Emotionales vs. analytisches Schreiben

aa) Wenn ich mir das so anschaue, dann denke ich, dass der Schluss naheliegt, dass deine gemutmaßte «AJ-Methode» von meinem tatsächlichen Standpunkt diametral divergiert. Denn wo du strikt zwischen Emotion und Ratio trennst, da mache ich eine unauflösbare Einheit von Emotion und Ratio stark. Letztlich behältst du also in der Tat in dem Sinne Recht, dass mein Standpunkt deinen Gedanken Reibungsfläche und Kontrast unterlegen kann.

Ich glaube, ihr beiden macht einen grundlegenden Fehler. Nämlich den, die Mittel, die ein Schriftsteller hat, zu Methoden zu erklären. völlig klar, dass ihr da nie zu einer Einigung kommt.

Ein Künstler an sich hat 4 Grundmittel, die er sich beim Kreieren bedient: die bisweilen bis ins Kitschig-gefühlsduselige gehende Emotionalität, die bis ins avantgardistische Nicht-verstanden-werden-wollende Intellektualität, die sich leider all zu oft wiederholende (und damit manchmal auch langweilige) Traditionalität und die bis bisweilen ins unerträglich trashige gehende Originalität.

Jeder Künstler verwendet diese 4 Grundmittel in verschiedener Gewichtung, und hegt mitunter zu anderen Mitteln bisweilen auch eine gewisse Abneigung. Man muss das akzeptieren, bzw. sollte man, wenn überhaupt, seine Abneigung zu Methoden eines anderen eher kreativ nutzen. Nicht jedem liegt jede Methode.

Es wird manchmal ein bisschen so getan, als ob Emotionalität und Originalität immer zu guten und Traditionalität und der intellektuelle Standpunkt immer zu langweiligen oder verkrampften Ergebnissen führen würden. Doch egal, welche Mittel und in welcher Gewichtung man sie verwendet - man sollte das Wesen und die Auswüchse dieser Mittel kennen.

Was kojote hier als "analytisches Schreiben" beschreibt, ist einfach nur eine Methode, bei der die vorhandenen Mittel entweder gar nicht oder - auch wenn das einer subjektiven Sichtweise unterliegt - nicht angemessen genutzt wurden. Das analytische Schreiben an sich, da gebe ich Auden durchaus recht, ist aber lediglich eine Technik, und einem guten Schriftsteller sieht man zum Schluss nicht an, dass (oder ob) er tatsächlich diese Technik verwendet hat.

Das Einfach-so-drauflos-Schreiben wird dagegen von ihm als "emotionales Schreiben" angesehen, obwohl es eher zur improvisierenden Originalität gehört, die zwar (nicht nur bei ihm) Emotionen auslöst - weshalb er es als emotionales Schreiben ansieht - aber eben nicht explizit Emotionen widerspiegelt oder den Fokus auf diese legt, was wirkliches emotionales Schreiben wäre. Auch wenn es nicht jeder nachfühlen kann, aber alle 4 Grundmittel sind fähig, bei richtiger Dosierung und entsprechenden Kontext/entsprechender Dramaturgie tiefer gehende Gefühle auszulösen.

Grundvoraussetzung ist, dass man mit seinen Mitteln umgehen kann. Das analytische Schreiben als solches kann m.E. nur die Verwendung der jeweiligen Mittel organisieren, sorgt aber nicht zwangsweise dafür, dass die Mittel auch richtig oder angemessen genutzt werden.
 
Ähm... Sorry...
Es geht aber nicht um die Stilmittel und Bausteine, sondern um die Schreibtechnik.
Nicht das 'was ist in der Story', sondern das 'wie entsteht die Story'.

Ich meine die Arbeitsweise. Deswegen auch das Architektenbeispiel.
Unabhängig davon, welchen Stil das Haus hat - ob es Jugendstil ist, oder Art Deco, oder Plattenbau - ist der eine Punkt. Aber mir geht es um die Art und Weise, in der es vom Architekten geschaffen wird.
Das fließt zwar ineinander über, aber es ist ein Unterschied.
 
@Kojote

@ AJ
Okay. Das ist ein interessanter Einblick in deine Sichtweise.
Du hast Recht: Ich hatte das anders eingeschätzt.
Danke für die Erklärung. Und entschuldige, dass ich das Beispiel fälschlicherweise über dich als Mittelsmann charakterisiert habe.

@ Munachi
Ich meine, wie verhält sich das statistisch.
Sind männliche Autoren stärkere Planer? Oder ist das geschlechtsunspezifisch?

@ Lehrer und ihre Sichtweisen
Leider muss man weder besonders helle, noch besonders rege im Geist sein, um Deutschlehrer zu werden.
Und manche von denen stagnieren dann auch noch in jedweder Entwicklung.
Es ist echt Glückssache, ob man Lehrer hatte, die originellen Gedanken gegenüber aufgeschlossen waren und Gedankenspiele gefördert haben.

Dein Urteil über Deutschlehrer ("Leider muss man nicht besonders helle, noch besonders rege im Geist sein, um Deutschlehrer zu werden") ist nicht nur zu pauschal, sondern eindeutig falsch.

Na ja, wer Kafka für nen Spinner bzw für keinen guten und wichtigen Autor hält...(Lach) (Ist nicht persönlich gemeint, aber um Kafka zu verstehen, muss man in der Tat helle sein. Ein bisschen wenigstens. Man sollte dafür zumindest nicht ganz doof sein).

Bei (Deutsch)Lehrern ist es wie bei jeder anderen Berufsgruppe: es gibt Gute und es gibt weniger Gute. Und es gibt schlechte und inkompetente.
lg
"rosi" (Johannes)
 
@Once again: (Deutsch)Lehrer.

Zu "Kojotes" abenteuerlicher Aussage in Posting 20 ("Um Deutschlehrer zu werden muss man nicht besonders helle, noch besonders rege im Geist sein")

Das erinnert mich an meine Tante, die früher immer behauptet hat, Lehrer hätten es doch so schön, da sie so oft Ferien hätten, und nicht wirklich viel arbeiten müssten.

Für ein Land wie Deutschland, das kaum natürliche Ressourcen besitzt, wird eine Ressource immer wichtiger, um die Zukunft zu bestehen, und diese Ressource heißt BILDUNG.
Und Bildung- jedenfalls deren elementare Grundlagen- wird in erster Linie in der Schule vermittelt.
Und in der Schule arbeiten- wir ahnen es- LEHRER. Auch-Schreck,lass nach!- DEUTSCHLEHRER.

Lehrer war schon immer ein verantwortungsvoller Job, und er wird in Zukunft noch an Bedeutung und Verantwortung gewinnen.

An Deutschlands Schulen gibts viele gute Deutschlehrer/innen. Es gibt natürlich auch einige Ausfälle.
Da ist die Schule nicht anders als ein Forum namens LIT (Grins)
 
Ähm... Sorry...
Es geht aber nicht um die Stilmittel und Bausteine, sondern um die Schreibtechnik.
Nicht das 'was ist in der Story', sondern das 'wie entsteht die Story'.

Ich meine die Arbeitsweise. Deswegen auch das Architektenbeispiel.
Unabhängig davon, welchen Stil das Haus hat - ob es Jugendstil ist, oder Art Deco, oder Plattenbau - ist der eine Punkt. Aber mir geht es um die Art und Weise, in der es vom Architekten geschaffen wird.
Das fließt zwar ineinander über, aber es ist ein Unterschied.

Sorry, kojote, aber es gibt keine "emotionalen Architekten". Es gibt vielleicht sowas wie emotionale Architektur, aber die bezieht ihre Wirkung auch vor allem aus dem Wissen um die Wirkung bestimmter verwendeter Stilmittel. Architekten müssen früher oder später analytisch und methodisch vorgehen, Freestyle-Architektur kann zwar originell sein, ist aber in den seltensten Fällen wirklich gut.

Mit Literatur ist es ähnlich. Ein Henry Miller mag noch aus dem Bauch heraus geschrieben haben, bei Bukowski bin ich mir schon nicht mehr sicher. Abgesehen davon, dass er ganz bestimmte Stilmittel geradezu betont genommen hat, wirken seine Geschichten auch wie schlüssige Geschichten, während Miller sich schon mal im eigenen Delirium verirren kann (wofür ich ihn immer bewundert habe...).

Bei den Arten der Erschaffung eines Werkes gibt es nicht nur Planung und Improvisation, es gibt auch das Experiment und die Analyse. Ich hab so ein bisschen das Gefühl, dass du "Planung" und "Analyse" genauso gleichmachst wie "Improvisation" und "Experiment". Man muss diese 4 Techniken aber einzeln betrachten, die Planung ist, wie du selbst sagst, Arbeit am Fundament, ich seh das auch so, die Analyse hingegen ist eine intellektuelle Beschäftigung mit dem Ergebnis (oder auch mit fremden Ergebnissen). Die Art und Weise, wie du "Analytisches Schreiben" jedoch als Arbeitsprozess beschreibst, lässt die eigentliche Analyse vollkommen aussen vor, bzw verengt sie lediglich auf Traditionalismus.

Um es klar zu sagen: man kann auch ohne 'Planung schreiben, aber man kommt damit meistens nicht weit. Früher oder später muss man strukturieren, analysieren, Ergebnisse auswerten und gegebenenfalls als Experiment abtun etc. Natürlich kann man sich auch ver-planen, indem man grundsätzlich alles plant und für Experimente oder Improvisationen keinerlei Platz mehr lässt. Verdammen würd ich das nicht, wenn es funktioniert.

Ich persönlich akzeptiere, dass hier viele Leute ohne vorherige Planung schreiben, man muss das bei den meisten kurzen Texten auch nicht wirklich voraussetzen. Die Analyse dessen, was sie da eigentlich geschrieben haben, würde manchen aber durchaus mal gut tun, unabhängig davon, ob das Ergebnis über Planung oder über Improvisation entstanden ist. Ich würde es auch akzeptieren, wenn Leute auf die Analyse verzichten und diese Aufgabe ihren Lesern überlassen würden.

Ich sehe bei einigen auch noch eine gewisse Art von Experimentierfreude, die immer gut tut. Das Hauptproblem bei fast allen Schreiberlingen - mit ganz wenigen Ausnahmen - ist wirklich der Umgang mit Kritik. Aber dazu hatte ich ja schon einmal was geschrieben.....
 
Freestyle-Architektur kann zwar originell sein, ist aber in den seltensten Fällen wirklich gut.

That's exactly the point I was aiming for!
Und in diesen seltensten Fällen ist sie dann vielleicht sogar besser als the other way around...

Das war der Hintergrund meiner Gegenüberstellung. Und die Frage darin.
 
@Popping Tom und Henry Miller

Sorry, kojote, aber es gibt keine "emotionalen Architekten". Es gibt vielleicht sowas wie emotionale Architektur, aber die bezieht ihre Wirkung auch vor allem aus dem Wissen um die Wirkung bestimmter verwendeter Stilmittel. Architekten müssen früher oder später analytisch und methodisch vorgehen, Freestyle-Architektur kann zwar originell sein, ist aber in den seltensten Fällen wirklich gut.

Mit Literatur ist es ähnlich. Ein Henry Miller mag noch aus dem Bauch heraus geschrieben haben, bei Bukowski bin ich mir schon nicht mehr sicher. Abgesehen davon, dass er ganz bestimmte Stilmittel geradezu betont genommen hat, wirken seine Geschichten auch wie schlüssige Geschichten, während Miller sich schon mal im eigenen Delirium verirren kann (wofür ich ihn immer bewundert habe...).

Bei den Arten der Erschaffung eines Werkes gibt es nicht nur Planung und Improvisation, es gibt auch das Experiment und die Analyse. Ich hab so ein bisschen das Gefühl, dass du "Planung" und "Analyse" genauso gleichmachst wie "Improvisation" und "Experiment". Man muss diese 4 Techniken aber einzeln betrachten, die Planung ist, wie du selbst sagst, Arbeit am Fundament, ich seh das auch so, die Analyse hingegen ist eine intellektuelle Beschäftigung mit dem Ergebnis (oder auch mit fremden Ergebnissen). Die Art und Weise, wie du "Analytisches Schreiben" jedoch als Arbeitsprozess beschreibst, lässt die eigentliche Analyse vollkommen aussen vor, bzw verengt sie lediglich auf Traditionalismus.

Um es klar zu sagen: man kann auch ohne 'Planung schreiben, aber man kommt damit meistens nicht weit. Früher oder später muss man strukturieren, analysieren, Ergebnisse auswerten und gegebenenfalls als Experiment abtun etc. Natürlich kann man sich auch ver-planen, indem man grundsätzlich alles plant und für Experimente oder Improvisationen keinerlei Platz mehr lässt. Verdammen würd ich das nicht, wenn es funktioniert.

Ich persönlich akzeptiere, dass hier viele Leute ohne vorherige Planung schreiben, man muss das bei den meisten kurzen Texten auch nicht wirklich voraussetzen. Die Analyse dessen, was sie da eigentlich geschrieben haben, würde manchen aber durchaus mal gut tun, unabhängig davon, ob das Ergebnis über Planung oder über Improvisation entstanden ist. Ich würde es auch akzeptieren, wenn Leute auf die Analyse verzichten und diese Aufgabe ihren Lesern überlassen würden.

Ich sehe bei einigen auch noch eine gewisse Art von Experimentierfreude, die immer gut tut. Das Hauptproblem bei fast allen Schreiberlingen - mit ganz wenigen Ausnahmen - ist wirklich der Umgang mit Kritik. Aber dazu hatte ich ja schon einmal was geschrieben.....

"PT", deine Analyse von HENRY MILLER- einem meiner absoluten Lieblinge- ist treffend.
Ich bin beieindruckt, "PT." Ich bin wirklich beeindruckt.
Was bei mir, wie man weiß, wahrlich nicht einfach ist.
lg
"rosi" (Johannes)
 
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