Emotionales vs. analytisches Schreiben

Kojote

dead serious lunatic
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Jan 31, 2010
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Mir geistert in den letzten Tagen ein Denkansatz im Kopf herum, den ich mal versuchen will auszuformulieren.
Es geht um die Herangehensweise beim Schreiben. Um die Schreibtechnik.

Eine kurze Erklärung der beiden Begriffe, die ich einander gegenüberstellen will:

Analytisches Schreiben oder ‚die AJ-Methode‘
Bei dieser Schreibtechnik ist Methodik die Crux. Alle bewährten und erprobten Techniken großer Autoren werden betrachtet und zu einem eigenen Stil kombiniert, der sich vermutlich sogar irgendwie mit prozentualen Anteilen beziffern ließe. Sowas wie 70% Sol Stein mit 5% diesem und 10% jenem Autoren.
Effekte werden erzielt, indem bestimmte Techniken bewusst angewandt werden. Die Geschichte wird geplant. Die Elemente werden benannt und mit Inhalt gefüllt. Emotionen und Reaktionen beim Leser lassen sich durch bestimmte Techniken erfahrungsgemäß erzielen und werden entsprechend angewandt.
Für jedes Problem gibt es eine Lösung, die bereits erfolgreich verwendet wurde. Aber für einfaches ‚ins Blaue schreiben‘ ist kein Raum, außer vielleicht als eine Art Brainstorming, bevor man sich das Verfasste dann vornimmt, analysiert, seziert und in eine vernünftige Form bringt.

Literaturwissenschaftler können mit dieser Form dann vermutlich recht viel anfangen, weil sie sozusagen die Marker im Text erkennen und verstehen. Es ist bewertbar. Messbar. Kategorisierbar.
Und es funktioniert auch!
Wahrscheinlich geschieht es außerdem mit den meisten Texten spätestens dann, wenn ein Verlagslektor sich an die Überarbeitung macht. Die diffusen Stellen werden ausgebügelt. Struktur entsteht da, wo sie noch nicht vorhanden ist. Alles wird bereinigt.

Auf der Metaebene hat das ganze etwas von Architektur.
Wie ein Architekt plant der Autor das Konstrukt. Er hat eine Vision vom Endergebnis, die Kenntnisse von Statik und wasauchimmersonst noch und die Erfahrung in der Umsetzung.
Er zeichnet nicht drauf los, denn er weiß genau, dass man mit dem Erdgeschoß anfangen muss (wilde Spekulation meinerseits um das Ganze in eine Form zu bringen), bevor man das Dach plant. Und er wird niemals eine Zwischenwand dort platzieren, wo es eine tragende Wand braucht, denn er kann errechnen, dass so etwas nicht funktioniert.


Emotionales Schreiben oder ‚die Luftschloss-Methode‘
Das andere Extrem aus meiner Sicht. Hier ist der Fluss wichtig und der Weg ist das Ziel.
In der extremsten Form ist diese Schreibmethode völlig unkoordiniert. Eine Idee kommt und man fängt an zu schreiben. Einfach so. Ohne Eckpunkte. Man schreibt völlig aus dem Bauch heraus.
Ich unterstelle, dass sehr viele Leute bei Lit deutlich mehr nach dieser Methode vorgehen. Sie schreiben einfach. Sie kennen vielleicht nicht einmal irgendwelche Techniken des Schreibens. Sie handeln völlig aus dem Gefühl heraus. Und das Ergebnis ist bestenfalls durchwachsen, denn es ist neben anderen Faktoren letztlich eine Glückssache, ob eine kohärente Geschichte dabei herauskommt, oder etwas völlig wirres.

Dennoch hat diese Methode einen einzelnen Vorteil gegenüber der analytischen Variante: Originalität.
Wer analytisch schreibt, erfindet selten bis nie einen neuen Stil, denn er orientiert sich immer an bereits vorhandenen Vorbildern. Hätten diese Vorbilder das auch so gehandhabt, wären sie nie zu Vorbildern für spätere Generationen geworden und Literatur wäre stilistisch heute nicht von ihrem antiken Vorbild zu unterscheiden.
Nur wer sich ohne Scheu ins unbekannte Gewässer stürzt, kann auch den Piratenschatz finden, der dort verborgen ist und von dem keiner weiß.

Natürlich entsteht in 99,999999…% aller Fälle kein bahnbrechender, neuer Stil.
Wenn so etwas wirklich passiert, dann sind es meistens Leute, die sich eingehend mit Literatur beschäftigt haben und dann trotzdem einen gewissen Sprung ins kalte Wasser wagten. Zumindest heutzutage.
Aber es gibt auch noch immer die blinden Hühner, die trotzdem Körner finden. Und die so zu den Vorbildern für kommende Generationen werden mögen.

Die Crux ist, dass es nicht falsch ist, sich daran zu versuchen. Es ist nur fragwürdig, ob es funktioniert.
Für Literaten ist das Ergebnis in den allermeisten Fällen Schrott, denn es weist nicht die Erfolgs-Marker auf, die sie identifizieren können. Und sie lesen einen Text sozusagen berufsbedingt nicht mit dem Herzen, sondern mit dem analytischen Blick eines Kenners.
Wenn man nicht gerade einen großen Namen aufweisen kann (Promis) oder bereits eine Menge guten Stoff veröffentlicht hat, wird man kaum mit seinen Experimenten so publik gemacht werden, dass jemand ohne einen Fatz Ahnung davon Wind bekommt und gegen alle Fakten die Aussage treffen kann: Das ist gut!
(Mit diesem jemand ist natürlich stellvertretend die Gemeinschaft der Leser gemeint, die so ein Buch dann vielleicht zum Bestseller machen und damit beweisen können, dass der Stil einen Platz in den Studienunterlagen der Literaturwissenschaften verdient hat.)

Das Problem an der Sache (grob vereinfacht): Wenn ein Architekt etwas erdenkt, das scheinbar nicht den Gesetzmäßigkeiten der Statik entspricht, wird er keine Baugenehmigung bekommen. Nur wenn das Gebäude trotzdem entsteht und anschließend beweist, dass es gegen alle Gesetzmäßigkeiten stehen bleibt und sogar erdbebensicher ist, kann ein Umdenken erfolgen.

Was den Regeln für ‚gut‘ nicht entspricht, muss ‚schlecht‘ oder bestenfalls ‚mittelmäßig‘ sein. Nicht nur die Deutschen funktionieren so.
In der Vergangenheit war es noch leichter, wild kreativ zu sein, weil viele Bereiche einfach noch nicht reglementiert waren. Es gab noch keine Vorlage für ‚gut‘ und deswegen wurde einfach beurteilt, was geschaffen worden war. Ohne nach den erwähnten Markern zu suchen, die erst entwickelt werden mussten.


Fazit
Analytisches Schreiben nach Regelwerk hat seinen Platz. Und wenn man auf Erfolg hoffen will, wird man sich dem zuwenden müssen, weil es einfach die Chancen erhöht.
Aber trotzdem haftet der Sache in meinen Augen eine gewisse Langweiligkeit an.
Wir leben in einer Zeit, in der so ziemlich jede Idee schon einmal verwendet wurde. Was einem Menschen passieren kann ist begrenzt. Was ein Mensch fühlen kann ist begrenzt. Was ein Mensch aushalten kann ist begrenzt.
Es wurde alles schon einmal irgendwie verwendet. Es ist sauschwer, wirklich neue Handlungsideen zu entwickeln. Ebenso wie völlig neue Charaktertypen.
Und auch die Erzählweisen sind bereits ziemlich flächendeckend bekannt. Aber genau bei diesen sehe ich noch am ehesten Potential für originelle Gedanken.

Am besten mag emotionales Schreiben wohl funktionieren, wenn man Vorkenntnisse im analytischen Schreiben hat. Je mehr, desto wahrscheinlicher wird ein Ergebnis, dass Beifall erwarten kann. Gleichzeitig sinkt aber die Wahrscheinlichkeit wirklicher Originalität.
Wenn ich Sol Stein, Hemmingway, Goethe, Shakespeare und alle möglichen Anderen studiert habe, sind ihre Stilmittel und deren Funktionsweisen in meinem Kopf. Sie einfach wieder zu löschen oder zumindest soweit zu ignoriere, dass sie nicht alles in Beschlag nehmen, ist schwierig.
Habe ich all diese Vorkenntnisse nicht, erfinde ich allerdings andererseits vielleicht auch nur etwas neu, dass es schon gibt. Was zwar ein cooles Gefühl sein mag, aber sicherlich nicht wirklich als super originell anerkannt wird, weil ja niemand weiß, dass ich es aus eigener Kraft erfunden habe.

Trotzdem tendiere ich dazu, mich nicht bis ins kleinste Detail mit all denen auseinandersetzen zu wollen, die mir sagen können, wie ich ‚richtig‘ schreibe.
Und der Grund dafür ist, dass ich eine Leseratte bin und bereits sehr viel gelesen habe. Ich bin bereits beeinflusst.
Aber ich habe auch ein Gefühl dafür, was bei mir funktioniert und wie ich Geschichten gerne erzählt sehe. Also habe ich auch schon Präferenzen.

Ich möchte emotional Schreiben. Ich möchte mir Szenen in meinem Kopf ausmalen und sie wie einen Film ablaufen lassen und dann so gut wie möglich zu Papier bringen. Oder auch einfach nur mal ein gefühl in umfangreichere Worte kleiden, bis eine Handlung daraus wird.
Ich möchte unterhaltsam schreiben. Und wenn ich dieses Ziel erreiche, ist es mir egal, ob ich technisch die Regeln befolgt habe.
Ich wäre lieber ein Raymond Feist, als ein Immanuel Kant.
Und ich denke, das ist auch gut so…


Thoughts anybody?
 
Last edited:
Analytisch schreiben - Das klingt furchtbar. Vielleicht hast du auch nur den falschen Begriff gewählt.

Selbstverständlich schreibt man in erster Linie aus dem Bauch heraus. Aber man kommt nicht drumherum vorher schon zu wissen und festzulegen, wohin die Reise geht. Das ist eine Grundvoraussetzung. Außerdem solltest du verdammt viel mehr über die Beteiligten in der Geschichte wissen, als die Leser. Und genau da kommen die von dir sporadisch genannten "Analytiker" bzw. bewährte und allseits bekannte Methoden ins Spiel. Da kommste nich drumherum
(James N.F., entschuldige bitte, dass ich dir den Begriff geklaut habe)

Schließlich will der Leser deine Gedankenreise genauso empfinden, wie du. Da kommste mit Bauchgefühl nicht viel weiter. Schließlich möchtest du dem Rezipienten nicht nur belangloses, vielleicht nett klingendes Gewäsch anbieten.

Sprach nicht Pqp in einem Nachbarfred davon, dass man als Schreiber die Grundlagen kennen sollte. Nur unter dieser Voraussetzung kann man anfangen, zu experimentieren und eigene Wege gehen.

LG
Montez...
 
Es ist sogar ganz bestimmt der falsche Begriff, weil sich schon leute damit beschäftigt haben werden. Aber es ist mein begriff und er scheint doch zu treffen, was ich aussagen will. Also ist es ein verdammt guter Begriff, gerade weil er furchtbar ist. ;)

Ansonsten sehe ich noch keinen validen Widerspruch zu meiner Aussage.
Wenn ich ganz aus dem Bauch heraus schreibe, dann lerne ich die CHaraktere tatsächlich Stück für Stück näher kennen, aber ich lerne sie schneller kennen, als der Leser. Und natürlich denke ich dann auch etwas voraus.
Allerdings nicht in festen Formen, sondern in sehr fexiblen Möglichkeitsmustern von denen sich eines dann vielleicht erfüllt.

Außerdem geht es bei meinem Ansatz auch noch um etwas anderes: Um das auskosten und einbringen von Details um der Details willen. Ladschaften wie bei Tolkien oder wunderbares wie in manchem Fantasy-Roman, einfach weil es so schön ist.
Schreiben wie Frauen denken... :D
 
Frauen denken...

:eek:

Ja, so ähnlich habe ich das wohl mal gesagt. Ich würde mich auch hüten, AJs Ansatz zu widersprechen, weil er im Grunde meine Herangehensweise ziemlich genau spiegelt.

Ich konzipiere eine Geschichte seit geraumer Zeit komplett vor, inklusive Set und Setting, recherchiere, wo notwendig (nicht immer vorab, bei längeren Projekten manchmal erst, wenn ich die notwendigen Details brauche) - das eigentliche Schreiben und auch die Entfaltung der Charaktere geschieht dann mehr oder minder dynamisch und aus dem Bauch heraus. Mit Entfaltung meine ich einen Prozess, den du vielleicht als "Kennenlernen" deiner Charaktere beschreibst.

Nichts, was ich irgendwo so beigebracht bekommen habe, oder nachgelesen, oder von anderen kopiert, sondern das ist einfach, was mir am sinnvollsten erschien und sich in der Praxis auch immer wieder bewährt hat und weiter bewährt.
 
ich weiß nicht, ob man das so trennen kann. ich würde nicht sagen, dass ich in dem sinne großartig plane - aber ich schreibe auch nicht einfach nur drauflos. wenn über die geschichten fantasieren so etwas wie planen ist, dann plane ich. manchmal denke ich auch über bestimmte bedeutungen hinter den dingen nach, versuche ein paar hintergründige sachen einzubauen... aber letztendlich lasse ich in letzter zeit eher die geschichte "sich schreiben".

das war früher mal anders, da hatte ich ganz bestimmte konzepte überlegt, nach denen ich schreiben wollte. bestimmte rhythmen, es ging weniger um die geschichte als um den aufbau, um bestimmte formen... leider hatte ich nie das durchhaltevermögen diese texte fertig zu schreiben...

übrigens - ich glaube nicht, dass literaturwissenschaftler unbedingt bestimmte marker wollen, um etwas mess- und kategorisierbar zu machen... zumindest hat das in unseren literaturseminaren nicht unbedingt eine rolle gespielt. klar ging es da schon um bestimmte formen, üblichkeiten, metaphern und was weiß ich - aber letztlich auch darum, wie diese wieder gebrochen werden...

ach ja, ein bekannter von mir hat mir mal über eine doktorarbeit erzählt, die jemand über eines seiner bücher geschrieben hat. er meinte, auf die interpretation darin sei er nie gekommen, weder beim schreiben noch danach, er fände sie jedoch sehr schön und interessant...
 
@Analytisches Schreiben/ Aus-dem-Bauch-schreiben

Diese Kontroverse kommt mir irgendwie bekannt vor? Und ich glaube, "Monty" war damals auch beteiligt?(Lach)
Vielleicht war das damals auch einfach nur ein Mißverständnis? Und ein völlig überflüssiger Gegensatz, der künstlich ist und in Wirklichkeit gar nicht existiert.

Es ist sicher bekannt, dass ich ein Anhänger der "William-Faulkner-Richtung" bin. Von Faulkner stammt der schöne Satz: "Wer sich mit Schreibtechniken beschäftigt, sollte nicht Schriftsteller, sondern Maurer oder Chirurg werden."

Analytisch schreiben klingt fürchterlich, wie "Monty" richtig sagt.

Ich denke,das Wichtigste überhaupt ist: Man muss etwas zu erzählen haben. Eine interessante Geschichte. Ein spannender Plot.
Das ist meines Erachtens die Hauptsache. Hat man das nicht, nützt einem die Beherrschung aller Schreib-und Stiltechniken nichts. Es wird ne sterile Geschichte werden und bleiben.
Deshalb halte ich auch nichts von der "AJ-Methode", wie sie "Kojote" in Posting 1 charakterisiert:
"Bestimmte Techniken werden bewusst angewendet,um bestimmte Effekte zu erzielen."
FURCHTBAR! DAS ist der sicherste Weg zu einer sterilen, toten, leblosen Story.
Man wird die Künstlichkeit der Konstruktion, die Absicht, in jedem Absatz erkennen.

Im Grunde gibt es in der (Welt)literatur nur wenig interessante Themen. Es sind immer dieselben.
Liebe, Hass, Eifersucht, die Sinnfrage.
Die Kunst besteht darin, bereits Bekanntes immer wieder interessant zu variieren und fesselnd darzustellen.

Muss der Erzähler unbedingt mehr wissen, wie seine Figuren, wie "Monty" in Posting 2 behauuptet?
Faulkner verwendet oft die Technik des "Bewußtseinsstroms". Bei ihm weiß der Leser oft nicht mehr, als die Figur, die grade erzählt (zur Meisterschaft gebracht in "Licht im August")
Zugegeben, diese Technik ist sehr schwer.

Man sollte wissen, wohin die Reise geht? Hm...einen Grundriss sollte man haben. Wie ein Architekt.
Die Möbel, die man ins Haus stellt (= die Details der Story); das entscheidet sich im Laufe des Schreibens.

John Irving beispielsweise schreibt seine nicht grade schmalen Romane immer vom Ende her.
Er weiß, wie er ne Geschichte ausgehen lässt. Wie er zu diesem Ende kommt, weiß er vorher nicht.
Das ergibt sich während des Schreibens (so hat er sich oft in Interviews über seine Technik zu schreiben geäussert).

Ich denke, ein Mix aus Analytik und Bauchgefühl ist die richtige Antwort auf ein Problem, das eigentlich nicht wirklich existiert.

Wichtig halte ich einigermaßen glaubwürdige Figuren.
Also: ein megapotenter Stecher, bei dessen Anblick die Frauen gleich umfallen und dann gibts die ganze Nacht Ramba-Zamba, ist fürchterlich langweilig.
Die Charaktere sollten schon mehr als nur eine Dimension haben. Nach Möglichkeit sollten sie ambivalent sein.
"Ein sympathisches Arschloch", um es salopp zu formulieren.

Wie schafft man das? Hm...jeder hat in seinem Leben schon die Erfahrung der Enttäuschung gemacht. Der Einsamkeit. Des Betrogenwerdens.
Wie hat man sich da gefühlt? Wie hat man reagiert? Darauf kann jeder zurückgreifen. Das muss man einfach in Sprache übersetzen. Da muss man nicht viel konstruieren.

Gelegentlich stösst man auch durch Zufall auf gute Einfälle.
Mir geht es oft so, dass ich in einem Cafe oder einer Kneipe einen Dialog mit nem Päärchen aufschnappe oder ungebeten Zeuge eines Streits werde.
Und ich beobachte: Wie reagieren die beiden Personen? Deckt sich ihr (verbales und norverbales) Verhalten mit meinen Erfahrungen? Kenn ich Leute, de bisher so reagiert haben? Etc...
Meistens kann man solchen Situationen irgend etwas neues entnehmen über das Thema Beziehung/Eifersucht/Sex, das man bisher noch nicht kannte.
Manchmal baue ich diese Dinge in meine Stories ein.

Das war nur ein Beispiel, wie ich (gelegentlich) vorgehe.
Andere mögen andere Methoden haben.
Ich glaube, es gibt so viele unterschiedliche Methoden zu schreiben, wie es Schreiber/innen gibt.
Nen Königsweg gibt es nicht.
Versuch und Irrtum.
Welche Art des Schreibens jemandem liegt, muss jeder selbst rausfinden.
Wenn er das Wichtigste- eine interessante Grundidee- hat, wird er; bei etwas Talent; den richtigen Stil früher oder später automatisch finden.

So weiß ich, dass "Kojote", in der 1.Person zu schreiben nicht mag, und lieber in der 3.Person schreibt, und das macht er in aller Regel sehr gut.

Bei mir ist es grade umgekehrt. In der 3.Person zu schreiben würde mich nicht reizen.. Es würde mich schnell langweilen, da es mir zu viel Distanz zu den Figuren wäre.
Was jetzt besser oder schlechter ist, ist wohl schwer zu entscheiden.
Da kommt es wohl auf das Thema an, für das man die richtige Form finden muss.
Und auch das muss jeder immer wieder bei jeder Story neu für sich herausfinden und entscheiden.
lg
"rosi" (Johannes)
 
Last edited:
@ Munachi

Mich würde wirklich mal interessieren, wie so die Quote im Vergleich Männer 7 Frauen ist, was das detaillierte Plotten bzw. den Verzicht darauf angeht...
 
Muss der Erzähler unbedingt mehr wissen, wie seine Figuren, wie "Monty" in Posting 2 behauptet?
Ei logisch, wie man bei uns sagt. Es hilft dem Autor, seine Figuren glaubhafter darzustellen, wenn er deren Vita bis in die Details kennt. Bei Kurzgeschichten sollte man natürlich Abstriche vornehmen. Da reicht evtl ein herausragendes Detail.
John Irving beispielsweise schreibt seine nicht grade schmalen Romane immer vom Ende her.
Er weiß, wie er ne Geschichte ausgehen lässt.

[Klugscheißmodus]
Steinige mich, man nennt dies Prämisse. Die Wurzel einer Geschichte. Der Verlauf der Geschichte dient dazu, die selbstgewählte Prämisse zu beweisen.
[/Klugscheißmodus]


Wie er zu diesem Ende kommt, weiß er vorher nicht.
Naja, ich würde ihm zumindest eine ungefähre Vorstellung davon unterstellen.


Wichtig halte ich einigermaßen glaubwürdige Figuren.
Aah oui! :D (siehe oben)
Also: ein megapotenter Stecher, bei dessen Anblick die Frauen gleich umfallen
Man könnte aus diesem Thema einen Thriller machen. :D nee, Spaß beiseite.

Das muss man einfach in Sprache übersetzen.
Und genau da liegt der "literarische Hund begraben."

Nen Königsweg gibt es nicht.
Uneingeschränkte Zustimmung.

Was jetzt besser oder schlechter ist, ist wohl schwer zu entscheiden.

Mit dem Gedanken sollte man sich zumindest vorher nicht belasten. Das entscheidet der Leser.

Montez...
*wünscht kreatives Schaffen
 
@Monty (Zu Posting 10)

Der "Klugscheissmodus" ist dir gelungen (LACH)
LG
"rosi" (Johannes)
Ps: "Wünsche kreatives Schaffen"("Monty")
Danke.
Bin grade in ner (hoffentlich)kreativen Phase und schreib an einer (relativ) langen Story.
 
Ps: "Wünsche kreatives Schaffen"("Monty")
Danke.
Bin grade in ner (hoffentlich)kreativen Phase und schreib an einer (relativ) langen Story.

Congratulations, ich auch. 01 ist da, 02 coming soon, 03 noch in Bearbeitung.

„Ein Schelm, wer unzulässige Schlüsse daraus zieht.“
(Sinnspruch geklaut und adaptiert.)

Nu aber ... Montez...
 
Der feine Unterschied (@ Kojote)

Also ich merke, dass dich das Thema der Ansätze und Vorgehensweisen beim Schreiben nicht loslässt. Offenkundig ist es dir wichtig, für dich selbst in diesem Punkt zu einer – wenn auch nur vorläufigen – Entscheidung zu gelangen. Selbst wenn diese Entscheidung zunächst nur einen Abgrenzungsversuch von denkbaren Alternativen bedeutet. Und es sind die Alternativen, die du hier unterscheidest, auf die ich kurz eingehen möchte.

a) Gemeinsamkeiten und Unterschiede​

aa) Grundsätzlich ist deine Unterscheidung zwischen strukturiertem und unstrukturiertem Schreiben keine ungewöhnliche: Hin und wieder liest man von Schriftstellern, die sich zu diesem Thema positionierten, dass sie sich entweder als «Planer» oder «Drauflosschreiber» charakterisieren. Abgesehen von der Frage, was an diesen Selbstzeugnissen, die immer auch Selbstinszenierung sind, dran ist, so gehst du also offenkundig keinem solitären Gedankenspiel nach.

bb) Und ohne Weiteres stimme ich zu, dass im (literarischen) Schreiben emotionale wie rationale Anteile unterschieden werden können. Diese Aussage ist allerdings sehr allgemein und besitzt kaum konkreten Gehalt. Worauf es also ankommt, ist das praxisbezogene Ausfüllen dieser abstrakten Unterscheidung. Und es ist an diesem Punkt, dass du und ich unterschiedlichen Gedanken folgen.

cc) Der folgenschwere Unterschied ist der, dass die von dir gemutmaßte «AJ-Methode» erheblich divergiert von meinem derzeitigen Standpunkt in der Frage des zu befürwortenden – in einem gewissen Sinne richtigen – Schreibansatzes. Das von dir so-genannte «analytische Schreiben» ist also eine von dir konstruierte und mit der Realität insbesondere meiner dies betreffenden Gedanken kaum korrespondierende Kontrastfolie zum von dir befürworteten Ansatz.

b) Die Verbindung von Emotion und Ratio​

aa) Ich setzte den Unterschied hier deswegen so personenbezogen an, weil deine explizit «AJ-Methode» benannte Konstruktion suggeriert, dass sie meinen Standpunkt wiedergäbe, was sie aber tatsächlich nicht tut. Wie gravierend diese Abweichung ausfällt, wird bereits darin deutlich – und auf diesen Punkt werde ich im Weiteren mich auch beschränken –, dass ich nicht strikt, wie du es anscheinend tust*, zwischen – in meiner Terminologie – emotionalem und rationalem Anteil im Schreibprozess trenne: Schreiben ist nie nur emotional oder rational. Von Phasen, in denen die eine oder andere Seite überwiegen mag, spreche ich daher, statt Gefühl und Verstand – in meinen Augen irrtümlich, wenn auch nicht unplausibel – gegeneinander auszuspielen. In Kürze sei meine These über die emotional-rationale Verknüpfung in drei Gedankenfolgen erläutert:

1) Schreiben ohne Emotion ist m.E. ein Unding. Der Schreibprozess ist durch und durch hochemotional. Ohne Emotion, denke ich, wüssten wir gar nicht, was wir da tun, während wir Schreiben. Denn mithilfe unserer Emotionen erfahren wir die Wirkung der Worte, die wir aneinanderfügen. Ohne Emotion stünden wir da wie der Ochs vorm Scheunentor: Wir wüssten, nachdem ein paar Zeilen gefüllt sind, nichts weiter mit den Worten anzufangen.

2) Aber Emotionen allein genügen nicht. Denn häufig sind sie zu diffus, als dass sie in kniffligen Problemsituationen zu einer angemessenen Lösung führten. An diesem Punkt – spätestens! – tritt eine rationale Phase hinzu, in der wir strukturierter als etwa aus einem Bauchempfinden heraus auf das zu bewältigende Problem schauen. Hier mögen wir u.U. uns nach Regeln, Techniken oder Methoden** umschauen oder uns dieser erinnern, um einen zufriedenstellenden Umgang mit dem jeweiligen Problem zu finden.

3) Schließlich bedingen sich Emotion und Ratio gegenseitig, sodass sie auch in einer Einheitsphase zusammenfallen können. Ich meine damit Situationen, in denen nicht eins von beiden auf ein drittes bezogen wird (wie zuvor in b.aa.+bb.), sondern sie sich aufeinander beziehen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn i) mithilfe rationaler Deutung diffuse, das Weiterschreiben an einem bestimmten Punkt boykottierende Emotionen zergliedert, geordnet und dem Verständnis zugänglich gemacht werden, oder wenn ii) mithilfe emotionaler Einsichten wir aus verschiedenen rational ausgearbeiteten Problemlösungen auswählen.

c) Schluss​

aa) Wenn ich mir das so anschaue, dann denke ich, dass der Schluss naheliegt, dass deine gemutmaßte «AJ-Methode» von meinem tatsächlichen Standpunkt diametral divergiert. Denn wo du strikt zwischen Emotion und Ratio trennst, da mache ich eine unauflösbare Einheit von Emotion und Ratio stark. Letztlich behältst du also in der Tat in dem Sinne Recht, dass mein Standpunkt deinen Gedanken Reibungsfläche und Kontrast unterlegen kann.

bb) Aus meiner Sicht stellt sich jetzt die Frage, wie weit du deinen Wunsch fasst, emotional Schreiben zu wollen**: emotional im Gegensatz zu rational oder, vereinbar mit meiner hier skizzierten Konzeption, emotional in (partieller) Verknüpfung zu rational.

* vgl. deine Ausführung zum analytischen Schreibens: «Bei dieser Schreibtechnik ist Methodik die Crux. [...] Effekte werden erzielt, indem bestimmte Techniken bewusst angewandt werden. Für jedes Problem gibt es eine Lösung, die bereits erfolgreich verwendet wurde. Aber für einfaches ‚ins Blaue schreiben‘ ist kein Raum [...].» Und im Kontrast das emotionale Schreiben: «Eine Idee kommt und man fängt an zu schreiben. Einfach so. Ohne Eckpunkte. Man schreibt völlig aus dem Bauch heraus.»
** Was diese bedeuten, wenn wir wie hier von literarischem Schreiben reden, kann hier und heute nicht geklärt werden.
*** vgl.: «Ich möchte emotional Schreiben. Ich möchte mir Szenen in meinem Kopf ausmalen und [...] zu Papier bringen. Oder auch einfach nur mal ein gefühl (sic!) in umfangreichere Worte kleiden, bis eine Handlung daraus wird.»

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Beste Grüße,
–AJ
 
Last edited:
@AJ

Falls du dich mit dem Begriff "AJ-Methode" auf mich beziehen solltest (in Posting 8 verwende ich diesen Begriff): ich übernehm den Begriff von "Kojote" (und dessen Definition der (angeblichen)"AJ-Methode" in seinem Posting 1)

Ganz kurz (falls ich dich richtig verstanden habe).
Was ich ähnlich sehe: eine strikte Trennung zwischen emotionalem und rationalem Schreibprozess gibt es nicht. Kann es nicht geben.
Das zeigen schon die Ergebnisse der modernen Neurobiologie, dass neurobiologisch eine Trennung des kreativen Prozesses in Emotion und Ratio nicht haltbar ist.
Und schreiben ist ein kreativer Prozess.
ANTONIO DAMASIO (einer der renommiertesten Neurobiologen unserer Zeit) nennt die im Westen lange angenommene Trennung zwischen Verstand und Gefühl treffend: "DESCARTES IRRTUM" (ein wirklich lesenswertes Buch)
lg
LIT-RANICKI (Lach) "rosi" (Johannes)
 
Last edited:
@ Munachi

Mich würde wirklich mal interessieren, wie so die Quote im Vergleich Männer 7 Frauen ist, was das detaillierte Plotten bzw. den Verzicht darauf angeht...

sorry, aber die frage verstehe ich nicht ganz...
 
übrigens - ich glaube nicht, dass literaturwissenschaftler unbedingt bestimmte marker wollen, um etwas mess- und kategorisierbar zu machen... zumindest hat das in unseren literaturseminaren nicht unbedingt eine rolle gespielt. klar ging es da schon um bestimmte formen, üblichkeiten, metaphern und was weiß ich - aber letztlich auch darum, wie diese wieder gebrochen werden...
Ist auch logisch. Wenn alles sich nur in einem vorgegebenen Rahmen bewegen würde, könnte es keine Evolution geben. Alles lebendige lebt davon, immer wieder aufs neue etwas zu wagen, was dem alt hergebrachten Widerspricht. Oft scheitert es, aber manchmal gibt der Erfolg ihm recht.

ach ja, ein bekannter von mir hat mir mal über eine doktorarbeit erzählt, die jemand über eines seiner bücher geschrieben hat. er meinte, auf die interpretation darin sei er nie gekommen, weder beim schreiben noch danach, er fände sie jedoch sehr schön und interessant...

Lustig, da muss ich gerade an die graue Vorzeit erinnern, als ich meinen Lehrer genau mit dieser These konfrontierte, dass bei der Interpretation von Gedichten, Romanen, etc. der Autor vielleicht garnicht an das gedacht hat, sondern einfach nur eine spannende Geschichte schreiben wollte.
Antwort Lehrer: "Nein!"
Und das Nein hat mich bis heute nicht überzeugt.
 
nun, letztendlich ist es ja auch manchmal interessant darüber nachzudenken, was ein autor sagt, ohne es bewusst zu sagen... was die geschichte über seine denkweise, seine weltsicht, seine zeit sagt - und zwar nicht unbedingt, weil er uns genau das erzählen wollte... oder das ganze ist gemischt, der hintergrund entsteht gemeinsam mit der geschichte...

ging es bei der konversation mit deinem lehrer um einen bestimmten autor, oder war das allgemein?
 
Ich glaube es ging damals um Kleist und Michael Kohlhaas. Ich hab damals gerade Penthesilea von ihm verschlungen, weil mich einfach das Drama interessierte.
 
@KrystanX

Ist auch logisch. Wenn alles sich nur in einem vorgegebenen Rahmen bewegen würde, könnte es keine Evolution geben. Alles lebendige lebt davon, immer wieder aufs neue etwas zu wagen, was dem alt hergebrachten Widerspricht. Oft scheitert es, aber manchmal gibt der Erfolg ihm recht.



Lustig, da muss ich gerade an die graue Vorzeit erinnern, als ich meinen Lehrer genau mit dieser These konfrontierte, dass bei der Interpretation von Gedichten, Romanen, etc. der Autor vielleicht garnicht an das gedacht hat, sondern einfach nur eine spannende Geschichte schreiben wollte.
Antwort Lehrer: "Nein!"
Und das Nein hat mich bis heute nicht überzeugt.

Dein letzter Abschnitt (über die Antwort des Lehrers) ist amüsant und passend.
Das erinnert mich an MAX FRISCH, der mal gesagt hat: "Wenn ich Aufsätze und/oder Bücher über meine Werke lese, bin ich oft erstaunt, was ich angeblich beabsichtigt haben soll."
lg
"rosi" (Johannes)
 
@ AJ
Okay. Das ist ein interessanter Einblick in deine Sichtweise.
Du hast Recht: Ich hatte das anders eingeschätzt.
Danke für die Erklärung. Und entschuldige, dass ich das Beispiel fälschlicherweise über dich als Mittelsmann charakterisiert habe.

@ Munachi
Ich meine, wie verhält sich das statistisch.
Sind männliche Autoren stärkere Planer? Oder ist das geschlechtsunspezifisch?

@ Lehrer und ihre Sichtweisen
Leider muss man weder besonders helle, noch besonders rege im Geist sein, um Deutschlehrer zu werden.
Und manche von denen stagnieren dann auch noch in jedweder Entwicklung.
Es ist echt Glückssache, ob man Lehrer hatte, die originellen Gedanken gegenüber aufgeschlossen waren und Gedankenspiele gefördert haben.
 
naja, ich hatte im grunde ähnliche probleme in der schule... ich habe meist die sachen lieber gelesen und toll gefunden, als unbedingt über ihre bedeutung nachzudenken (und erst recht, anstatt nachher die einzelnen stilmittel rauszupicken). als wir faust II gelesen haben, waren dann zusätzlich einige der meinung das sei gar nicht so toll, und ich hatte den eindruck meine deutschlehrerin fand gerade das gut, die sachen ein bisschen zu verreissen - und wie gesagt, ich habe es halt gelesen und es hat mir gefallen, ohne dass ich weiter sagen konnte warum...

allerdings war das im studium dann schon anders, die art wie wir bücher da diskutiert haben hat mir weitaus mehr gebracht, auch wenn literaturwissenschaft nie so ganz mein ding war (irgendwie war es mir doch oft zu abstrakt - wobei es dabei natürlich auch auf den dozenten ankam)...

in einigen fällen bringt es mir aber schon etwas, erstmal über ein buch zu lesen. sagen wir, ich habe mich durch "ulysses" das erste mal über monate hindurchgekämpft, aber nachdem ich einige sekundärtexte gelesen hatte, konnte ich beim zweiten mal doch verschiedenes darin besser wertschätzen...
 
oh, verstehe. keine ahnung.

da in den diskussionen über's schreiben zumindest außer mir gerade nur wenig frauen teilnehmen hier, ist es wohl schwer, da schlüsse zu ziehen. aber ich gehe meist davon aus, dass ich die meisten dinge so tu, wie ich sie tu, weil ich ich bin, und nicht so sehr weil ich ne frau bin. auch wenn die tatsache, dass ich eine frau bin, wohl ein teil von mir ist. wenn das sinn macht.
 
@ Munachi
Ich meine, wie verhält sich das statistisch.
Sind männliche Autoren stärkere Planer? Oder ist das geschlechtsunspezifisch?

Ich bin definitv kein Planer beim Schreiben, und ich bin ein Mann ;) Sofern man nicht bei längeren Geschichte ein Blatt papier mit Namen der Figuren als starken Plan ansieht.
 
Last edited:
Ich bin definitv kein Planer beim Schreiben, und ich bin ein Mann ;)

Das ist nicht der springende Punkt, Krystan.
Es gibt Männer, die weiblicher denken als durchschnittliche Frauen. Und vielleicht gehörst du ja dazu...
Und denk jetzt bitte bloß nicht, das sei irgendwie beleidigend gemeint!!
 
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