Was ist denn so in Österreich los?

Zenobit

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Mar 28, 2014
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Hallo!

Österreich ist was das Regierungsbilden betrifft etwas schneller als Deutschland. Okay Präsidenten vielleicht nicht. Man munkelt da musste auch schon mal nachgewählt werden...

Jetzt haben sie aber eine neue Regierung mit einem extrem jungen Bundeskanzler. In Deutschland wurde dem , wohl auch wegen der eigenen Regierungsbildung, nicht ganz so viel Aufmerksamkeit geschenkt.
Daher wäre es ganz nett von einem Österreicher vielleicht mal erklärt zu bekommen, wie dort die Regierung gesehen wird. Auch wenn man Österreichs Regierung hier in Deutschland nicht als rechts bezeichnen möchte gibt es da wohl ein paar vorwürfe gegen den Regierungspartner.
Dort soll es ein paar sehr Rechte Genosse geben...

Wie ist das einzuschätzen?
Kann man die Partei in etwa mit unserer AfD vergleichen (von der Ausrichtung her)?
Wie groß ist deren Einfluss auf die Regierung und wie ist die Regierungspartei selber einzuschätzen?
 
Hi Zenobit, danke für die Frage! [ich schreibe das jetzt nur mal so "aus dem Handgelenk"] :) :) ;)

Also mit der AfD (??) ist die FPÖ gleich zunächst, mal niemals (!!!) zu vergleichen. Die FPÖ gibt es bei uns schon seit Jahrzehnten. Sie war auch schon 2x in d. Regierung, ab 2000 - Schüssel (ÖVP) I & II.

Über die FPÖ möchte ich an dieser Stelle nicht zu viel sagen, das wäre nen eigenen Post wert. ;)
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Zur Regierung selbst, imho: Die ist klassisch Mitte-Rechts / nicht mehr, und auch nicht weniger.

In der Wahl kam es letzten Endes darauf hin, je die:
SPÖ: Stand auf der Seite der Flüchtlinge --> WICHTIG: Der SPÖ (ehem) Bundeskanzler / Christian Kern / war früher Vorstand der ÖBB --> also JENER Ö Bundesbahn, die die Flüchtlinge von, tlw. Athen bis nach Bayern kutschiert hat... [es gibt auch Bilder, wo er freundlich am Bahnsteig gestanden ist, und alle die Flüchtlinge begrüßt hat...]
FPÖ: Hatte schon immer eine harte Linie geg. Zuwanderern...
ÖVP: hat am Schluss umgeschwenkt. Sebastian Kurz (damals Außenminister) war dabei jener, der in der ÖVP von Anfang an eine Position gehalten hat: Wir schaffen das nicht!

soviel in aller Kürze. ;)
 
Okay. Danke für die Aufklärung.

FPÖ war aber doch schon die Partei von Jörg Haider oder?
 
FPÖ war aber doch schon die Partei von Jörg Haider oder?

Ja klaro. ;) Die Geschichte geht aber noch etwas weiter. Jörg Haider hat die Partei von irgendwas von 4% auf die 25% geführt. (apropos: die FPÖ war auch schon mal mit der SPÖ in der Regierung: Regierung Sinowaz, 1986 --> die Linken / SPÖ/SPD vergessen das nur gerne... ;) :D

Ohne jetzt allzusehr ins Detail gehen zu wollen: Dann hat Haider die Partei "gesprengt". Bei uns ist das allgemein als: Knittelfeld bekannt. In der Folge spaltete sich dann das BZÖ (orange) ab, unter Haider / von der FPÖ unter Führung HC Strache & Kickl. Das BZÖ hat sich dann, nach dem Unfalltod Jörg Haiders, aufgelöst --> worauf in der darauffolgenden Wahl die Stimmen zurück zur FPÖ geflossen sind. (ganz grob, vorletzte Wahl hatten wir noch das Team "Stronach", was sich inzw. ebenfalls aufgelöst hat...)

Seitdem ist H.C. Strache Obmann der Partei.

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Ab da - genauer: etwa, ab, wo die Partei wieder auf die 20% zu gegangen ist - hat Strache konsequent alle "Rechten" und "Antisemiten" aus der Partei rausgeschmissen / bzw. auf *weniger wichtige Posten* in der Partei verschoben: (Graf, Mölzer u.a.); damals wirkliche Partei-"Granden"...

Dann - ich spreche jetzt ungefähr um das Jahr 2010 herum - war die SPÖ-Partei-Linie -> NIEMALS mit der FPÖ! (sog. "Vranitzky-Doktrin)

Ich lass das jetzt erstmal alles lesen ^^ ;) :D

Mir ist natürlich bewusst, dass für euch, als 80 Mio-Staat, der kleine 8-Mio-südliche Nachbar, das nicht so oft / und schon gar nicht so ins Detail / in eure Tageszeitungen schafft ^^ *hihi*

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Nur diesen einen Punkt möchte ich noch einmal hervor kramen, weil das für Euch ja gerade ein Thema ist: Die FPÖ ist eine über Jahrzehnte in Ö etablierte Partei. Mit eurer AfD hat gar nix zu tun; bzw.: Sie hat *genau so viel* mit der CSU/CDU zu tun wie Viktor Orban. Der ist nämlich auch in der EVP. ^^
 
Ja, Jörg Haider war sehr lange der Chef der FPÖ. dank seiner markigen Sprüche wurde er viel weiter rechts (ich weiß zwar, warum das "rechts" heißt, aber ich finde es immer wieder merkwürdig, einen Anklang an "richtig", "Recht" und "Richter" zu erkennen, ebenso wie "links" ja nicht unbedingt "linke Typen", "gelinkt werden" oder Ähnliches implizieren sollte) eingeordnet als es dem wahren Gehalt entsprochen hätte.

Übrigens gab es schon vor Schüssel I & II eine Regierungsbeteiligung der FPÖ:
1970 unterstützte sie eine SPÖ-Minderheitsregierung unter Bruno Kreisky und 1983 bildete Fred Sinowatz (SPÖ) mit Norbert Steger (FPÖ) eine rot-blaue Koalition. Rein personell war die FPÖ damals noch weit "rechter" als zu Haiders späteren Zeiten, als er die blau-schwarze Koalition (die FPÖ hatte ein paar Stimmen mehr als die ÖVP) einfädelte. Aber das hat damals niemanden aufgeregt. Erst 2000 empörte sich halb Europa.
Politisch würde ich die FPÖ (damals wie heute) weit links von den Republikanern in den USA und etwas links von den britischen Torys einstufen. Rein gefühlsmäßig.

Mehr Sorgen macht mir, dass die FPÖ und ihre Spitzen ständig in Wirtschaftsskandale (Steuerhinterziehung, Korruption, Freunderlwirtschaft) verstrickt sind und waren - und der ganze Jugendhype.

Die Politjünglinge haben sich in Österreich meist nicht mit Ruhm und Ehre bekeckert:
Hannes Androsch (SPÖ): 1970 mit 32 Jahren jüngster Finanzminister, später unrühmlicher Steuerhinterzieher. Von Ärgerem wurde nur gemunkelt.

Karl-Heinz Grasser (FPÖ): 2000 mit 31 Jahren noch jüngerer Finanzminister, steht jetzt endlich nach zahlreichen Skandalen vor Gericht.

Ich frag mich nur, wen es von der derzeitigen Regierung als Ersten erwischt. Nun wäre die ÖVP dran; da bietet sich natürlich Sebastian Kurz an, aber ich glaube, der traut sich nicht.
 
Last edited:
Das Interesse was ich an Österreichs Politik habe, hat weniger mit deren Größe zu tun. In Frankreichs Parteienlandschaft kenne ich mich ebenso wenig aus.
Jörg Haider war mir in diesem Zusammenhang noch ein Begriff, da dessen Erfolg auch bei uns in Deutschland ein Thema war. Zu dessen "Hochzeit" hatten wir mit den Republikanern der DVU und der NPD gleich drei rechtsradikale Parteien in unserem Land, die aber verhältnismäßig wenig Erfolg hatten, da sie sich letztendlich auch gegenseitig die Stimmen geklaut haben.

Den Vergleich mit der AFD meinte ich auch nicht von der Tradition bzw. des Alters der Partei, sondern von den politischen Zielen und der Art wie die Partei Politik macht.
Unsere AfD distanziert sich öffentlich davon eine rechtsradikale Partei zu sein, duldet aber sowohl Mitglieder die aus rechtsradikalen Parteien zu ihnen kommen und fischt auch noch im rechten Bereich nach Wählerstimmen.
Über die ziele der Partei kann man streiten aber deren Methoden Stimmen zu bekommen kann man bei genauerer Betrachtung schon als "Bauernfängerei" bezeichnen.
 
Zur Begründung meiner Frage:
Österreich ist zwar etwas kleiner als Deutschland, gleicht dem Land aber in vielen Dingen.
Kultur, Religion, soziales Umfeld und Wirtschaft dürften sich sehr stark ähneln.
Daher könnte man dessen Politik auch als Messlatte für Deutschland sehen. Es ist schon interessant zu sehen ob und in welche Richtung sich das Land entwickelt.
Das lässt Rückschlüsse ziehen wie es bei uns mit ähnlicher Regierungsbildung laufen würde...
 
Alles, was hinkt ist ein Vergleich!

In Österreich gab es in der Vergangenheit zwei extreme Parteien, die KPÖ, die bis auf die Anfangsjahre nicht über 1 bis 2 % bei schwacher Konkurrenz hinaus kam und die NPD des Norbert Burger. Die wurde aber 1998 aufgelöst, weil sie verfassungswidrig war. (Verbotsgesetz von 1947)
So ein Gesetz gibt es m.W. in Deutschland nicht, zumindest nicht in dieser Strenge, weshalb rechtsradikale Umtriebe in Deutschland schwer zu ahnden sind. Bei uns kann man für einen Hitlergruß in Haft wandern (im Wiederholungsfall).

Die FPÖ war am Anfang in der Klemme zwischen den annähernd gleich starken Parteien ÖVP und SPÖ.
Die ÖVP war die Partei der Bauern, Unternehmer und Beamten, die SPÖ jene der Arbeiter, Eisenbahner und Intellektuellen, die auf der Straße "Ho-ho-ho-tschi-minh" skandierten. Wer sollte also FPÖ wählen?
Als Ausweg biederten sie sich bei den Altnazis und deren "Fanclubs" an. Dabei waren die Parteispitzen eher gemäßigter als sie sich bei diversen "teutschtümelnden" Veranstaltungen gaben. Da reichten schon ein paar "Reizworte" um die Rechtsrechten bei der Stange zu halten (vgl. Haiders Spruch von der "ordentlichen Beschäftigungspolitik im Dritten Reich"). Die Außenwirkung war natürlich fatal, denn alle Nichtösterreicher glaubten daran, dass daraus eine neue NSDAP entstehen würde, wenn man sie machen ließe.
Dabei darf nicht vergessen werden, dass sich Ex-Nazis in ALLEN Parteien fanden, wenn man genau hinschaute, was z.B. nach Regierungsbildungen der Fall war.

Es kommt eben nicht allein auf die Sprüche an, sondern auf die Taten. Und da wird man abwarten müssen, was wirklich kommt.

Dabei ist ja jetzt schon abzusehen, dass sie sich die Gustostückerln für den nächsten Wahlkampf zurechtlegen und auf die lange Bank schieben. Die Stärkung der Direkten Demokratie z.B. wird erst 2022 kommen. Das sollte das nächste Wahljahr sein.

Über dieses Thema habe ich mal eine kleine Geschichte geschrieben, ganz unerotisch, aber nicht unlustig.
 
Zur Begründung meiner Frage:

Du musst dich nicht entschuldigen dafür, dass du Fragen stellst. Mir gehen nur langsam die *Fragen* aus ^^

Ist die FPÖ mit der AfD vergleichbar? -> Nein.
Wie ist das einzuschätzen? -> Es ist eine Mitte-Rechts-Regierung.
Wie groß ist der Einfluss auf die Regierung? -> Naja, die neue Regierung hat ihren Punkt umgesetzt: Schutz vor unkontrollierter Zuwanderung // Keine Zuwanderung ins Sozialsystem..
... aber das war auch schon zuvor die Position der ÖVP; Da ist Sebastian Kurz schon quer durch alle dt. Talkshows getingelt, um dafür Werbung zu machen, dass man nicht jeden ins Sozialsystem lässt, der zufälligerweise gerade die 10.000 EUR auf der Kante hatte, um die Schlepper zu bezahlen auf dem Weg hin nach Bayern od. gleich ganz durch D nach Schweden...

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Also da bräuchte ich bitte wiedermal eine Frage von dir ^^ *hihi*
 
EDIT Delete.

Ich möchte meine Position im politischen Spektum ebenfalls klar machen: Ich bin Mitte-Rechts. Also ich hab kein Problem damit, wenn Leute, bitteschön, in ihren eigenen Ländern etwas zum Aufbau ihrer eigenen Länder beitragen...
 
Last edited:
Die Gesetzeslage ist in Deutschland ähnlich wie in Österreich. Hitlergruß und das Tragen von Nazisymbolen in der Öffentlichkeit sind verboten und führen zur Strafanzeige.
Parteien können auch verboten werden, wenn sie gegen das Staatsystem sind und z.B. Kommunismus oder eine Diktatur zum Ziel haben.
Daher sind z.B. die NSDAP und die KPD verboten.

Unsere rechtsextremste Partei dürfte derzeit die NPD sein, die vom Verfassungsschutz überwacht wird. Über deren Verbot diskutiert man schon über Jahre hinweg. Problematisch dabei ist, daß man befürchtet die Neonaziszene mit einem Verbot in den Untergrund und zur Gründung einer neuen Partei zu drängen. Dei NPD vermeidet es zudem z.B. ganz öffentlich gegen Gesetze wie die Holocaustleugnung zu verstoßen. Politisch gesehen hat sie auch keinen Einfluß und steht kurz vor der Pleite...
 
Ich möchte das nur kommentieren: D.h. du, helios bist ein SPÖler u/o. Linker. Korrekt? Zumindest klingt das absolut so, wie du schreibst.

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Ich möchte meine Position im politischen Spektum ebenfalls klar machen: Ich bin Mitte-Rechts. Also ich hab kein Problem damit, wenn Leute, bitteschön, in ihren eigenen Ländern etwas zum Aufbau ihrer eigenen Länder beitragen...

Sorry, ich habe falsch zitiert. Es muss natürlich heißen: Nicht alles, was hinkt, ist auch schon ein Vergleich.

Was bin ich jetzt? ÖVPler, FPÖler oder Neo?
Aber ich stehe dazu, Wechselwähler gewesen zu sein. Bei der letzten NR-Wahl war ich Nichtwähler, weil ich es verabsäumte, eine Wahlkarte anzufordern und am Wahltag in Griechenland war.
 
Wobei sich hier natürlich niemand verpflichtet fühlen muss abzugeben wie und was er wählt oder wo er politisch steht.

Mich hatte nur interessiert wie die Österreicher das selber sehen/einschätzen. Als einheimischer hat man da ja mehr Einblick als ein Aussenstehender.
 
Ob die nur ÖDiPus, oder Öffentliche VerbrecherPartei heissen, oder FriesenPuhlenOhrwürmer...

Es gibt immer Leute die sich wählen lassen und ebensolche, die wählen gehen.

Wie Extrem das dann teilweise werden kann, liegt viel daran, wie die Vorgänger sich gezeigt haben, meist leider nicht zum Wohlgefallen der Mitbürger.

Gruss

Hans
 
Is ja auch egal. Entweder du hast die eine, langjährige Regierunspartei *absichtlich* ausgelassen, oder eben nicht. Entweder du hast die andere Partei *absichtlich* falsch bezeichnet, oder du hast gewisse Parteien absichtlich falsch bezeichnet od. gleich vergessen... Is mir auch wurscht. ;)

Für die Deutschländer hier funktioniert das vielleicht. Ich bin halt Ösi^^ und stolz drauf! :nana:

Aber hilf mir mal kurz: Zu welcher Partei gehörte jener Baum-Umarmer?

LG, Kimber

Ich habe gar nichts vergessen! Aber nach dem falschen Zitat hast du mich gleich vollmundig links schubladisiert, also KPÖ, Grüne, SPÖ, daher fragte ich, ob ich nach den geänderten Zitat in deiner Einschätzung nach rechts (ÖVP, FPÖ, Neos, wobei man bei denen nicht sicher sein kann) gerutscht bin.

Bisschen mitdenken, Kimber, kann nicht schaden. Bloß anzunehmen, dass der Mitdiskutant ein Vollidiot ist oder besoffen, führt sicher zu keinem erquicklichen Ergebnis.
 
Natürlich nicht. ;) MIch interessiert nur gerade, ob helios 53 die vier / bzw. fünf bzw. sechs / bzw. sieben Parteien im Ö Parlament kennt bzw kannte.... ;) :D

Ich kenne sie alle nicht, denn sie wurden mir nicht vorgestellt. Und so, wie ich sie mir vorgestellt habe, waren sie sowieso alle nicht. Wahlen sind immer nur eine Entscheidung für das vermeintlich kleinste Übel - und sogar das kann eine Fehleinschätzung sein.
 
Ob die nur ÖDiPus, oder Öffentliche VerbrecherPartei heissen, oder FriesenPuhlenOhrwürmer...


Gruss

Hans

Kannst du mir den Witz erklären?

Nein, lass es! Witze, die man erklären muss, sind die Mühe nicht wert.
 
Kannst du mir den Witz erklären?

Nein, lass es! Witze, die man erklären muss, sind die Mühe nicht wert.

War kein Witz, allerdings muss man da auch nicht alle Abkürzungen und Parteien kennen...

Bei der Bundestagswahl waren 42 Parteien zugelassen, die meisten davon kennt auch kaum jemand.

Gruss

Hans
 
Wobei die meisten Parteien ja recht kleine Spartenparteien sind, die sich hauptsächlich ein Thema auf die Fahnen geschrieben haben, wie z.B. die Tierschutzpartei.
Haben auch ihre Berechtigung, wobei kleinere und lokal orientierte Parteien eher bei Kommunalwahlen erfolgreich sind und dann evtl. im Stadtrat ein oder zwei Sitze einfahren...
 
Unsere Form der parlamentarischen Demokratie hat wenig Platz für lokale Größen oder kleine Gruppierungen.

Vor gut vier Jahren, d.h. nach der letzten Nationalratswahl, bei der eine Regierungsbeteiligung der FPÖ knapp vermieden wurde, habe ich zum Thema "Missverständnisse" folgende kleine Groteske (max. 600 Wörter) geschrieben.

Das ist jetzt KEIN Diskussionsbeitrag im engeren Sinne! Aber hoffentlich Unterhaltung.

In vino veritas

© helios53, IX/2013​


„Da sind wir ja gerade noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen!“, seufzt der Abgeordnete Ludwig Großschädl und nippt an seinem süffigen Blauburgunder.

„Wie meinen Sie das mit dem blauen Auge genau, Genosse Großschädl?“, fragt der eifrige Praktikant, der auf der Liste der Partei einen aussichtlosen Platz besetzt. „Politisch gesehen, hat …“

„Papperlapapp! Politisch! Politisch sind nicht die Blauen unser Problem, sondern diejenigen, die gar nicht zur Wahl gegangen sind. Dabei heißt es ja in der Verfassung, Artikel eins: ‚Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.‘ Vom Volk, verstehen Sie, Herr Kollege? Und was macht das Volk? Es verzichtet! Kommen Sie, trinken Sie einen Schluck mit mir. Es ist ein guter Tropfen.“

„Gerne, wenn ich darf, Herr Abgeordneter.“ Er kostet. „Wirklich ein sehr guter Tropfen!“ Er nimmt einen größeren Schluck. Großschädl schenkt sich ein weiteres Glas ein und füllt auch beim Praktikanten nach. Eine Weile sitzen sie stumm und genießend. Nach der zweiten Flasche werden sie, wie halt so üblich, ein wenig sentimental und philosophisch.

„Wissen Sie, Herr Abgordeter Grobschädl“, meldet sich der Praktikant dann mit schwerer Zunge, „was ich mich immer schon fragt habe?“

„Was denn? Immer nur raus damit!“, fordert Großschädl munter. Er ist ein langgedienter Volksvertreter und entsprechend trinkfest. Nur seine Gesten werden etwas bunter und so schwappt ein guter Teil des Blauburgunders aus dem Glas auf den Kneipenboden. Großschädl schenkt nach und ordert eine weitere Flasche. „So jung kommen wir nimmermehr z’samm!“, kalauert er.

„Ich meine, wenn alles Recht vom V-volk ausgeht, warum lassen wir dann das V-volk nicht mehr Recht auschüben? Warum hat man dann noch nicht beschossen, beschloschen, beschlossen, dass auf ein erfolgreiches Vollsbegehren nicht schwingend eine Vollsabschimmund – hups- kommen muss? Dasch wäre doch im Sinne unserer Verfassung, oder nicht?“

„Junger Freund, das verstehen Sie vollkommen miss! Jedes erfolgreiche Volksbegehren wird im Parlament behandelt. So ist das geregelt und das ist gut so! Trinken Sie noch was? Prost!“ Sie stoßen an und leeren ihre Gläser. Großschädl schenkt nach.

„Aber das könnte man sich doch sch-paren! Wenn das Volk absch-timmt, dann muss das Parlament gar nicht darüber beraten. Die Sch-sch-weißer machen das ja auch so!“

Großschädl scheint angewidert, jetzt beginnt auch bei ihm der Alkohol zu wirken. Doch seine Rede ist noch klar, zumindest phonetisch:. „Die Schweizer! Immer die Schweizer. Immer sollen die unser Vorbild sein. Die sind auch neutral und wir sollen so neutral sein wie die. Und was haben die gemacht? Haben ganz neutral immer beiden Seiten Waffen geliefert und von beiden kassiert. Und wir? Wir waren noch neutraler und haben keinem offiziell geliefert und auch von keiner Seite kassiert!“

„Deschwehn samma auch total neger!“, jammert der Praktikant.

„Neger sagt man nicht!“, rügt Großschädl. „Wir sind pleite.“

„Wuscht! Deschwehn können wir trotzschedem mehr Vollsabsch-timmungen machen!“

„Warumme denn? Hab ich Ihnen nicht gerade erklärt, wie das bei uns geregelt ist? Volksbegehren, Beratung im Parlament, Abstimmung. So geht das!“

„Ja, ja, ja! Und dann wird allesch abgewürgt, immer abgewürgt. Das Volk hat gar keine Schanntse, dasch wasch besch – hups –schlossen wird, was das Volk wirrlick will!

„Jetzt mal Klarteschtt, junger Freund! Sie haben ja das System vollkommen misserstanden. Ich werde dafür Sorge tragen, dass Sie politschich nie eine Rolle spielen. Sie sind ja gefährlich mit ihrene Flausen! Wissen Sie, was die als allererschtes beschließen täten, wenn man, wenn WIR sie lassen täten? Ha?“

„Wasch?“

„Mindschten die Hälfte von uns abschaffen! Dann gute Nacht, Groschschädl und Genoschen! Ende Gelände! Und darum“, er reißt sich zusammen und spricht nun wirklich Klartext: „Wir Abgeordneten vertreten das Volk. Versteht er das? WIR sind das Volk!“
 
Damals ....
Die Idee kam mir spontan, als ich überlegte, wie aufgeblasen doch der österr. Nationalrat mit 183 Abgeordenten ist (1 A je ca 46.400 Einwohner). Der deutsche Bundestag kommt beispielsweise mit einem Abgeordneten je 129.800 Einwohnern aus und, mal ehrlich, sind da nicht 620 auch viel zu viele??

Also, wie könnte man die Anzahl verringern? Nur mit einer Volksabstimmung, denn selber beschließen werden die Parlamentarier ihre Selbstabschaffung nicht. Allerdings muss eine VA vom Nationalrat beschlossen werden, wodurch sich die Katze in den Schwanz beißt. Also müsste zuerst festgelegt werden, dass ein Volksbegehren mit einer bestimmten Anzahl von Unterstützungen zwangsläufig zu einer VA führt. Zuerst das eine, dann das andere! Doch da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Die sind ja nicht blöd, dass sie nicht ahnen, was das einfache Volk im Schilde führte. Und deswegen werden alle Initiativen dahin stets blockiert. "Das Volk" hat im Grunde gar nichts zu melden. So ist das!
 
Ich habe gar nichts vergessen! Aber nach dem falschen Zitat hast du mich gleich vollmundig links schubladisiert, also KPÖ, Grüne, SPÖ, daher fragte ich, ob ich nach den geänderten Zitat in deiner Einschätzung nach rechts (ÖVP, FPÖ, Neos, wobei man bei denen nicht sicher sein kann) gerutscht bin.

Bisschen mitdenken, Kimber, kann nicht schaden. Bloß anzunehmen, dass der Mitdiskutant ein Vollidiot ist oder besoffen, führt sicher zu keinem erquicklichen Ergebnis.

Ja, hab ich wohl wieder mal überreagiert. :eek: Ich hab mich nur geärgert, warum du die Neos falsch nennst... & mit der Frage geantwortet, ob du überhaupt wüsstest, wer der "Baum-Umarmer" [Matthias Strolz natürlich^^] war... Die Neos sind aktuell die *dritte* große Kraft im Parlament, die bringen die Verfassungsmehrheit... :rose:

Im Übrigen stimme ich deinem letzten Post im Grunde zu: Ich finde auch, dass der Ö NR viel zu überdimensioniert ist... Ich meine: Wir haben doch nur knapp 9 Mio Einwohner? Da würdens doch 90 Abgeordnete auch tun - rd. 1 pro 100.000 EW...? Das wäre für mich eine nachvollziehbare Ordnung; od. eben nur 60, bei eben 1 pro 100.000 Wahlberechtigte...

Aber, wie du schon sagtest: Das wird wohl nie kommen... :rolleyes: :(
 
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