Der Beginn einer Geschichte

swriter

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Wie beginnt ihr eine Geschichte? Fangt ihr mit einer Einleitung an, stellt die Charaktere in Ruhe vor und beleuchtet deren Vergangenheit oder steigt ihr sogleich voll in die Story ein?

Bei fast allen Geschichten steige ich spontan ins Geschehen ein, so als ob plötzlich jemand eine Kamera auf das Geschehen richten würde. Da unterhalten sich zwei Freundinnen schon eine Weile miteinander und dann beginnt meine Geschichte mit einem Satz und der Leser verfolgt das Gespräch, ohne die Vorgeschichte oder den Beginn der Unterhaltung zu kennen.

Oder würdet ihr euch Zeit nehmen und darauf hinweisen, dass es da zwei Freundinnen gibt, die sich seit dem Kindergarten kennen, die sich immer wieder treffen und die sich zum Kaffeetrinken verabredet haben? Präsentiert ihr dem Leser das komplette Gespräch von vorne bis hinten?

swriter
 
Hallo swriter,

alle, von Dir genannten Optionen sind geeignet für einen Anfang. Die Frage ist meiner Meinung nach, zu allgemein gefasst.

Der Umfang der Geschichte hat wesentlichen Einfluss. Bei einer epischen Fantasy-Saga sollte man den Lesern erst mal Land und Leute vorstellen, bevor sie sachte in die Handlung eintauchen.

Bei einer Kurzgeschichte, muss man direkt in der Szene einsteigen, da zählt jedes Wort.

Und zwischen diesen Extremen liegen unzählige Abstufungen und Möglichkeiten.

Spannend finde ich Erzählungen, die mit einem verwirrenden Schluss beginnen, um dem Leser in der folgenden Handlung plausibel zu machen, wie es dazu kommen konnte.

Lg
Faith
 
Mitten in der Handlung...

... ist mein Ding. Ich finde lange Einleitungen und Beschreibungen der Szene ermüdend. Lieber lass ich die Leser durch die Augen der Protagonisten blicken. Wie sehen diese ihre Welt? Wo sind ihre Freuden, Nöte, Ängste? Sollen sie sich den Mund fusslig reden und der Erzähler Pause machen. Bin ich bisher gut mit gefahren.

Lieben Gruß

Sena
 
Wie beginnt ihr eine Geschichte?

Fangt ihr mit einer Einleitung an, stellt die Charaktere in Ruhe vor und beleuchtet deren Vergangenheit oder steigt ihr sogleich voll in die Story ein?


Jede Story hat eine Einleitung, so wie jedes Ding (ausser der Wurst) auch einen Anfang hat.

Wenn Du glaubst du würdest mitten Im Geschehen anfangen, dann ist das eben Deine Einleitung.

Da unterhalten sich zwei Freundinnen schon eine Weile miteinander und dann beginnt meine Geschichte ...

Ah, dass ist Deine Einleitung.


Oder würdet ihr euch Zeit nehmen und darauf hinweisen, dass es da zwei Freundinnen gibt, die sich seit dem Kindergarten kennen, die sich immer wieder treffen und die sich zum Kaffeetrinken verabredet haben? Präsentiert ihr dem Leser das komplette Gespräch von vorne bis hinten?

Da ich meine Geschichten I.d.R. aus der Ich Perspektive schreibe, muss ich meine Einleitungen ganz anders beginnen.

Ich kann Dir daher nur sagen, dass ich Einleitungen die wie ein Lebenslauf beginnen eher langweilig finde. Eine Geschichte muss sich allmählich entwickeln und das geht besser wenn man nicht wie bei einer Kreuzfahrt zu Beginn das Programm präsentiert bekommt.

Also besser ist es wie in Deinem Beispiel, die Freundinnen erzählen (das ist ja schon eine richtige Rahmenhandlung) ob die jetzt ewig befreundet sind, spielt doch nur eine Rolle wenn deren Freundschaft auch in der eigentlichen Handlung wichtig ist.

Aber eine Geschichte die mit dem Lebenslauf der Freundinnen anfängt ist doch uninteressant.

Ich muss Dir aber sagen dass ich ein Problem habe die Beschreibung der Hauptperson am Anfang meiner Geschichte unterzubringen, das ist bei Ich Erzählungen IMHO nicht so einfach, es wirkt wie eine Plattitüde wenn die Erzählende Person gleich im ersten Satz vor dem Spiegel steht, sich durch die langen blonden Haaare streicht, Lippen, Augenbrauen und Augenfarbe überprüft sowie ihr Brüste auf Elastizität testet.
 
Ich muss Dir aber sagen dass ich ein Problem habe die Beschreibung der Hauptperson am Anfang meiner Geschichte unterzubringen, das ist bei Ich Erzählungen IMHO nicht so einfach, es wirkt wie eine Plattitüde wenn die Erzählende Person gleich im ersten Satz vor dem Spiegel steht, sich durch die langen blonden Haaare streicht, Lippen, Augenbrauen und Augenfarbe überprüft sowie ihr Brüste auf Elastizität testet.

"Meine Liebhaber bescheinigen mir einen wahren Knackarsch."
"Ich streiche eine Strähne meiner blonden Haarpracht hinter das Ohr."
"Ich funkle die Waage böse an. 78,5 Kilo... Ich hasse das Teil."
"Auf dem Weg Richtung Wohnungstür fällt mein Blick auf mein Spiegelbild. Was ich sehe, gefällt mir. '
"Oh, du hast deine Haare heute hochgesteckt. Gefällt mir", merkt meine Freundin an.

u. s. w.

Das sind aber dann auch eher Sätze, die ich im Verlauf der Geschichte bringen würde. Recht weit vorne, damit der Leser sich nicht bereits auf einen anderen Typ eingestellt hat, aber nicht in den ersten Sätzen. Solche Informationen bringt man am Besten nebenbei in die Story ein und ich empfinde es als schlechten Stil, wenn man sich direkt im ersten Satz dem Publikum vorstellt.

"Hallo, mein Name ist Sandy. Ich bin 23, wohne in einem verschlafenen Dorf in Bayern, ich habe lange blonde Haare, die mir bis zum Hintern reichen. Meine Schamhaare habe ich abrasiert, ich trage Körbchengröße 85C und das ist meine Geschichte."

Wobei... Manche Leser benötigen diese Informationen, da sie es sich mangels Vorstellungskraft nicht selber ausmalen können.

swriter
 
Aus Lesersicht bevorzuge ich Deine ersten Beispiele, die den aktuellen Moment beschreiben, gerne auch das Wo und die Zeit, eine erste Personenkonstellation...

Das zweite Beispiel hab ich über die Jahre zu fürchten gelernt. Solche Leibesvisiten verbinde ich mit eher schwachen Geschichten, weil sie sich meist auch nur auf das Äußere, das Körperliche konzentrieren.

Wo die Reise bei erotischen Geschichten hingeht, ist ja relativ klar. Den kleinen feinen Unterschied zwischen Erotik und Porno macht, aus meiner Sicht, aber das Warum aus. Wieso kommen diese beiden - oder mehr - zusammen und dafür eignet sich die Situationsbeschreibung besser als ein Steckbrief.

Wer geht schon in eine Bar, macht sich nackig, um dann zu fragen: "So, jetzt kennt ihr mich ja alle. Wer will reden?"

Solche intimeren Details würde im Verlauf einstreuen, schon um einen Spannungsbogen aufzubauen.
 
Also ich bin auch ein Fan des direkten Einstiegs in die Handlung:

»Plötzlich stand er mit dem Messer vor mir.«

Danach kann ich ja immer noch egal was erzählen; was ich gerade will, zB:

»Eigentlich kannten Peter und ich uns schon aus der Schule. Er hatte dann damals Juja studiert und ich vergleichende Literaturwissenschaft. Schon damals hatte er mich jedes Mal geneckt wegen meiner etwas dickeren Oberschenkel, wegen meines kräftigen Pos, wie von Kim Kardashian - "dicker Arsch" hatte er oft gesagt, bevor wir miteinander ausgegangen waren - obwohl ich ihm schon damals immer an der Nasenspitze angesehen hatte, dass er am liebsten in dem Moment genau dort hin gegriffen hätte.

Was er sich aber nicht mehr getraut hatte, seit ich einem seiner Freunde, Stefan, in dem Lokal in der Lange Gasse einmal einen Aschenbecher an den Kopf geworfen hatte. Stefan war eigentlich auch ganz okay. Aber er hatte mir an dem Abend die ganze Zeit nur auf die Brüste gestarrt. Und irgendwann hatte es mir einfach gelangt.

Vor einer Woche hatte mich Peter dann angerufen. Er würde heute in die Stadt kommen wegen einer Verhandlung, und Stefan sei auch dabei, weil er in dem Prozess eine Aussage machen müsse. Wenn ich wolle, konnten wir am Abend davor alle miteinander ausgehen, ganz so, wie früher.

Und jetzt stand er plötzlich mit dem Messer vor mir.


--

Es gibt sicher eine genaue Formulierung für das, was ich hier gerade als Erzählungs-Einstieg gemacht habe... aber im Prinzip: Ich glaube, ich hab da gar nicht so wenig erzählt über die drei handelnden Personen - obwohl, im Grunde: Die "eigentliche" Handlung hat ja noch nicht einmal angefangen.... ;)
 
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