tun, dass der Hauptdarsteller ermordet wurde? Gar nix. Oder ob die Blümchen auf der Tapete Rosen oder Gänseblümchen sind - höchstens für Floristen interessant, aber selten für eine Story, sofern es nicht wichtig für die Story ist. Und deshalb find ich sie überflüssig.
Sicher, es gibt Leute, die alles wissen wollen und müssen, damit es ihnen gut geht. Ich brauch das nicht. Klar, in dem Punt werden bei jedem einzelnen sicher die Schwerpunkte etwas anders liegen. Deshalb würde ich auch sagen: lieber zu viel Detail, als zu wenig. Was einem persönlich zu viel ist kann man locker mal überlesen...

Also kurz und knapp gesagt: was wichtig ist, kann für mich nicht gut genug beschrieben werden, alles andere überlasse ich gerne meiner Fantasie :)
 
@Kojote

Agreed. Dagegen kann ich auch wenig sagen. ;)


Das ist die eigentliche Gefahr, beim... öhm... Gegenteil von Minimalismus.... Beim Maximalismus? Bei der Opulenz? Whatever...
Das Risiko, den Geschmack des Lesers zu verfehlen, weil ein Detail aufgrund der Gesamtheit der Persönlichkeit des Lesers als abstoßend empfunden wird.


Das hier finde ich spannend. Allerdings muss die ganze Geschichte den entsprechenden Kontext liefern. Sonst nimmt der Leser womöglich eine detaillierte Beschreibung doch nur als eine detaillierte Beschreibung und nicht als eine Botschaft zwischen den Zeilen war.


Ich kann dich beruhigen: Ich suche nur nach noch mehr Legosteinen, mit denen ich meine Luftschlösser bauen kann.
Einen Bestseller zu schreiben ist nicht so schwer. E. L. James hat es auch geschafft... *fg*

Aber es geht mir auch nicht um die perfekte Beschreibung eines Ballkleids. Das Ding ist nur ein eher schlecht von mir gewähltes Beispiel. Allerdings hat es von dir eine Menge Denkanstöße ergeben, weswegen es soo schlecht doch nicht gewählt war.
Mir geht es wirklich mehr um den Detailgrad. Man kann Gedanken und Wahrnehmungen minimalistisch oder opulent beschreiben. Und ich tendiere zur Opulenz. Und ich halte das nicht für Minderwertig. Aber diese Meinung teilt nicht jeder.
Tatsächlich glaube ich eine Tendenz wahrzunehmen, Minimalismus sozusagen 'offiziell' als überlegene Kunstform anzuerkennen. Und das stelle ich ein wenig in Frage.

Ich sage halt, dass es 1. nicht weniger schwer sein kann, einen detailreichen Film ruckelfrei in Textform zu verfassen.
Und 2. das Ergebnis nicht weniger literarisch wertvoll und künstlerisch sein kann, als ein gekonntes Beispiel an Minimalismus.
Weil es 3. durchaus auch eine Kunst ist, mit vielen Worten viel zu sagen. Ebenso wie es eine Kunst ist, mit wenig Worten viel zu sagen.
Darum gehts mir im Grunde. ;)

Aber lass mich zwischenzeitlich schon einmal meinen expliziten Dank an dich richten, Tom:
Deine Blickwinkel sind - wie eigentlich immer - sehr interessant und liefern tolle Denkanstöße! :D


Ja-in, Rosi. Ich rede nicht von Interpretationsspielraum, sondern von offenen Fragen. Und auch wenn ich die durchaus mittels meiner eigenen Fantasie beantworten kann, will ich manchmal lieber die Antwort des Autors erfahren.
Das Liebespaar in der Geschichte X hat diese und jene Unbilden überwunden und nun eine Chance auf eine Zukunft. Die Geschichte endet an der Stelle. Aber sie endet auch, bevor beispielsweise ein bestimmtes, angedeutetes Damoklesschwert über der jungen Beziehung entweder gefallen ist oder beseitigt wurde.
Werden die Beiden es schaffen? Wird der andere Schuh fallen? Diese Fragen sind Teil einer anderen Geschichte und sollen ein anderes Mal erzählt werden. Mpf...

Vielleicht liegt es daran, dass ich mir ohnehin beständig zu allem, was ich wahrnehme, alternative Wege vorstelle, wie die Dinge sich entwickeln und ausgehen könnten. Bei bestimmten, minimalistischen Geschichten liefert mir der Autor also nur das, was ich mir selbst schon geliefert habe. Er befriedigt mich nicht.
Seine spezifische Lösung für die Sache zu erfahren und mitzuerleben, wie er anhand seiner Persönlichkeit und seiner kognitiven Struktur den Faden spinnt und zum Abschluss bringt, wäre das wirklich aufregende für mich.
Ich will mehr aus diesem Blickwinkel sehen und erfahren, der mir eben fremd ist und mich deswegen fasziniert.

Ich bestreite nicht, dass ein guter Minimalist großartiges leistet, wenn er mit dem Minimum an Worten bestimmte Effekte erzielt. Aber das mag ich eben nur gelegentlich lesen.
Gerade, wenn eine Geschichte mich fesselt, will ich, dass sie weitergeht. Und zwar solange wie möglich. Ich will die mir fremden Lösungen für bekannte Probleme sehen und die Welt aus den Augen des Autors betrachten.

Irgendwo hast du geschrieben, dass Minimalismus eher für Kurzgeschichten und Opulenz (oder wie auch immer wir es nennen wollen) eher für Romane taugt. Und ich sage: Für mich ist eine Kurzgeschichte ein kurzer Roman. Und eine Fortsetzungsgeschichte womöglich ein ganzer Roman.
Ich will offenbar am liebsten Romane lesen. Und ich will auch Romane schreiben. Und deswegen ist das Thema Detailverliebtheit für mich eben interessanter, als das Thema Minimalismus. ;)


Im Prinzip ging ich ähnlich vor. Aber ich fange eben langsam an, mir über diese Themen Gedanken zu machen. Noch ist es für mich ein weiter Weg, bis ich meine Geschichten wirklich strukturiert durchplane. Aber ich mache eben so meine Schritte auf dem Weg...
Und dabei orientiere ich mich zuallererst an dem, was mir gefallen hat.

Um ‚Replay‘ zu schreiben, musste ich viel nachdenken und kürzen und wieder nachdenken und wieder kürzen und dann noch wieder umformulieren, damit es einen Sinn ergibt.
Es war trotzdem überschaubar und aus minimalistischer Sicht hätte man sicher noch viel feilen können. Aber es war auch erst einmal ein Experiment.
An ‚Gefickt Eingeschädelt‘ musste ich nicht viel feilen. Die Ausführlichkeit der Denkprozesse entspricht sehr meinem Wesen und der hohe Detailgrad fließt mir in der richtigen Stimmung nur so aus den Fingern.
Auch hier könnte man noch viel feilen, aber aus meiner Sicht oft an anderen Stellen, als insbesondere Literaturerfahrene Kritiker eben denken.

Der Unterschied ist: Replay gefällt beispielsweise Leuten wie Helios besser, als meine anderen Geschichten. Aber ich habe nie mit Helios über die Inhalte meiner Geschichten gesprochen, wie es beispielsweise mit Anna (Heli weiß damit was anzufangen) über G. E. tun konnte.
Ich habe gutes Feedback für Replay bekommen. Aber ich habe Feedback für Gefickt Eingeschädelt bekommen, dass mir die Schuhe auszog, mich zum Tanzen brachte und mir sogar Tränen in die Augen trieb. Und ich finde das großartig.

Wenn ich mit Detailverliebtheit und Opulenz so dermaßen eine positiven Nerv bei einigen Menschen treffe, während mir bei Minimalismus einige - ohne Ironie zweifelsfrei intelligente und belesene und anspruchsvolle - Leute für ganz gute Arbeit freundschaftlich auf die Schulter klopfen…
Zweifelt irgendwer daran, was ich bevorzugt schreibe?

Aber ich will trotzdem versuchen, die Mechanismen dahinter zu verstehen und zu beleuchten und zu hinterfragen. Ich will das nicht als gegeben hinnehmen und bin daran interessiert, herauszufinden, wo der Teil, den nur ich in eine Geschichte einfließen lassen kann endet und wo gewissermaßen ‚austauschbare‘ Elemente wie Stil und Technik beginnen.
Deswegen bin ich an allem interessiert, was ich über den Wert von Detailverliebtheit in die Finger bekommen kann. ;)

Eine Kurzgeschichte ist für dich ein kurzer Roman???
Nein-- und das ist keine Ansichtssache!
Ein Roman ist ein Roman, und eine Shortstory ist eine Shortstory-- und für beide gelten unterschiedliche literaturhandwerkliche Gesetzmässigkeiten.
Nicht die Gattungen durcheinander würfeln.

Du hättest gelegentlich gerne die Antworten des Autors auf die Fragen, die dieser offen lässt???
"You can`t always get what you want" (The Rolling Stones)
Wenn der Autor diese Antworten halt nicht geben möchte...

Es geht auch nicht darum, den Geschmack des Lesers zu treffen oder ihn vielleicht zu verfehlen.
Diese Fragen sind irrelevant, es sei denn, man ist Auftragsschreiber.

Wir können alle nur eines tun wenn wir etwas wirklich gutes und interessantes schreiben wollen (damit meine ich Stories, die über hirnloses "Rein-Raus" hinausgehen): Wir können nur unsere eigenen Stories schreiben; etwas erzählen, was wir erzählenswert finden, und hoffen, wir finden genügend Leser/innen, die das ebenfalls interessant finden.
 
Also kurz und knapp gesagt: was wichtig ist, kann für mich nicht gut genug beschrieben werden, alles andere überlasse ich gerne meiner Fantasie :)
Verstehe ich. Aber wie ich selbst beobachtet habe, lässt du dich auch gerne mal im Kinosessel festschnallen und schaust dir den Film an. Selbst wenn er sehr detailliert ist.
Oder überspringst du auch Passagen, wo es dir zu detailliert wird?

Ein Roman ist ein Roman, und eine Shortstory ist eine Shortstory-- und für beide gelten unterschiedliche literaturhandwerkliche Gesetzmässigkeiten.
Nicht die Gattungen durcheinander würfeln.
Hast recht. Was ich wohl eher meine sind Kurzromane. Also rudere ich hier ein Stück weit zurück und klammere das, was man richtige Shortstory nennen muss, aus.
Sorry für die Fehlformulierung.

Was in meinen Augen durchaus in Richtung Roman geht, sind diverse Fortsetzungsgeschichten. Obwohl sie teilweise Schemata von Kurzgeschichten aufweisen.

Du hättest gelegentlich gerne die Antworten des Autors auf die Fragen, die dieser offen lässt???
"You can`t always get what you want" (The Rolling Stones)
Wenn der Autor diese Antworten halt nicht geben möchte...
...kann ich mir andere Kurzgeschichten von ihm schenken, denn sie erfüllen nicht meine Erwartungen und Wünsche.
Ich kann sehr wohl bekommen, was ich mir literarisch wünsche. Ich muss mir nur die richtigen Autoren aussuchen.

Es geht auch nicht darum, den Geschmack des Lesers zu treffen oder ihn vielleicht zu verfehlen.
Diese Fragen sind irrelevant, es sei denn, man ist Auftragsschreiber.
Für den Autoren, der ganz allein für sich und um seiner selbst willen schreibt, sind alle Überlegungen irrelevant, die mit Außenwirkung zu tun haben. Der kann auch in Steno schreiben, wenn es ihm ausreicht.
Versteh das nicht falsch: Wenn es darum geht, die Freiheit der eigenen Kreativität als Autor zu verteidigen, bin ich vorne mit dabei. Aber ich darf als Leser sehr wohl für mich einschätzen, wie gut oder schlecht mir etwas gefallen hat. Und ich darf auch sagen, wie es mir besser gefallen hätte.
Vor allem aber darf ich mir wünschen, wie es hätte sein sollen.

Wir können alle nur eines tun wenn wir etwas wirklich gutes und interessantes schreiben wollen (damit meine ich Stories, die über hirnloses "Rein-Raus" hinausgehen): Wir können nur unsere eigenen Stories schreiben; etwas erzählen, was wir erzählenswert finden, und hoffen, wir finden genügend Leser/innen, die das ebenfalls interessant finden.
Volles Einverständnis.

Allerdings finde ich es schade, dass du meine Aussage über meine Motivation nciht aufgegriffen hast. Die finde ich nämlich in diesem Zusammenhang durchaus bedenkenswert:
Ich schreibe, um zu berühren. Würde ich dauerhaft feststellen, dieses Ziel zu verfehlen, müsste ich meine Herangehensweise oder meine Zielsetzung überdenken. Ich schreibe nicht, weil ich gerne viel Text auf meiner Festplatte haben möchte. Ich schreibe, um gelesen zu werden. Und dabei möchte ich positive Reaktionen erzielen.
 
Ich schreibe, um zu berühren. Würde ich dauerhaft feststellen, dieses Ziel zu verfehlen, müsste ich meine Herangehensweise oder meine Zielsetzung überdenken. Ich schreibe nicht, weil ich gerne viel Text auf meiner Festplatte haben möchte. Ich schreibe, um gelesen zu werden. Und dabei möchte ich positive Reaktionen erzielen.

Das ist löblich, Kojote.

Nur was ist dir eigentlich wichtiger? Zu berühren? Viel gelesen zu werden? Oder überwiegend positive Reaktionen zu bekommen?

Es ist zwar ganz schön, wenn man alles 3 auf einmal hat. Aber eben auch selten. Und erreichen tut man das so oder so nur mit vorübergehender Festlegung auf eine Richtung.

Leute, die schreiben, um zu berühren, tendieren dazu, Themen anzusprechen, die nicht unbedingt populär sind. sie wollen in die Tiefe gehen, wo die meisten Menschen nur an der Oberfläche kratzen möchten. Ich für meinen Teil tendiere eher dahin, auch wenn das bedeutet, eher ein Schattendasein zu fristen.

Leute, die möglichst viel gelesen werden wollen, haben dagegen eher was von Dienstleistern. Sie gucken, was gewollt wird, und liefern es dann in professioneller Qualität. Das sind die Leute, die sich Schreibkurse antun und dort viel über Struktur und Timing lernen. Ich mein das nicht abwertend. Wenns drauf ankommt, ist das durchaus hilfreich. Es ist nur eher problematisch bei Schreibern, die es gewohnt sind, sich beim Schreiben nach ihrer inneren Stimme zu richten und nicht nach vorgegebenen Strukturen. Die Leser-Schreiber bekommen aber selten gute Kritiken, weil sie auch nur selten über ihren eigenen Schatten und diesen ganzen Strukturkrempel springen. Und weil sie meistens gar nicht die Zeit (und vielleicht auch das Verständnis) für Tiefe haben.

Leute, die positive Reaktionen bekommen, sind hingegen handwerklich meist richtig gut und offen genug, sich in allen Richtungen zu versuchen. Ein Garant für hohe Leserzahlen ist das aber, leider Gottes, nicht. Wenn sie das richtige Thema zum korrekten Timing erwischen, vielleicht. Durch ihre Universalität halten sie aber genau das für zweitrangig. Verübeln kann man es ihnen nicht: um sich selbst zu verwirklichen, ist es eben manchmal nötig, NICHT mit der Masse zu schwimmen.

Der wirklich erfolgreiche und gleichzeitig gute Künstler ist also fähig zur Tiefe (und auch daran interessiert), versteht die Bedeutung von Struktur und Timing, und beherrscht sein Handwerk tadellos.

Du hast dir viel vorgenommen, kojote ;)
 
Nur was ist dir eigentlich wichtiger? Zu berühren? Viel gelesen zu werden? Oder überwiegend positive Reaktionen zu bekommen?

Berühren, Gefallen und viel gelesen werden. In der Reihenfolge.
Wobei Prio 1 weiten Abstand zu Prio 2 und 3 hat. Aber ich würde lügen, wenn ich sagte, das wäre mir egal.

Du hast dir viel vorgenommen, kojote
Klar. Alles andere wäre langweilig, Frapos!?

Was du dazwischen ausgeführt hast, ist in meinen Augen so absolut korrekt. Deswegen kann ich nur für den zusätzlichen Blickwinkel auf die Sache danken.

Aber nur zur Sicherheit: Ich bringe das Thema und andere hier nicht auf, um den Stein der Weisen zu finden. Ich will nur zusätzlichen Input. So viel wie möglich. :D
 
Verstehe ich. Aber wie ich selbst beobachtet habe, lässt du dich auch gerne mal im Kinosessel festschnallen und schaust dir den Film an. Selbst wenn er sehr detailliert ist.
Oder überspringst du auch Passagen, wo es dir zu detailliert wird?

Richtig beobachtet. Dann sind die Details wirklich so fesselnd, packend erzählt, das ich sie sehr gerne geniesse. Und passen dann auch sehr gut ins Bild der Story.

Wenn es nicht passt - ist das die Stelle wo ich austeige, in irgendeiner Form.
 
Das hier finde ich spannend. Allerdings muss die ganze Geschichte den entsprechenden Kontext liefern. Sonst nimmt der Leser womöglich eine detaillierte Beschreibung doch nur als eine detaillierte Beschreibung und nicht als eine Botschaft zwischen den Zeilen war.

Den Leser gibts ohnehin nicht. Und die Botschaft zwischen den Zeilen ist so eine Sache: ich bin nicht unbedingt Fan davon, eine Botschaft in einer Charakterisierung zu verstecken. Die detailierte Beschreibung wird immer etwas über den Erzähler aussagen, und wenn er weniger Worte benutzt, dann zeigt er sich eben als wortkarger Mensch. Mag sein, dass Erzähler das nie sind, aber ich denke, jeder Mensch fängt irgendwann an, über sein Thema zu reden und zu reden, auf seine eigene art und Weise. Ein Mensch, der das nicht tut, hat ein Problem mit seiner Seele.


Mir geht es wirklich mehr um den Detailgrad. Man kann Gedanken und Wahrnehmungen minimalistisch oder opulent beschreiben. Und ich tendiere zur Opulenz. Und ich halte das nicht für Minderwertig. Aber diese Meinung teilt nicht jeder.
Tatsächlich glaube ich eine Tendenz wahrzunehmen, Minimalismus sozusagen 'offiziell' als überlegene Kunstform anzuerkennen. Und das stelle ich ein wenig in Frage.

Na Gott sei Dank. Minimalismus ist, auch wenn das jetzt sehr hart klingt, inzwischen eine deutsche Krankheit. Eigentlich mag ich ja minimalistische Künstler, wenn sie gut sind, aber die besten beziehen ihre Qualität eben aus dem Kontrast zu einer opulenten, bombastbesessenen Gegenkultur. Hier in Deutschland ist das aber genau umgekehrt: wir werden geradezu von minimalistischen Künstlern erschlagen, die damit aber nur - das ist zumindest mein persönlicher Eindruck - ihre mangelnde Kreativität, ihr begrenztes Einfühlungsvermögen und ihre Kleingeistigkeit kaschieren wollen. Kreativität ist für sie "Verrücktheit", Einfühlungsvermögen "Kitsch", und das Denken in etwas grösseren Dimensionen, der Blick in eine etwas weiterer Ferne "Grössenwahn".

Was viele übersehen, ist das richtig gute Minimalisten genauso verrückt, kitschig und/oder grössenwahnsinnig sind wie ihre bombastischen Gegenparts. Nur dass sie ihre Effekte eben mit weniger Mitteln erreichen. Womit sie aber auch riskieren, von einem Publikum nicht beachtet zu werden, welches gerne mit Bombast und Opulenz erschlagen werden möchte.

Der für mich ärgerlichste Effekt des deutschen Minimalismus-Fetischismus ist, dass immer dann, wenn man sich mal doch durchgerungen hat, opulent-bombastisch zu sein, das ganze dann völlig verkrampft und unausgeglichen rüberkommt. Aber das ist eher mein persönliches Gefühl.


Ich sage halt, dass es 1. nicht weniger schwer sein kann, einen detailreichen Film ruckelfrei in Textform zu verfassen.
Und 2. das Ergebnis nicht weniger literarisch wertvoll und künstlerisch sein kann, als ein gekonntes Beispiel an Minimalismus.
Weil es 3. durchaus auch eine Kunst ist, mit vielen Worten viel zu sagen. Ebenso wie es eine Kunst ist, mit wenig Worten viel zu sagen.
Darum gehts mir im Grunde. ;)

Du leidest immer noch unter Auden James ? ;)


Um ‚Replay‘ zu schreiben, musste ich viel nachdenken und kürzen und wieder nachdenken und wieder kürzen und dann noch wieder umformulieren, damit es einen Sinn ergibt.
Es war trotzdem überschaubar und aus minimalistischer Sicht hätte man sicher noch viel feilen können. Aber es war auch erst einmal ein Experiment.
An ‚Gefickt Eingeschädelt‘ musste ich nicht viel feilen. Die Ausführlichkeit der Denkprozesse entspricht sehr meinem Wesen und der hohe Detailgrad fließt mir in der richtigen Stimmung nur so aus den Fingern.
Auch hier könnte man noch viel feilen, aber aus meiner Sicht oft an anderen Stellen, als insbesondere Literaturerfahrene Kritiker eben denken.

Der Unterschied ist: Replay gefällt beispielsweise Leuten wie Helios besser, als meine anderen Geschichten. Aber ich habe nie mit Helios über die Inhalte meiner Geschichten gesprochen, wie es beispielsweise mit Anna (Heli weiß damit was anzufangen) über G. E. tun konnte.
Ich habe gutes Feedback für Replay bekommen. Aber ich habe Feedback für Gefickt Eingeschädelt bekommen, dass mir die Schuhe auszog, mich zum Tanzen brachte und mir sogar Tränen in die Augen trieb. Und ich finde das großartig

Also ich hab mir jetzt mal beides reingezogen, und mal ganz ehrlich: lass die Finger von Minimalismus a la "Replay". Man merkt einfach, dass dir das weder liegt noch Spass macht, und das ist kein Vorwurf, denn wenn etwas am Schreiben wichtig ist, dann das man Spass daran hat. Dein Stil kommt in der anderen Geschichte (und artverwandten Geschichten) recht gut rüber, du solltest lieber dabei bleiben.

Deine Probleme liegen eher woanders, und ziehen sich durch beide Sorten: dir fehlt gewissermassen der Chaos-Faktor. Mit anderen Worten: ich muss dir das vorwerfen, was du mir in "Der Leibwächter" mal vorgeworfen hast, nämlich dass die Story so vorhersehbar ist. Du hältst nie Dinge in der Schwebe, und tust immer das, was der Leser als nächstes erwartet. Ich denke, wir beide glaubten, dass Pornografie nun mal so sein muss. Aber eigentlich liegt es nur an uns, das zu ändern. Wenn uns Qualität wichtig ist.


Aber ich will trotzdem versuchen, die Mechanismen dahinter zu verstehen und zu beleuchten und zu hinterfragen. Ich will das nicht als gegeben hinnehmen und bin daran interessiert, herauszufinden, wo der Teil, den nur ich in eine Geschichte einfließen lassen kann endet und wo gewissermaßen ‚austauschbare‘ Elemente wie Stil und Technik beginnen.
Deswegen bin ich an allem interessiert, was ich über den Wert von Detailverliebtheit in die Finger bekommen kann. ;)

Ich denke, ich sollte das mit dem Chaos-Faktor und seiner Bedeutung mal in einem extra Thread ansprechen.
 
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