Eine Weihnachtsgeschichte

Die folgenden Tage vergehen wie im Flug, und schnell kommt der zweite und dann auch schon fast der dritte Advent.

Theobald wird immer unwirscher und knurriger, weil weder Egon noch Hugo auch nur ansatzweise Erfolg damit haben, an den Schlüssel in Fräulein Sommerleins Kitteltasche zu kommen.

„Wie soll ich den Schlüssel erwischen, wenn sie den Kittel nur zum Schlafen auszieht, und sich das bösartige Katzenvieh von Cleopatra die ganze Nacht auf dem Ding langmacht?“ versucht sich Egon zu verteidigen während er neben Hugo an diesem merkwürdigen Briefbeschwerer auf dem Nachttisch von Margit lehnt...

„Pass auf, wie du von ihr redest, Maus!“ faucht Theobald los, bevor er sich wieder im Griff hat. „Entschuldigt, das Ganze frustriert mich so gewaltig.“

Er richtet sich auf und legt die Pfoten neben die beiden Mäuseriche auf den Nachttisch.

„Wenn wir wirklich Recht haben, und die Sommerlein wirklich den X-Mas-O-Graphen, mit dem sie den Weihnachtsmann ihre Nachrichten schickt, in dieser Schublade aufbewahrt, könnten sich unsere Wünsche endlich erfüllen. Ihr beiden hättet endlich eure Mäusedamen für euch und ich könnte endlich die Menschensprache nicht nur verstehen sondern auch sprechen – und endlich sagen, was mir auf der Seele brennt.“

In seinem Eifer fegt Theobald fast den hässlichen faustgroßen Stein von Margits Nachttisch, und die beiden Mäuseriche springen gerade noch rechtzeitig zur Seite um den beiden wild fuchtelnden Tatzen der Katze zu entgehen.

„Theo… Beruhig dich… Wir haben noch sieben Tage Zeit. Wenn wir das Ding bis zum 23. finden können, reicht dem Weihnachtsmann die Zeit ganz sicher, um unsere Wünsche noch zu erfüllen.“ versucht Hugo zu beruhigen. „Wir müssen uns nur noch weiter anstrengen – und es schaffen, das mistige Katzen… Äh… Cleopatra zu umgehen…“ mit einem kurzen Seitenblick will sich Hugo versichern, dass Theo nicht wieder sauer wird, doch der umtriebige Straßenkater hat einen überraschend verträumten Blick in seinen Augen.

„… und das Beste wäre, sie irgendwie abzulenken, während wir anderen versuchen, an den Schlüssel und die Schublade zu kommen. Ich denke, wir brauchen höchstens fünf Minuten, um unsere Wünsche durchzugeben.“

Theobald scheint aus seinen Träumen zu erwachen und erklärt: „Ich werde mich selbst um das Ablenkungsmanöver kümmern. Haltet euch Donnerstagabend bereit. Vielleicht besteht noch etwas Hoffnung…“


„Basti! Hier drüben! Im Wagen!“

Sebastian dreht sich in der Dunkelheit vor dem elterlichen Gartentor hin und her, nachdem er jemanden seinen Namen hat zischen hören.

Vielleicht spielen ihm seine Sinne schon Streiche, so müde und so angespannt wie er nach den zahllosen Verhören durch seine weiblichen Familienmitglieder ist.

„Himmelherrgott Sebastian! Wir sind es, Dein Vater und Fredi! Wir sind in Fredis Van!“

Sebastian folgt dem Zischen, und keine drei Meter von ihm entfernt, steht der altersschwache Kleintransporter, der Fredis größten Stolz darstellt, ohne Licht und im tiefsten Schatten unter einem Baum am Straßenrand. Kein Lichtschein dringt aus dem Wagen, kein Lichtteilchen kommt mit dem Wagen in Berührung… und zu allem Überfluss haben sich Fredi und Karl-Heinz beide schwarze Sturmhauben über die Köpfe gezogen. Eine Studie in Schwarz mit schwarzen Akzenten und schwarz abgesetzten Schatten.

„Steig jetzt ein, und dann kann dein Männerabend beginnen!“ tönt es aus der Schwärze, die genau in diesem Moment von einem winzigen Glutpunkt unterbrochen wird, als Fredi an seiner Zigarre zieht.

Sebastian steigt in den alten Wagen und fragt sich – nicht zum ersten und sicher nicht zum letzten Mal – ob der weibliche oder der männliche Teil seiner Familie eigentlich den größeren Dachschaden hat.


Der weibliche Teil seiner Verwandtschaft ist derweil fleißig bemüht, die Waagschale zu ihren Gunsten ausschlagen zu lassen.

„… und dann, wenn die ersten Geschenke geöffnet sind, werde ich Sebastian das Päckchen in die Hand drücken und während er es auspackt, werde ich ihn sanft zu Mila hinüberschieben. Wenn es nötig ist, werde ich ihm persönlich in die Kniekehlen treten, damit er sich zu einem Antrag hinkniet!“

Margits Augen haben einen leicht fiebrigen Glanz und bei richtigem Lichteinfall ist schon fast ein wenig Geifer auf ihren Lippen zu sehen, während sie ihren Plan vor Oma Keks ausbreitet.

„Der Junge wird ihr einen Heiratsantrag unter dem Christbaum machen, und wenn es das Letzte ist, was ich im Leben tue. Ich weiß, dass er es möchte, auch wenn er es selbst noch nicht begriffen hat.“

Oma Keks sieht ihre Tochter aufmerksam an und überlegt, ob sie ihr lieber Baldrian oder eine Valium anbieten soll.

„Kind… Ich wünsche mir auch nichts mehr, als das Basti Mila endlich einen Heiratsantrag macht, aber findest du nicht, dass die Entscheidung darüber bei den Beiden liegt?“ Sie legt ihrer Tochter die Hand auf die zitternden Finger.
„Versuch durchzuatmen, Margit. Du bist in letzter Zeit so eigenartig, so rastlos und angespannt.“

Sie nimmt ihre Tochter in den Arm, und nicht zum ersten Mal fragt sie sich, warum das Thema „Heiratsantrag“ jetzt plötzlich so hitzig diskutiert wird, obwohl Sebastian und Mila schon seit vier Jahren zusammen sind.

‚Ich habs im Gefühl… Da ist was im Busch, und ich finde raus, was! ‘


Opa Pfeifchen lehnt sich in seinem Sessel zurück und begutachtet den Ring unter der Uhrmacherlupe. ‚Eine wirklich perfekte Kopie… Sie ist ihr Geld mehr als wert. ‘

Er hatte das Bild zwar aus dem Gedächtnis gezeichnet, aber jetzt, wo er den Ring in Händen hält, kann er nicht umhin, zu bemerken, daß dieser Ring genauso aussieht wie der Ring, der ihm abhanden gekommen ist.

‚Der Junge wird Augen machen, wenn ich ihm das „Familienerbstück“ am Heiligen Abend in die Hand drücke, damit er endlich seinen Antrag machen kann. ‘


„Du weißt, dass ich dich mag und großen Respekt vor dir habe, Papa, aber…
Bist du jetzt komplett Irrsinnig geworden???

Sebastian sieht seinen Vater fassungslos an, während überall um ihn herum im Striplokal halb- und ganz nackte Tänzerinnen an Stangen herumrutschen oder in Séparées private Lap-Dances anbieten.

„Ich weiß garnicht, was du meinst, Basti… Es ist doch richtig genial hier. Sieh dir die ganzen Frauen an… Du bist jung und hast noch Zeit, bevor du dich für immer bindest. Wenn du Zweifel hast, solltest du dich nicht drängen lassen, von niemandem, und schon garnicht von deiner Mutter oder Mila.“

Sebastian schüttelt den Kopf und zu seinem eigenen Erstaunen muss er sich eingestehen, daß er gar keine Zweifel hat – er hat nur Angst, aber er weiß noch nicht einmal wovor.

‚Was verpasse ich denn? ‘ fragt er sich, und noch während er sich umsieht, stellt er fest, daß DAS sicher nichts ist, was ihm fehlen wird, wenn er verheiratet ist. Genauso wenig, wie seinem Vater.

Genau genommen wüssten sie nicht einmal, wo der Laden ist, wenn sie nicht Fredi hingefahren hätte.

„Ich weiß nicht, was mit euch beiden ist“, meint er zu seinem Vater und dessen Freund: „Aber ich will hier garnicht sein. Fahrt ihr auch, oder soll ich mir ein Taxi nehmen?“

Ohne das geringste Bedauern verlässt Sebastian das Strip-Lokal; im festen Wissen, daß er eigentlich nur gewinnen kann, wenn er seine Beziehung zu Mila vertieft… und auch auf die nächste Stufe hebt.
 
Montagmorgen sitzt Mila aufgeregt im Wartezimmer ihres Gynäkologen. Die Übelkeit der letzten Wochen und der Schwindel macht ihr nun doch langsam Sorgen.

Ungeduldig blickt sie auf ihre Uhr, eigentlich hätte sie schon längst bei Jonny im Tierheim sein sollen, sie hat den kleinen Kerl schon so in ihr Herz geschlossen.
Endlich ist sie an der Reihe. Nach der Blutabnahme kann sie endlich ins Tierheim gehen. Der Arzt will sie anrufen sobald das Ergebnis da ist.

Im Tierheim wird sie schon laut bellend von Johnny erwartet. „ Nur noch eine Woche mein Kleiner, dann hole ich dich ab“, sagt Mila zu dem Hund.

Währenddessen sitzt Basti im Büro mit seinem Kumpel Mirko, der eine Adresse für ihn hat wo er sich nach der Arbeit Jack Russel Welpen ansehen kann.
„Mirko, ich muss heute früher gehen, ich muss noch zu einem Juwelier, der muss mir noch einen Ring machen für Mila, ich habe da schon genaue Vorstellungen“, sagt er euphorisch.

„ Für den Antrag?“ fragt Mirko. „ Ja, ich will den Ring meiner Ur-Urgroßmutter nachmachen lassen, der ist leider irgendwann verschwunden und der sollte eigentlich der Tradition nach in der Familie weiter gegeben werden.“

„Hoffentlich schafft das der Juwelier noch, “ zweifelt Mirko, “ du solltest besser jetzt gehen.“

Basti bedankt sich bei Mirko, der auch sein Abteilungsleiter ist und ihm ein guter Freund und Ratgeber.

Basti hat ein Foto von dem Ring, besser gesagt ein Foto wo seine Ur-Uroma ihn trägt, er hofft dem Juwelier reicht das.

Mila hat Jonny wieder im Tierheim abgegeben und hat mit dem Leiter vereinbart ihn am Heiligabend um 10 Uhr abzuholen. Es wird zwar schwierig werden ihn dann noch im Haus zu verstecken, aber Mila hofft, dass alle zu beschäftigt sein werden ihn zu bemerken.

Basti hat den Ring in Auftrag gegeben und die Zusage vom Juwelier das der Ring am Freitag fertig ist. Perfekt um dann am Sonntag seinen Antrag zu machen.

Als er bei der Züchterin klingt hört er schon wildes Hundegebell und freut sich wie ein kleines Kind schon jetzt auf Mila`s Gesicht, wenn sie den Welpen zu Gesicht bekommt.

Die Züchterin ist eine nette Dame die ihm das Zimmer mit den 12 Wochen alten Welpen zeigt.

Eine braunweiße kleine Hündin tapst unsicher auf ihn zu und leckt seine Hand. Basti ist sofort begeistert.
„ Na da hat Flecki sich ja schnell für sie entscheiden, “ lacht die Züchterin.
„ Die ist ja auch süß, meine Freundin wird begeistert sein“, antwortet Basti. Sie vereinbaren das Basti Flecki am Heiligabend um 10 Uhr abholt.

Nun muss Basti nur noch den Tisch in ihrem Lieblingsrestaurant bestellen und die Rosen. Dann kann Weihnachten kommen für ihn.

Mila wartet in der Zwischenzeit ungeduldig auf den Anruf des Arztes. Endlich geht ihr Handy.
„ Sie sind schwanger, in der 11. Woche. Herzlichen Glückwunsch“, jubiliert der Arzt ins Telefon.
„ Ja danke, Dr. Weißenstein, ich melde mich dann nach den Feiertagen wegen eines Termins“, antwortet Mila verblüfft. „ Na das kann ja ein heiteres Fest werden“, grinst Mila in sich hinein.

Mila überlegt wann sie Basti etwas von der Schwangerschaft erzählen soll. Sie entscheidet sich für den Tag vor Heiligabend, da kann er sich noch bis zur Bescherung von dem Schock erholen.

„ Mila Schatz, ich habe einen Tisch bei Carlo bestellt für Sonntagabend, ich dachte wir sollten da noch mal hin vor Weihnachten, “ ruft Basti abends aus dem Bad als er sich zur Nacht fertig macht.

„ Gute Idee“, sagt Mila und küsst ihn. „ Na das passt ja prima, dann kann ich es ihm da sagen“, denkt Mila.

Die Woche verläuft recht hektisch und alle fiebern nur noch Heiligabend entgegen.

Frau Sommerlein sitzt lächelnd in ihrem Schaukelstuhl. Zufrieden nippt sie an ihrem Tee. „ Das habe ich ja mal wieder alles sehr gut organisiert.“ sagt sie zu Cleopatra, die sich putzend in der Fensterbank liegt und wie die letzten Tage genau beobachtet was draußen so vor sich geht. Vor allem was Theobald so treibt.

„ Ich bin mal gespannt was für eine Familie ich demnächst von der Zentrale bekomme, ich hoffe es ist hier in der Nähe“, redet die in Wirklichkeit 456- jährige Schwester des Weihnachtsmannes. Sie hat schon vielen Familien zu ihrem Glück verholfen.

Am Donnerstag will Theo seinen Plan Cleopatra aus dem Haus zu locken endlich in die Tat umsetzen.
Im Geräteschuppen will er Cleopatra ein leckeres Katzenmenü servieren. Dazu hat er bereits ein Stück gekochtes Putenfleisch, was eigentlich für einen Wurstsalat gedacht war, aus der Küche von Oma Keks geklaut.
Napf und Pute hat er in eine Tüte gepackt und schleppt diese nun durch den Garten, laut polternd um ja Cleopatra`s Aufmerksamkeit zu erregen.

„ Was schleppt der da durch den Garten“, wundert sich Cleopatra auf ihrem Fenstersims. Schnell springt sie hinunter um in den Garten zu gehen. „ Sicher hat das etwas mit der Verschwörung mit den Mäusen zu tun“, denkt sie sich.

Theo beobachtet aus dem Augenwinkel wie Cleopatra ihm heimlich folgt und Hugo und Egon derweil durch die Katzenklappe in das Haus von Frau Sommerlein huschen.

Im Schuppen packt Theo das Stück Pute in den Napf und zieht es mit seinen Pfoten auf die Tischdecke in die Mitte des Raumes.
„ Na mal sehen, wann sie kommt“, schnurrt er.
Um sie in Sicherheit zu wiegen geht er demonstrativ aus dem Schuppen und setzt sich vor das Haus auf die Straße und tut so als würde er Autos beobachten. Die Tür zum Schuppen hat er einen Spalt offen gelassen.
Cleopatra die es vor Neugier kaum aushält huscht in den Schuppen und bleibt verdutzt vor dem Napf stehen.
„ Was soll das denn jetzt, was haben denn die Mäuse hiermit zu tun“, grübelt sie.
Der Duft von dem Fleisch steigt Cleopatra in die Nase und sie fängt an genüsslich an dem Fleisch zu knabbern.

„ Schön zu sehen, jetzt habe ich wohl deinen Geschmack getroffen“, ertönt es verführerisch schnurrend hinter der hübschen Katze.
Erschrocken lässt sie das Stück Fleisch fallen und dreht sich zu Theo um. Sprachlos blickt sie zu Theo der sie spitzbübisch angrinst.
„Lass dich von mir nicht vom Fressen abhalten“, sagt er zu ihr.
„ Nein danke, ich bin satt“, antwortet Cleopatra hochnäsig und will sich auf den Weg raus aus der Hütte machen. Theo , der sich nicht anders zu helfen weiß, schließlich sind Hugo und Egon ja noch im Haus von Frau Sommerlein, springt auf Cleopatra , dreht sie auf den Rücken und küsst sie leidenschaftlich.
Cleopatra fährt ihre Krallen aus und bohrt sie Theo in den Rücken. Theo der in zwischen völlig benebelt ist knutscht Cleopatra mit erhöhter Leidenschaft weiter, als er plötzlich bemerkt, dass die hübsche Katze unter ihm anfängt zu schnurren und seine Küsse erwidert.
„ So schlecht küsst er gar nicht „, denkt sie dabei, “ und er riecht auch heute nicht so nach Abfall wie sonst.“
Theo hingegen denkt gar nicht mehr und gibt sich nur noch den leidenschaftlichen Gefühlen für Cleopatra hin, die er so lange unterdrückt hat.

Hugo und Egon sind in der Zwischenzeit im Schlafzimmer von Frau Sommerlein angekommen und bemerken entsetzt, dass Frau Sommerlein mit dem Schlüssel in der Hand ein Nickerchen auf dem Bett macht.
„ Mist, das wird wohl heute auch nichts, wir brechen die Mission ab“, raunzt Egon zu Hugo und die beiden treten den Rückzug an.
 
Mila überlegt, wie Basti es geschafft hat, für den vierten Advent einen der wenigen Tische bei „Carlo’s“ zu reservieren, als sie vom Kellner an den wartenden Menschen und den vollen Tischen vorbei zu ihrem Tisch geführt wird. Die Gedanken werden aber unbedeutend, als sie ihn am Tisch stehen sieht, mit leuchtenden Augen und einem glücklichen Grinsen im Gesicht.

„Du siehst wundervoll aus, Mila.“ Flüstert er ergriffen und ergreift ihre Hand, nachdem sie sich gesetzt hat.

„Heute ist für mich ein ganz besonderer Abend, und ich will, dass alles perfekt ist.“ Erklärt er nervös und kann ihre Hand nicht einmal dann loslassen, als der Kellner ihnen die Speisekarten reicht.

„Darf ich ihnen etwas empfehlen, oder möchten sie selbst wählen?“ Fragt der Kellner.

Erleichtert antworten beide: „Empfehlen sie uns etwas.“ da sie beide den Kopf nicht wirklich frei haben. Die anfängliche Begeisterung über die Nachricht ihrer Schwangerschaft hat sich bei Mila in Verunsicherung verwandelt, weil sie plötzlich nicht sicher ist, ob Basti die Nachricht überhaupt gut auffassen würde. Vielleicht ginge ihm das alles viel zu schnell, und er wolle noch gar keine so feste und absolute Bindung?

Es würde sie vielleicht überraschen und erstaunen, wenn sie wüsste, daß er fast genau das gleiche denkt.

Auch Sebastian ist plötzlich unsicher, ob er Mila mit seinem Antrag nicht überrollen würde… Vielleicht ginge es ihr viel zu schnell?

Er atmet tief durch und beschließt, ins kalte Wasser zu springen.

„Das ich dich heute Abend hierher eingeladen habe, hat einen bestimmten Grund, mein Liebling.“ Sagt er schnell, um den Mut nicht zu verlieren. Er fischt das kleine Samtschächtelchen aus der Jackettasche und klappt es in einer schnellen Bewegung auf. Durch die hastige Bewegung fliegt der Ring aus seinem Kästchen und segelt über den Tisch, glitzert im Licht der Kerzen auf dem Tisch und… fällt zwischen den beiden Liebenden über die Tischkante und landet auf dem Boden.

Mit einem panischen Blick in den Augen hechtet Sebastian hinterher und hebt, sich auf einem Knie abstützend, den Ring wieder auf… Vor seiner Liebsten kniend.

„W-w-willst du m-m-mich h-h-heiraten?“ stammelt der junge Mann. „Mich h-h-heiraten und irgendwann zu-zu-zusammen mit mir eine Familie gründen?“

Mila ist nicht wirklich überrumpelt, denn etwas tief in ihr hat schon geahnt, daß der Antrag noch vor Weihnachten kommen würde – Sie ahnte es seit dem Moment als sie erfahren hat, daß sie schwanger ist.

„Natürlich will ich das, Sebastian… Und mit der Familiengründung haben wir schon angefangen.“ flüstert sie, bevor ihre Lippen auf seine treffen und sie sich lange und innig küssen.

Sein erstaunter Blick lässt sie lächeln. „Ich bin in der 12. Woche schwanger… Wir werden bald Eltern… Du wirst Papa!“ strahlt sie ihn an, etwas unsicher, ob er gleich ausflippen wird.

Sebastian erinnert sich plötzlich an seinen seltsamen Traum einige Tage zuvor: Mila, das Kleid, wie schön sie war, wie sehr er sie liebt…

„Ich werde Vater…“ flüstert jetzt er und ein ungläubiges Strahlen liegt auf seinen Zügen… Dann fällt er in Ohnmacht.


Cleo sitzt auf der Fensterbank und sieht aus dem Fenster zum Haus der Krumhackers rüber. Schon seit dem frühen Morgen herrscht ein sehr reges Treiben und langsam kann die stolze Siamkatze die Vorgänge besser einordnen:

Der alte Mann ist schon seit Tagesanbruch in seinem Hobbykeller verschwunden und wenn er sich nicht ab und zu regen würde, hätte Cleopatra schwören können, vor dem kleinen Fensterchen im Keller säße eine Wachsfigur.

Theobald zieht im verschneiten Garten seine Runden und grummelt, während Hugo und Egon mit zwei Mäusedamen plaudern, die scheinbar seit ein paar Tagen im Gartenhäuschen der Krumhackers leben.

Cleo muss über den grimmig schauenden Kater schmunzeln, denn seit letztem Donnerstag findet sie seine ruppige Art und seinen besonderen Charme sehr sehr anziehend.

‚Ich muss nur sehr aufpassen, mich in diesen wandelnden Flohzirkus nicht zu verlieben. ‘ nimmt sie sich vor, auch wenn ihr irgendwo bewusst ist, daß es dafür schon längst zu spät ist.

Am späteren Vormittag war die verliebte Rassekatze Zeuge, wie die beiden jungverliebten Menschenkinder unabhängig voneinander einen Hund bei Frau Sommerlein abgegeben haben. Beide haben die gleiche Idee gehabt: Dem jeweils anderen einen Hund schenken.

Sebastian hat mit der aufmerksamen Nachbarin vereinbar, den kleinen Jack Russel-Welpen Flecki gegen halb sechs abzuholen, damit er noch einmal mit ihm Gassi gehen kann, bevor er ihn seiner Verlobten überreicht.
Besagte Verlobte wollte ihren vierbeinigen Neuzugang auch etwa um diese Zeit abholen, und ein kleiner gemeiner Teil von Cleo ist neugierig, wie die beiden jungen Leute das bewerkstelligen wollen, ohne sich gegenseitig in die Arme zu laufen.


Margit!!! Hast du mein gutes Jackett gesehen?“ Karl-Heinz hat schon den ganzen Tag ein merkwürdiges Gefühl, als hätte er etwas verpasst und zugleich als hätte er sehr erholsam und lang geschlafen, und auch das Verhalten seiner Frau und seiner Schwiegereltern gibt ihm Rätsel auf.

Seine Schwiegermutter verströmte eine Fröhlichkeit, die umso merkwürdiger ist, als sie sich über den Grund für ihre enorm gute Laune ausschwieg, und sein Schwiegervater hatte sich schon kurz nach Tagesanbruch in seinem Keller verschanzt, und mehr als ein gelegentliches, unwilliges Grunzen war ihm nicht mehr zu entlocken.

Margit schmunzelt ihn schon den ganzen Tag an und macht seit langer Zeit zum ersten Mal einen wirklich entspannten und ausgeruhten Eindruck, auch wenn sie seit dem frühen Morgen am Aufräumen und Ausmisten ist.

„Das hängt wie immer innen an der rechten Schranktür, mein Vergesslichbär!“ schallt die Stimme seiner Angetrauten aus der Küche hinauf.

„Beeil dich… In rund zwanzig Minuten ist Bescherung!“ fügt Sebastian hinzu, der gerade den Schnee von seinen Stiefeln klopft und versucht, die kleine Flecki unter seinem weiten Mantel zu verbergen.
Er hatte gerade den Garten von Frau Sommerlein nach hinten raus verlassen, als Mila an deren Vordertür klopfte.

Als Mila mit Jonny an der Leine ihr Haus verlassen hat, wendet sich Esmeralda Sommerlein an ihre Vertraute Cleopatra: „Es ist wirklich süß, daß die beiden Verliebten sogar ähnliche Ideen haben… Ich wette, das wird gleich eine sehr interessante Bescherung nebenan werden.“
Dabei schmunzelt sie und krault Cleos Nacken.


Es ist schon seit Jahren Tradition, daß Oma Keks an Heiligabend das Glöckchen zur Bescherung läutet, und auch an diesem Abend erklingt das feine Silberglöckchen, um die Familie ins Wohnzimmer und unter den prächtigen Weihnachtsbaum zu rufen.

„Kommt schon, ich bin alt und weiß nicht, ob ich solange lebe bis ihr eure Geschenke endlich ausgepackt habt!“

Alle in der Familie wissen, daß Oma Keks so rüstig ist, daß sie noch viele Bescherungen leiten wird, aber die Art, wie sich die alte Dame über jedes einzelne Geschenk freut, egal wer es wem schenkt, lässt alle in der Familie die Schritte beschleunigen – auch Mila, die gerade zur Hintertür rein schleicht und versucht, die Leine, die sie in der Hand hält zu verbergen.

Augenblicke später sind alle vor dem Baum versammelt, Opa Pfeifchen vor der Krippe hockend und wie immer die Figuren noch ein letztes Mal ausrichtend, Oma Keks breit grinsend und strahlend, Margit und Karl-Heinz in bestem Festtagsgewand und mit dem unvermeidlichen Fotoapparat in der Hand.

Sebastian hat noch seinen Mantel an und Mila ist halb vom Türrahmen verdeckt, als Oma den Vorschlag macht, vor der Bescherung noch ein Gedicht vorzutragen. Wie als Antwort ertönt ein zweifaches Bellen: Eines laut und deutlich… und von hinter Milas Beinen, das andere leise und gedämpft… und aus Höhe von Bastis Herzen.

Die Köpfe der Familie gehen hin und her wie bei früher wenn sich Boris Becker und Ivan Lendl in Wimbledon begegneten.

Ein süßes, pelziges Schnäuzchen lugt auf einmal aus Bastis Mantel hervor und hinter Milas Beinen schaut ein freches und beinahe listiges Gesicht mit klugen Augen und heraushängender Zunge hervor.

„Ich glaube, wir hatten beide fast die gleiche Idee, Schatz“ lacht Sebastian und zieht Flecki vollends unter seinem Mantel hervor. „Ihr Name ist Flecki, und ich dachte, so süß wie sie ist, passt sie perfekt zu dir.“ Er sieht seine Verlobte lächelnd an. „Und wie heißt der Rabauke?“

Mila erwidert das Lächeln und zieht leicht an der Leine, so daß Jonny hinter dem Türrahmen hervorkommt und ins Wohnzimmer tritt. „Mit Rabauke hast du Recht, Basti… Darum habe ich gleich an dich denken müssen, als ich Jonny sah.“

„Na fabelhaft… Jetzt haben wir zwei Hunde im Haus!“

Die fremde Stimme war so plötzlich ertönt, wie sie auch wieder verstummte, aber sie kam nachweislich aus der Richtung, in der Opa Pfeifchen vor der Krippe hockt und Kater Theobald krault.

„Seit wann hast du was gegen Hunde einzuwenden?“ will Oma Keks von ihrem Mann wissen, doch er bleibt die Antwort schuldig… Muss die Antwort schuldig bleiben, denn so sehr er sich auch bemüht, kein Wort kommt über seine Lippen. Alles, was ertönt ist ein kehliges Grunzen und Scharren, während Theobald irgendwie aussieht wie vom Donner gerührt.

„Merkwürdig, Opa klingt jetzt wie Paps, wenn er schnarcht.“ murmelt Sebastian geistesabwesend und sieht weiter verwirrt zu seinem Großvater.

Margit und Oma Keks sehen sich an und beide formen mit ihren Lippen ein stummes: „Oh mein Gott!“

Während der Rest der Familie verständnislos von Mama zu Oma blickt, sprintet Margit mit erstaunlichem Tempo los und die Treppe hinauf ins elterliche Schlafzimmer.

Während die erstaunten Blicke alle noch Margits schnellem Abgang folgen, ertönt die Stimme erneut… Und sie gehört unübersehbar Theobald, der mindestens genauso überrascht dreinblickt wie der Rest der Familie – außer vielleicht Oma Keks, denn die hatte den Kater nach dessen „Besprechung“ mit den Mäusen aus dem Schlafzimmer verjagt.

„Ich glaube, ich weiß, was passiert ist.“ lässt sich der Kater vernehmen, und gerade als Margit mit dem – inzwischen geborstenen Wunschstein – die Treppe runter steigt, spricht Oma Keks.

„Du hattest dir gewünscht, die Sprache der Menschen zu sprechen? Ist es so, Theobald? Dann werden die anderen Wünsche wohl auch in Erfüllung gegangen sein, oder? Dann ist es wirklich ein Wunschstein“ Sie blickt zu Margit, die ihr zunickt.
Ja, Karl-Heinz hatte in der letzten Nacht kein einziges Mal geschnarcht.

„Dann wird Opa ab Mitternacht wieder reden können…“ fragt Basti, und Mila sieht in die Runde: „Und wessen Wunsch war es, daß ich schwanger werde?“

In der folgenden Stille hätte man den Schatten einer Stecknadel fallen hören können.

„Du bist was?!?!“ Margit sieht geschockt aus, und Karl-Heinz fängt an, schwer zu atmen.

„Regt euch nicht auf! Es passt ganz gut, da Mila und ich gerne im Mai heiraten würden.“ versucht Basti zu vermitteln und die Sache zu retten.

„Damit ist meine Aufgabe endlich erfüllt, und ich kann mich zur Ruhe setzen…“ erklärt Theobald jetzt ganz überraschend. „Auch wenn ihr Chaostruppe es mir nicht immer leicht gemacht habt.“

Er wendet sich zu Opa Pfeifchen um: „Wenn du nicht meinen Zauberspruch in deinen dussligen Tunnel eingebaut hättest, hätte ich es dir schon vor vier Jahren erklären können, gleich als sich Basti und Mila kennenlernten.“

Der mysteriöse Kater wendet sich wieder der Familie zu: „Ich bin der Schutzengel dieser Beziehung, und von Anfang an sollte ich dafür sorgen, daß sich Sebastian und Mila über beide Ohren in einander verlieben und fortan eine gemeinsame Zukunft aufbauen.“

„Wie… Ihr wollt im Mai heiraten? Wann hast du ihr denn den Antrag gemacht? Und mit welchem Ring??“ fragt Margit verdattert, und hält das Schächtelchen mit dem Verlobungsring in die Höhe.

Opa Pfeifchen hält stumm und etwas verwirrt seine Version des Rings in die Höhe während Mila ganz stolz den Ring an ihrem Finger in die Höhe hält.

„Ich glaube, wir werden nach der Bescherung einiges zu besprechen haben…“ schmunzelt Oma Keks verschmitzt und knabbert an einem Weihnachtsplätzchen.
 
@Peter_Carsten

Was zeitlos gutes ausgegraben.
Die Story ist nun schon neun Jahre alt. Aber immer noch klasse!
 
Danke,

bin durch Zufall nochmal drauf gestoßen und dann ich dachte mir es ist die passende Zeit, auf dass unsere Geschichte nicht ewiglich im dunkeln bleibt.

Nostalgie ftw!
 
Mich mal grade an diesen Thread erinnert.

Ob jemals ein zweiter Teil kommt? *zwinker* 😇
 
Ob jemals ein zweiter Teil kommt? *zwinker* 😇

Also ich wäre da gerne dabei: 🙂

Aber ich würde da wieder gerne von "Null" anfangen, :sneaky:
(und vllt. auch ein wenig näher an der eigentlichen Geschichte):


Maria (Marie, Mary...) ist schwanger,
und deswegen sucht sie mit Josef (Joschi, Joscha, ... ;)) irgendwo eine Unterkunft.

Um die Weihnachtszeit sind natürlich alle Herbergen ausgebucht, weswegen sie ja....

Dann kommen irgendwann drei Ausländer vor...

Ein Tier muss noch in der Geschichte sein...

Und am Himmel steht ein Stern...

☺️ 😇
 
Last edited:
Mich mal grade an diesen Thread erinnert.

Ob jemals ein zweiter Teil kommt? *zwinker* 😇


Wenn ich darf, ich würde gleich einmal einen Einstieg versuchen:



CHRISTMAS-STORY LIT 2022

Vorschlag für einen Einstieg:

Maria hatte schon immer gewusst, dass sie zu Josef gehörte. Ihre Schwestern hatten sie zwar ihre ganze Jugend hindurch nur Mary oder Marie geneckt, aber als Josef vor ihr gekniet und ihr den Ring hin gehalten hatte, da wusste sie: Der oder kein anderer.
Kurz darauf war sie schwanger geworden. Ein extrem unglücklicher Zeitpunkt. Das war am Anfang des Sommers gewesen, wo alle ihre Freundinnen noch im Bikini herum liefen, sie allerdings schon wusste, dass sie ihr Baby wahrscheinlich Mitte/Ende Dezember auf die Welt bringen würde. Josef schien das alles überhaupt nicht zu kümmern. Er sagte nur immer: "Gott oder Allah oder Buddha oder Hare Krishna werden es schon richten! Machen wir lieben einen Ausflug!"
Nun, da lag er falsch. Keiner von denen hatte es gerichtet.
Die Wehen setzten bei Maria ein, genau, als ihnen das Benzin aus ging, irgendwo vor einem kleinen Dorf irgendwo im Nirgendwo...
 
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