Munachi
Sumaq Sipas
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- Feb 22, 2005
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Hallo... Ich habe grade mal drüber nachgedacht, wie ich meine Geschichten so anfange, also was "typisch" für mich ist. Dabei bin ich mal meine deutschen Geschichten durchgegangen, und interessanterweise fangen fast alle mit einer Beschreibung an - bei den englischen gibt es auch ein paar, die mit einem inneren Monolog oder einem Gespräch beginnen, oder gleich in die Handlung springen. Ist eventuell einfach Zufall, dass es gerade bei den beschreibenden Geschichten deutsche Versionen gibt... Nun, ich dachte es sei mal interessant, wenn wir hier verschiedene Anfänge (also nur der erste Absatz, so fünf bis zehn Zeilen höchstens) posten, und erklären warum wir so anfangen, bzw. darüber diskutierten. Wäre interessant, ein paar Geschichtenanfänge von euch zu lesen, und zu sehen warum ihr sie so geschrieben habt, wie ihr sie geschrieben habt.
Also, als erstes "Das blaue Bett":
"Kampf des Willens, Kapitel I"
"Gejagt"
"Sohn der Berge"
Also, als erstes "Das blaue Bett":
Die Geschichte besteht zu einem sehr großen Teil aus einer Beschreibung, die Beschreibung war auch der Ursprung der Geschichte. Im Grunde ging es mir darum, ein verfallenes Haus zu beschreiben, und dann eine Geschichte dazu zu spinnen... Klar haben mir da auch schon Leser gesagt, dass ihnen das zu langweilig sei, so eine lange Beschreibung, aber ich wollte da eben diesen Stil ausprobieren. Es ging mir sozusagen mehr darum, ein Bild zu schaffen, die Geschichte war eher nebensächlich...Von der Straße sah man nur die rostigen Tore aus Eisen, den verfallenen Zaun aus verschlugenen Ornamenten schwarzen Metalls und aus spitzen Pfeilern, der einstmals zu einem herrschaftlichen Garten gehört haben mußte. Dahinter wucherte dichtes Gestrüpp zwischen hohen Bäumen, die so eng beieinander standen, daß ihre Äste und Zweige sich ineinander verflochten, und sie nur im Winter, wenn alles Laub auf dem Boden lag, Blicke auf das große, graue Haus im hinteren Teil des Gartens erlaubten.
"Kampf des Willens, Kapitel I"
Hier entstand die Beschreibung einer nächtlichen Landschaft als letztes - ursprünglich fing die Geschichte mit der Beschreibung einer Figur an. Aber weil sie verschiedene Kapitel hat (die ich eher als "Bände" sehe), beschloss ich, ihnen allen einen ähnlichen Anfang zu geben, und zwar immer eine Szene am selben See und im selben Wald - sozusagen um eine gewissen Stimmung zu schaffen, die in der eigentlichen Geschichte dann manchmal hinter die Handlung zurücktritt, aber im Hintergrund noch da sein soll.Bei Nacht ähnelt der Leskower See einem schwarzen Spiegel. Seine Tiefen sind unergründbar; auf den sich leicht kräuselnden im Winde Wellen tanzt der Mond, bis sich eine Wolke vor ihn schiebt. Die Bäume des Grünenberger Forsts reichen bis ans Ufer und strecken ihre Äste hinaus über das Wasser. Die Stille ringsum wird nur hin und wieder vom leichten Rascheln der Blätter oder dem Schrei einer Eule gebrochen.
"Gejagt"
Meine erste Geschichte auf Lit, inzwischen würde ich vieles wahrscheinlich anders schreiben... Die Geschichte soll an einen Alptraum erinnern, die Figur findet sich sozusagen plötzlich in einem gruseligen nächtlichen Wald. Wer die Figur ist, wie sie dort hinkam, spielt keine Rolle. Deshalb eben auch ein plötzliches Los-Beschreiben ("Die Bäume knarrten" statt sowas wie "Um mich knarrten Bäume") - denn im (Alp)Traum befindet man sich auch manchmal plötzlich irgendwo, aber nimmt das zugleich hin... Hier fing ich mit einer Beschreibung an, weil die Figuren, die die Handlung in Lauf bringen, sich erst langsam ankündigen sollten, und das ganze erst ruhig anfangen sollte (wenn auch unheimlich), und erst nach und nach klar werden sollte, das gleich etwas (schlimmes) passiert...Die Bäume knarrten und seufzten geisterhaft, während sie sich im Wind bogen. Im Dunkeln sahen sie aus wie große, dünne Wesen mit langen Armen, mit denen sie nach allem greifen konnten, was unter ihnen vorbeiging. Es waren alte Bäume, hoch. So sehr ich meinen Kopf in den Nacken legte, konnte ich doch nicht sehen, wie weit sie in den Nachthimmel reichten. Kein einziges Blatt wuchs auf ihnen – nur dünne Äste, die sich langsam in Wind hin und her wiegten.
"Sohn der Berge"
Die einzige deutschsprachige Geschichte, die nicht mit einer Landschafts- oder Hausbeschreibung beginnt... Sondern eher mit einem Flashback - oder das ist vielleicht der falsche Ausdruck. Im Grunde mit einer Szene mitten in der Geschichte, danach geht es zunächst darum, wie die Hauptfigur in diese Situation kam. Der Anfang hat auch hier mit der ursprünglichen Idee für die Geschichte zu tun - die kam mir nämlich nach einer Weisheitszahnoperation, als ich mit dicker Backe kaum feste Nahrung zu mir nehmen konnte, und versuchte die Scherzen mit verschiedensten Mittelchen zu unterdrücken - und entsprechend etwas neben mir stand... Die Idee ist dabei auch wieder, das zuerst eine bestimmte Stimmung geschaffen werden soll, in deren Licht dann der Rest der Geschichte getaucht ist...In jenen Wochen ernährte ich mich fast nur von Schmerzmitteln und Wasser. Hin und wieder noch ein Joint, wenn ich die Kraft zum Rauchen hatte. Und manchmal eine Suppe, die mir ein Mädchen aus dem Dorf brachte, und die ich ohne Appetit auslöffelte, in der Hoffnung, daß sie meiner Genesung helfen könnte.