Vorratsdatenspeicherung

Zenobit

Literotica Guru
Joined
Mar 28, 2014
Posts
4,681
Ein größerer Zankapfel zwischen SPD und CDU ist seit längerem die sogenannte Vorratsdatenspeicherung.
Durch den Terroranschlag in Frankreich ist das Thema wieder frisch auf den Tisch gekommen. Mutti Merkel würde gerne viel mehr Daten aller Deutschen sammeln, für mich eher eine nette Umschreibung für ausspionieren.
Alles unter dem Deckmantel des Schutzes vor Terroranschlägen. Dabei verschweigt sie aber ganz gerne, daß gerade in Frankreich schon eine solche Vorratsdatenspeicherung existiert und es trotzdem zu den Anschlägen kam.
Die Angst vor Terror ist ein gern gesehenes Mittel um unliebsame Gesetze durchzubringen und die Freiheiten des Bürger extrem zu beschneiden. Die USA sind da aus meiner Sicht das beste Beispiel. Nach den Terroranschlägen dort hat sich da sehr viel verändert, aber nicht nur zum Guten. Man kann aus meiner Sicht die USA schon als einen hochmodernen Überwachungsstaat bezeichnen, ohne stark zu übertreiben.
Droht uns das in Deutschland auch?
Welche Zugeständnisse sollte man für eine (scheinbare) Sicherheit machen?

Irgendwo auch ein zweischneidiges Schwert zu dem ich eine etwas geteilte Meinung habe, bzw. noch keine feststehende Meinung.

Ich frage mich hierbei auch nach dem Aufwand-/Nutzenverhältnis.
Natürlich kann man sagen, daß ein einziger verhinderter Terroranschlag jeden Aufwand rechtfertigen würde. Aber wenn man einen solch großen Apparat wie die NSA auf die Beine stellt, mit all seinen Mitteln und Möglichkeiten, ist da auch immer die Verlockung ihn für andere Dinge zu verwenden, wie z.B. groß angelegte Wirtschaftsspionage und Erpressungen von politischen Gegnern.

Auf der Pro-Seite könnte man den Endathy-Fall aufführen, dessen Ermittlungserfolge nur durch die für Abgeordnete geltende Vorratsdatenspeicherung möglich war.

Schwieriges Thema. An sich habe ich nichts was nicht jeder wissen könnte, aber wenn meine Daten z.B. an Firmen weiterverkauft werden und ich zum gläsernen Bürger werde, würde mich das schon stören.

Welche Meinung habt ihr zu dem Thema?
Terrorverhinderung um jeden Preis?
Persönliche Freiheiten einschränken, um der "Allgemeinheit" (und damit einem auch selber) ein größeres Gefühl von Sicherheit zu geben?

Oder hätte Deutschland damit eine STASI 2.0 mit viel besserer Ausrüstung/unbegrenzten Möglichkeiten?
 
... Vorratsdatenspeicherung ...


Man kann aus meiner Sicht die USA schon als einen hochmodernen
Überwachungsstaat bezeichnen, ohne stark zu übertreiben.

Mit dieser Behauptung wäre ich vorsichtig, tatsächlich dürfen NSA und CIA eigentlich keine US Bürger bespitzeln (teilweise machen sie es doch) die NSA ist vor allem bekannt weil sie im Ausland (zum Beispiel bei uns) spioniert.

NSA oder CIA sind Geheimdienste, ihr Wissen wird nicht in normalen Strafverfahren benutzt und es wäre rechtlich meist nicht möglich deren Erkentnisse vor Gericht zu benutzen.

Die VDS soll alle Verbindungsdaten aller Bürger auch ohne begründeten Verdacht überwachen, die Daten dürften dann auch bei Gerichtsverfahren benutzt werden.

Droht uns das in Deutschland auch?

Ja, es droht.


Welche Zugeständnisse sollte man für eine (scheinbare) Sicherheit machen?

Nicht so viele, falls man es doch tut verwandelt man Freie Gesellschaften ganz schnell in Gefängnisse, damit erzeugt man mehr Terror und Angst als es die Terroristen könnten.


Welche Meinung habt ihr zu dem Thema?

Früher hielt ich eine VDS von 4-6 Wochen für sinnvoll und akzeptabel, da die Provider diese Daten nur auf richterliche Anordnung herausgeben dürfen. Seit den Vorgängen um die Redtube Abmahnung weiß ich, dass der richterliche Vorbehalt nicht viel wert ist. Und Abmananwälte sehr schnell an solche Daten kommen könnten.

Terrorverhinderung um jeden Preis?

In Frankreich gibt es eine VDS von 12 Monaten, trotzdem konnte sie die Anschläge nicht verhindern. Deutsche Ermittlungsbehörden können auch ohne VDS eine Überwachung von Telefon oder den Verbindungsdaten eines Verdächtigten anordnen.

Persönliche Freiheiten einschränken, um der "Allgemeinheit" (und damit einem auch selber) ein größeres Gefühl von Sicherheit zu geben?

VDS hat nichts genutzt und Selbstmordattentäter, ist es egal ob man sie nach einem Attentat über die Verbindungsdaten oder über ihr Bekennervideo idendifizieren kann.

Oder hätte Deutschland damit eine STASI 2.0 mit viel besserer Ausrüstung/unbegrenzten Möglichkeiten?

Es führt nicht gleich zur Stasi 2.0 aber es bringt auch nichts,und seit der Redtube Geschichte bin ich der Meinung dass man solche Daten besser gar nicht erst sammelt.


--

Übrigens die US Geheimdienste (laut Wikipedia):
"... NSA, ist der größte Auslandsgeheimdienst der Vereinigten Staaten. "

" ... CIA, ist der Auslandsgeheimdienst der Vereinigten Staaten."

Da diese Dienste für die USA aber nicht in den USA spionieren, ist die Freiheit von US Bürgern (eigentlich) nicht von ihnen bedroht.
 
Last edited:
Na ja was die Aktivitäten der NSA im eigenen Land betrifft bin ich mir nicht so ganz sicher, was sie dürfen und was nicht und dann noch was sie machen und was nicht.
Es gibt da ja auch noch Homeland, welche nach den Anschlägen gegründet wurde. Und daß die Amis e-mails und Telefongespräche aufzeichnen und mitschneiden in denen bestimmte Schlagwörter vorkommen ist kein Geheimnis.

Was mich dabei aber am meisten stört ist die macht die dadurch in die Hände sehr weniger gelangt. man braucht nur mit dieser Macht eine Leiche im Keller seines politischen Gegners, eines industriellen oder eines andern Staatsoberhauptes finden.
Ein Kandidat der US Präsident werden will ist heimlich schwul und hat Fotos mit seinem Liebhaber verschickt. In Amerika wird er bei Veröffentlichung sicherlich nicht gewählt.

Merkel z.B. dürfte auch nicht gerade als Terrorgefahr für die USA eingestuft gewesen sein...
Die wurde aus anderen Gründen abgehört.
 
Schuld eigene bei Mutti Merkel und Co.
Ihr und ihren Ministern bzw. Staatssekretären
stehen abhörsichere Handys zu und sind auch
in ausreichender Menge vorhanden.

Viel schlimmer ist für mich, dass innerhalb von 500
Metern, sowohl der MI6, als auch auch die NSA
ihre Abhöran****** direkt auf den Reichstag
gerichtet haben, warum wehrt sich das Parlament
nicht mal mit einer regelmäßig sendenden
Mikrowellenanlage, so lange bis den Spooks
die Ohren brennen und ihre Anlage abbrennt.

Warum wurde das Wort Abhöranlage *gesternt* ?
Fragen über Fragen ?
 
Last edited:
Deutschland ist wohl zu sehr mit allen Ländern der Welt wirtschaftlich verbunden, daß man mit irgendwem auch nur die kleinste Verstimmung riskieren will.
Hat man stress mit den Amis oder den Russen verliert man einen guten Geschäftspartner. Um die nicht zu verprellen, schluckt die Regierung jede Kröte...
Früher war wenigstens der Russe "der Böse". Heute sind alle Geschäftspartner, die es sich leisten können deutsche Waren zu kaufen oder Billige Waren nach Deutschland liefern!
 
Ein Kandidat der US Präsident werden will ist heimlich schwul und hat Fotos mit seinem Liebhaber verschickt. In Amerika wird er bei Veröffentlichung sicherlich nicht gewählt.

Es gab einen Präsidentschaftskandidaten in den USA der mit seiner Sekretärin in den Urlaub fuhr, die beiden hatten sehr wahrscheinlich ein Verhältnis miteinander. Es war aber nicht der 'böse' Geheimdienst der beide enttarnte, es war die Presse die ihre Kameras bis an das Fenster ihres Apartments schob.

Es hatte schon was widerliches an sich, eigentlich kann man in den USA nur als verheirateter Familienvater Präsident werden, alles Andere ist anrüchig.

Dass Kohl oder Chirac ihre Geliebten hatten, wäre in den USA undenkbar, da muss nicht mal einer schwul sein. Und schuld daran sind nicht mal die Geheimdienste.

Merkel z.B. dürfte auch nicht gerade als Terrorgefahr für die USA eingestuft gewesen sein...
Die wurde aus anderen Gründen abgehört.

Man ist im Vorteil wenn man weiß was andere Staatschefs so denken.
 
.........................................................................
 
Last edited:
Majajanosch kann man eigentlich nur zustimmen.
Ebenso emails verschlüsseln - unverschlüsselt sind das Postkarten, die jeder einsehen kann, über dessen Schreibtisch (Server) sie laufen. Es ist nur beeindruckend schwierig, jemanden dazu zu kriegen, das zu machen. Deswegen sende ich unverschlüsselt :(, ich schaffe es einfach nicht, meine Bekanntschaft davon zu überzeugen, daß Briefe doch viel privater sind...:confused:

Vorratsdatenspeicherung: vehement dagegen. Ich weigere mich, meine Privatsphäre, und wenn es nur Teile davon sind, mit dem Staat bzw Personen nicht meiner Wahl zu teilen.
Und die richterlichen Anweisungen: Studien zum Abhören zeigen, daß das i.d.R. nur pro-forma Akte sind. Der Staatsanwalt/ die Polizei reicht die Anfrage, ggf auch erst nach der "Tat", ein, der Richter nickt sie ab, und keine Sau schert's. Ausnahmen bestätigen leider nur die Regel. Genauso sind Studien über die Effizienz i.d.R. interne Studien, und die kommen, erstaunlicherweise, meistens zu dem Ergebnis, daß die neuen Spielzeuge total klasse, cool und erfolgreich sind.
Unabhängige Kontrollen kommen da nur in den Weg und verderben den Spaß.
Aber bei der Vorratsdatenspeicherung und dem Zugriff darauf wird das bestimmt alles besser.:p

London gilt (oder galt vor nicht allzulanger Zeit) als die europäische Hauptstadt der Kameraüberwachung. In manchen Gegenden werden mittlerweile Strafzettle für Falschparken per CCTV verteilt. Die Kriminalitität ist auch gesunken. Anfangs...
Seit ein paar Jahren ist sie wieder deutlich am steigen. Man könnte fast auf die überraschende Idee kommen, die Kriminellen hätten gelernt, mit dem neuen Hindernis umzugehen. Komisch, eigentlich...:rolleyes:

Das Deutschland damit eine Stasi 2.0 bekäme, würde ich im Moment zwar nicht befürchten. Aber was in 10, 20, 30 Jahren passiert? Wer weiß.
Da ist immer mal wieder die Frage, was, wenn Google böse wird? Das läßt sich frei auf jeden Datenkraken ausbreiten, und ich bemühe mich, meine Datenspur so gering wie möglich zu halten, soweit das praktikabel möglich ist (auch wenn ich kaum Zweifel habe, daß ich deutlich mehr Mühe hätte investieren müßen, um z.B. zu verhindern, daß jemand der es wirklich will die wahre Identität meiner Lit-Persona finden kann. Aber daß wäre für mich unpraktikabel gewesen, im Grunde juckt es mich nicht wirklich, wenn das jemand rausfindet. Nur eine simple Google-Suche sollte allerdings nicht dafür langen. ;) ).

Man verteidigt die Freiheit nicht, in dem man sie abschafft.
Und vieles, nach dem der Staat begehrlich die Finger ausstreckt, ist da ein erster, zweiter, dritter Schritt. Wenn ich nur an Leute wie Schily denke: in den 70gern RAF Leute verteidigen, in den 2000ern den großen Lauschangriff propagieren. Was schert mich der Sch... von damals. Solange es nicht mich betrifft.

Und allen, die immer noch der Meinung sind, "ich habe ja nichts zu verbergen", kann ich nur zwei Dinge ans Herz legen:
1.) das mag im Moment vielleicht (aber seid ihr euch da wirklich soo sicher? Ich habe 'ne ganze Reihe von Sachen, die ich nicht gerne unkontrolliert teilen will, auch wenn sie (derzeit) nicht illegal sind.) stimmen, aber ob das in 10, 20 Jahren und nach einem halben Dutzend Gesetzesnovellen noch gilt, wer weiß?
2.) beim Kacken wollen die meisten von uns auch nicht beobachtet werden, obwohl jeder weiß, wie das aussieht, und es eigentlich nichts zu verbergen gibt. :p Und mancher von uns dehnt das nicht beobachtet werden wollen halt auch auf andere Bereiche des Lebens aus, obwohl wir nichts zu verbergen haben.
 
Z.Z. wird VDS ja wieder diskutiert. Eine Abgeordnete der CDU (Elisabeth Winkelmeier-Becker ) hielt eine Rede mit folgender Aussage:


"Ein Fall war, dass eine Geschädigte eine Abmahnung
wegen angeblicher Urheberrechtsverstöße bekam. Es ging um behauptete
Redtube-Porno-Streaming-Kosten. Die IP-Adresse konnte nicht
nachvollzogen werden, es gab erheblichen Schaden und keinen
Ermittlungsansatz, weil man eben überhaupt nicht nachvollziehen
konnte, von wem das kam, was da so viel Schaden angerichtet hatte."


Zur Erinnerung (vereinfacht):

RedTube ist eine Filmhoster wie Youtube aber für Pornos.

Eine Anwalt sammelte nun IP Adressen von Leuten die bei Redtube einen Film angeschaut hatten (streaming), für den er die Rechte besaß und den er dort vorher hoch geladen hatte.

Mit den IP Adressen ging er zum Gericht und behauptete, dass er geschädigt worden wäre. Daraufhin musste T-Online die Personalen der Kunden herausrücken die zur fraglichen Zeit die IP Adresse benutzten.

An diese Namen schickte der Anwalt dann ein Abmahnung (Details sinngemäß erfunden):
"Sie habe 'Ficken Bumsen Blasen' unberechtigt angeschaut, tun sie das nie wieder und zahlen sie 400 Euro an mich oder ich werde sie richtig verklagen"

Das tollste an dem Verfahren war, dass ein Richter T-Online zwang die Adressen herauszurücken, obwohl beim Anschauen (Streaming) keine Copyrightverletzung auftritt. Die ganze Betrug flog auf und der Abmahnanwalt wurde aus der Anwaltskammer geworfen.

Für mich bedeutet dies, dass die VDS, um einen Betrug durchzuführen. Bei diesem Betrug wurde dem Betrüger von einem Gericht geholfen. Und jetzt kommt diese Abgeordnete von der CDU, verdreht (oder verwechselt) die Tatsachen und behauptet dass VDs doch ganz toll wäre. Sie ist übrigens selbst Juristin.

Ein paar andere Schnitzer hat sie in ihrer Rede auch noch zugegeben. Sie war Mitglied im NSU Untersuchungsausschuss und behauptete, dass die VDS Daten ihnen möglicherweise geholfen hätten die Verbindungen mit der NSU aufzuklären.


Die Leute von der NSU haben immer von Telefonzellen telefoniert, da gab es gar keine Verbindungsdaten die man nachträglich benutzen konnte.

Man bekommt den Eindruck die Abgeordnete wäre komplett ahnungslos oder sie wäre ein Lügnerin und überzeugt davon dass alle dümmer wären als sie.
 
Last edited:
Irgendwo auch ein zweischneidiges Schwert zu dem ich eine etwas geteilte Meinung habe, bzw. noch keine feststehende Meinung.

Ich frage mich hierbei auch nach dem Aufwand-/Nutzenverhältnis. [...]

Welche Meinung habt ihr zu dem Thema?
Terrorverhinderung um jeden Preis?
Persönliche Freiheiten einschränken, um der "Allgemeinheit" (und damit einem auch selber) ein größeres Gefühl von Sicherheit zu geben?

Also meine Position dazu ist ganz eindeutig: Dagegen.

Es gibt, meines Wissens, keinen einzigen Fall, wo die VDS tatsächlich und nachweisbar zur Verhinderung eines Anschlages geführt hat. (as always: if someone knows better, plz let me know). Ich kenne zwar einige verhinderte Anschläge, aber alle diese wurden durch "klassische" geheimdienstliche Methoden verhindert. (Also: V-Männer, Überwachung, an-die-Autos-geklebte-GPS-Sender....)

Wobei, natürlich, die VDS tatsächlich hilft, das ist die Aufklärung von Verbrechen. Also nachdem etwas passiert ist, dann die Zusammenhänge - wer hat mit wem telefoniert - aufzuklären...

Aber auch wenn, wage ich zu fragen, wie wahrscheinlich das heute noch ist, just über *diese spezielle* Methode der Datenspeicherung, zu Erkenntnissen zu kommen --> wenn man in jedem 08/15-Hollywood-Film man heute die Text-Stelle finden kann: "Okay? Hast du alles? Ja. 10 Handys und 50 SIM-Karten. Denkt dran: verwendet jedes SIM-Karte nur ein Mal!"

Im Gegenzug werden hunderttausende Daten von unbescholtenen Bürgern aufgezeichnet --> aus denen man sich (einen etwaigen Böswillen vorausgesetzt) alles zusammenbasteln kann, was man will...
 
Markus Löffelmann, Richter am Landgericht München, hat die geplante Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung begrüßt. In einem Gastartikel für die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt er, da keine Inhalte der Kommunikation gespeichert würden, sei diese ein "Verkehrsdatenregister" und somit kein schwerer Grundrechtseingriff.

Sehr geehrter Herr Löffelmann,

Ihre jüngsten Äußerungen in einer konservativen Zeitung haben mich sehr erstaunt, lassen sie doch nur zwei Schlüsse zu: Entweder, Sie verharmlosen und verschleiern mutwillig eine Maßnahme, von der Sie sehr genau wissen, wie tief sie in die Grundrechte eingreift; oder aber, Sie haben trotz zweier Staatsexamina die weitreichenden Folgen derselben nicht durchschaut. Da ich ein Menschenfreund bin, unterstelle ich Ihnen lieber aufrichtige Ahnungslosigkeit als bewusste Täuschung Ihrer Leserschaft. Ich möchte mir daher die Mühe machen, Ihnen anhand eines Fallbeispiels zu einem besseren Verständnis zu verhelfen.

Im folgenden Szenario greife ich ausschließlich auf Ihre Verkehrsdaten zu, die Ihrer Ansicht nach harmlos sind und keinen schweren Grundrechtseingriff darstellen. Kommunikationsinhalte bleiben dabei außen vor.

Zunächst sehe ich anhand des Standorts Ihres Mobiltelefons, dass Sie am 27.04.2015 gegen 23:00 Uhr auf einem Parkplatz nahe der A9 bei München hielten und sich ein Stück weit in das nahegelegene Waldstück begaben. Was sie dort taten, weiß ich nicht - Inhalte werden ja nicht gespeichert. Allerdings ist die Ausfahrt ein bekannter Parkplatz-Strich. Ihr Aufenthalt dort dauerte nur etwa 20 Minuten.

Danach sehe ich anhand ihrer Verbindungsdaten, dass Sie die Notaufnahme des Klinikums Großhadern anriefen, zu dem nach Ende des Anrufs auch aufbrachen. Was genau besprochen und worauf hin Sie sich noch in dieser Nacht untersuchen ließen, weiß ich nicht - Inhalte werden ja nicht gespeichert. Allerdings sehe ich, dass Sie nach Rückkehr aus der Klinik an Ihrem heimischen PC stundenlang IPs von Webseiten abfragten, die zu sexuell übertragbaren Krankheiten und deren Heilungschancen informieren.

Sehr erstaunt war ich, als ich Sie gegen 3 Uhr nachts erneut aufbrechen sah. Sie fuhren zu einer nahegelegenen Tankstelle, wo sie mit Ihrer Kreditkarte (deren Daten ja ebenfalls grundrechtsirrelevant sind) einen Betrag von exakt €11,99 entrichteten. Was genau Sie gekauft haben, weiß ich nicht - Inhalte werden ja nicht gespeichert. Allerdings erinnert mich dieser Preis stark an die härteren Spirituosen im Tankstellen-Laden.

Ob Sie die Flasche im Anschluss getrunken haben, weiß ich freilich nicht. Auch weiß ich nicht, was Sie kurz darauf auf die nahegelegene Eisenbahnbrücke führte. Ich weiß nicht, warum Sie von dort aus 33 Minuten und 11 Sekunden mit einer Suizidhotline telefonierten, was gesprochen wurde, und warum Sie danach nach Hause zurückkehrten.

Aber, Herr Löffelmann: Ich kann mir all das denken - und das, ohne Ihre Kommunikationsinhalte zu kennen. Ich kann es mir sehr leicht aus Ihren Daten zusammenreimen, indem ich sie miteinander verknüpfe und zusätzliches, frei verfügbares Datenmaterial über Ihre Standorte, Ihre Kommunikationspartner und Netzwerke in meine Analyse mit einbinde.

Und wenn ich Ihnen am nächsten Tag mit verquollenem Gesicht auf dem Flur des Amtsgerichts München begegne und höre, Sie hätten "nur schlecht geschlafen" - dann denke ich mir meinen Teil dazu. Ich überlege, ob Sie noch der richtige Mann für uns sind, obwohl Sie streng genommen nichts Illegales getan haben. Ich überlege, ob nicht die Verwaltung oder Ihre Frau von der Sache erfahren sollten - oder ob ich lieber Stillschweigen über die Sache breite, wenn Sie mir bei der nächsten Beförderungsrunde den Vortritt lassen. Beschweren können Sie sich kaum, dass ich damit Ihre Grundrechte verletze oder mich strafbar mache: Schließlich habe ich ausschließlich auf Ihre Verbindungsdaten zugegriffen - niemals auf Ihre Inhalte!

Mit freundlichen Grüßen,
Ein Kollege.

---

Lizenziert unter CC-BY-NC-SA 4.0
Dieses Material steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International. Um eine Kopie dieser Lizenz zu sehen, besuchen Sie http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/.
 
Prima!


Mit freundlichen Grüßen,
Ein Kollege.


Hervorragend geschrieben!
Wobei das als "Leserbrief" wohl nie in einer Zeitung stehen würde (auch ohne die mögliche Erpressung am Ende) :D

Gruss

Hans
 
Ich 'muss' euch leider wieder mit dem Thema VDS langweilen.

Das Bundeskabinet hat einen Vorschlag des Justizministers zur neuen Vorratsspeicherung angenommen.

Das wirklich unglaubliche bei dem Gesetz besteht darin, dass nicht nur Einwahldaten erfasst werden sollen. Bisher bedeutete VDS bei Telefon eine Speicherung wer mit wem wann telefoniert hat bzw wer wann welche IP Adresse hatte

Der jetzige Entwurf sieht vor, dass zusätzlich die Port Nummern der Verbindungen und sogar die Funkzelle beim Aufnehmen der Verbindung gespeichert werden müssen ( wer wann welche IP Adresse hatte, was er im Netz machte und wo er sich befand ). Das sind wesentlich mehr Daten als bisher angenommen. Um das zu tun müssten die Provider (z.B. Telekom) den gesamten Verkehr ihrer Kunden analysieren, filtern und mitprotokollieren.

Man muss davon ausgehen, dass dies technisch unmöglich ist oder die Benutzung des Internets verteuern würde.
 
Back
Top